Fünf Jugendliche kommen aus dem Bahnhof in Bad Neustadt. Alle schwarz gekleidet, Schlägerjacken und Kapuzen-Pullis. Ein Polizeiwagen fährt vor. Zwei Polizisten steigen aus, eine Beamtin hält die Jugendlichen an, bittet um ihre Personalien. Ihr Kollege sichert die Lage im Hintergrund ab – eine Szene, die im Areal zwischen Jugendzentrum, Kaufland, Pecht und Bahnhof nun öfters so stattfinden wird. Denn diesen Bereich hat die Polizei als "gefährlichen Ort" im Sinne des Polizeiaufgabengesetzes eingestuft.
Diese Einstufung hört sich in der Polizeisprache durchaus martialisch an. Aber: "Wir haben schon in den vergangenen Jahren bemerkt, dass das Kaufland samt angrenzender Parkfläche, das Wasserhäuschen und die Rederstraße mit dem Gelände des ehemaligen Notariatsgebäudes zentraler Treff- und Anlaufpunkt für viele Jugendliche ist", sagt Toni Schlereth, der Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Bad Neustadt. Das habe sich in den vergangenen Monaten noch verstärkt.
Drogen und Alkohol ungeniert in der Öffentlichkeit
In den Nachmittags- und Abendstunden hielten sich dort größere Gruppen Jugendlicher auf, über Stunden werde ungeniert Alkohol getrunken und teilweise auch andere Drogen konsumiert. "Da bleiben Ordnungswidrigkeiten und Straftaten nicht aus", sagt der Erste Polizeihauptkommisar.
Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 habe die Polizei in diesem Areal 35 Vorgänge registriert. "In 21 Fällen führten sie zur Anzeige", erläutert der PI-Dienststellenleiter. Alles Dinge, die nicht unbedingt zum Sicherheitsgefühl der Bürgerschaft beitragen. "Logisch, dass sich da Männer und Frauen Sorgen machen", weiß er. Zumal gerade in diesem Bereich viele Menschen tagtäglich vorbeikommen, um einzukaufen, zu parken oder zum Bahnhof gebracht oder von dort abgeholt zu werden.
Im Verbund mit Ruhestörungen und einer zunehmenden Vermüllung trage das alles nicht zum subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung bei. "Im Gegenteil: Dieses Gefühl ist in diesem Bereich nicht unerheblich negativ beeinflusst worden", fügt Schlereth an. Und: "Wenn wir das so laufen lassen, wird sich die Sicherheitslage weiter verschlechtern!"
Der Bad Neustädter Dienststellenleiter ließ den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März in diesem Areal polizeilich auswerten. Dabei kam für ihn eine objektive Sicherheitslage heraus, die er mit seinen Kolleginnen und Kollegen besprach.
Einstufung durch das Polizeiaufgabengesetz gesichert
Das Areal am Kaufland, der Rederstraße und am Wasserhäuschen übe eine überproportional große Anziehung auf ein bestimmtes Klientel von jungen Leuten aus. In keinem anderen Bereich der Dienststelle sei eine ähnliche Lageentwicklung zu erkennen. Deshalb habe Schlereth dieses Areal als "gefährlichen Ort" nach dem Polizeiaufgabengesetz eingestuft.
So können die Ordnungshüter – formaljuristisch abgesichert – schnell handeln, um die Lage zu kontrollieren. Dazu zählen Identitäten feststellen, Personen durchsuchen, Sachen sicherstellen, Platzverweise und Aufenthaltsverbote auszusprechen, gegebenenfalls auch jemanden in Gewahrsam zu nehmen. Schlereth ist dabei wichtig: "Das machen wir natürlich mit Maß und Ziel. Die Maßnahmen sind auch nur auf die konkrete Zielgruppe beschränkt."
Vielfach seien die ersten Kontrollen – sie laufen seit 1. April – mit zustimmenden "Daumen hoch" von Passanten quittiert worden. "Wir wollen durch die gezielten Kontrollen Straftaten bestenfalls verhindern, diese Treffpunkte auflösen und vor allem das Sicherheitsgefühl der Anwohnerinnen, Passanten und Spaziergänger verbessern", gibt Schlereth vor.
Beispiel Schweinfurt
In seinem früheren Einsatzbereich in Schweinfurt haben diese Maßnahmen mit Bußgeldern angereichert gut funktioniert. Die Polizei sei momentan auch mit der Bad Neustädter Stadtverwaltung im Gespräch. Um das Areal solle eine Allgemeinverfügung für ein Alkoholverbot erlassen werden. Dies müsse aber erst in den Stadtgremien besprochen und abgestimmt werden.
Wenn sich die objektive Sicherheitslage dort bessert, will die Polizei die Einstufung "gefährlicher Ort" wieder aufheben. "Dann müssen wir sehen, wo die nächsten Treffpunkte zu Brennpunkten werden!", so Schlereth.