Die Situation in den Kindertagesstätten ist besorgniserregend. Bayernweit fehlen in den Kitas 62.000 Plätze und 35.000 Fachkräfte. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann Stiftung von Ende 2022 hervor. Der Grund dafür: An allen Ecken fehlt Personal. Das hat weitreichende Folgen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wegen Unterbesetzung unter erheblichem Stress stehen. Für die Kinder, wenn die Pädagogik zu kurz kommt. Und für die Eltern, für die ein Stück Verlässlichkeit verloren geht.
Astrid Metz leitet seit 29 Jahren den Kindergarten St. Konrad in der Gartenstadt. Der Beruf der Erzieherin oder des Erziehers sei nach wie vor ein schöner Beruf, sagt sie gegenüber dieser Redaktion. Auch der Verdienst sei für sie nicht maßgeblich, dass immer weniger junge Leute diesen Beruf ergreifen. "Es sind die Rahmenbedingungen", erklärt sie. "Diese werden immer schlimmer."
Der Kindergarten St. Konrad verfügt über 120 Plätze, davon 90 Regelplätze mit 21 Schulkindern und 30 Krippenplätze. Alle Plätze seien derzeit belegt, erzählt Astrid Metz. Damit könne man zwar alle verfügbaren Kitaplätze vorhalten, die Personalnot mit ihren Folgen sei jedoch auch bei ihnen deutlich spürbar und belaste den Kindergartenalltag.
Der Anstellungsschlüssel setzt voraus, dass immer alle Mitarbeiter da sind
Im Kindergarten sind neun Vollzeit- und sechs Teilzeitkräfte beschäftigt, außerdem eine Praktikantin in Vollzeit und zwei Teilzeit-Hauswirtschaftskräfte. Für je elf Buchungszeitstunden der angemeldeten Kinder wird jeweils mindestens eine Arbeitsstunde des pädagogischen Personals angesetzt. Der gesetzlich festgelegte Anstellungsschlüssel darf somit die Zahl 11 nicht überschreiten, erläutert die Kindergartenleiterin. Im Kindergarten St. Konrad liegt der diesjährige Durchschnittswert bei 10,23. "Wenn alle Kollegen da sind, ist 10 ein akzeptabler Wert, ideal wäre noch etwas darunter."
Die Betonung liegt auf "wenn alle da sind". Metz sitzt an ihrem Schreibtisch und öffnet am Computer den Arbeitsplan. Weiß sind die Anwesenheitstage gekennzeichnet und gelb die Fehlzeiten. Viel Gelb und wenig Weiß, lautet ihr Fazit. Von Januar bis Ende April war der Kindergarten nur an 15 Tagen personell voll besetzt. "Ich habe selten solche Krankheitswellen erlebt, wie seit Corona und jetzt danach." Immer wieder muss der Kindergarten mit weniger Personal auskommen. "Wir gehen mittlerweile mit einem schlechten Gewissen in den Urlaub", betont sie. Viele ihrer Kolleginnen und Kollegen würden sich krank auf die Arbeit schleppen.
Die Berechnung setzt voraus, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer da sind und berücksichtigt nicht Krankheit, Urlaub oder Fortbildung. "Es könnte funktionieren, wenn es Springer, mehr Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte geben würde", so die 53-Jährige. Sie ist für ihre Leitungsfunktion und die dazugehörige Verwaltungsarbeit nicht freigestellt, sondern muss wie ihre Kollegen auch in den Kindergruppen mitarbeiten.
Die Rahmenbedingungen sind im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz verankert
Die Rahmenbedingungen für Kindergärten stehen im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. "Sie haben zu wenige gesicherte Inhalte", sagt Astrid Metz. Gesichert müssten ihrer Meinung nach sein: eine altersgemäße, individuelle Begleitung und Förderung der anvertrauten Kinder, eine verlässliche Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit, ein Zeitrahmen für Elterngespräche, eine Vertretung bei Krankheit, Zeit für die Zusammenarbeit mit Förderdiensten, das Einkalkulieren von Urlaub und Fortbildung, Verwaltungskräfte sowie ausreichend Hauswirtschaftskräfte. "Die Arbeitsbedingungen sind nicht passend. Im Gegenteil, das Kindergartenpersonal hat immer mehr zu kompensieren und zu puffern."
Was passiert, wenn Personal fehlt? Ein Behelf sei die Zusammenlegung von Gruppen. Das bedeute eine erhöhte Kraftanstrengung für die Erzieher und weniger Kontinuität bei den pädagogischen Angeboten für die Kinder. "Da bin ich zu 150 Prozent gefordert, ich kann nur noch anleiten, begleiten und beaufsichtigen und am Abend bin ich echt geschafft", schildert Metz so eine Situation. Das sollte eigentlich eine Ausnahme sein, komme jedoch vermehrt vor.
Auch könne es vorkommen, dass sie Projektangebote für die Vorschulförderung, die unter ihrer Verantwortung steht, kürzen oder ausfallen lassen muss. "Da leidet die pädagogische Qualität."
Kurzfristig mussten die Öffnungszeiten reduziert werden
In jüngster Zeit habe man darüber hinaus wiederholt kurzfristig die Öffnungszeiten reduzieren und die Eltern bitten müssen, ihre Kinder früher abzuholen. "Mir blutet da das Herz. Wir möchten eine verlässliche und konstruktive Bildungspartnerschaft zum Wohl des Kindes", so Metz.
Was bislang staatlicherseits getan wurde, um dem Personalproblem beizukommen, seien eher "Notlösungen", meint die Kindergartenleiterin. "Die Vorschläge sind nicht immer praxisorientiert und realisierbar." Der "Springerpool" sei eine Idee gewesen. "Ich wäre nach acht Wochen kaputt", sagt Metz. Ein Springer habe nie ausreichend Zeit, um eine Beziehung aufzubauen. Auch den Kindern würden wechselnde Bindungspartner nicht guttun.
Vorbereitung auf ein Leben in der Gesellschaft
"Unser Auftrag, der im bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan verankert ist, ist die Vorbereitung der Kinder auf ein Leben in der Gesellschaft und die Unterstützung bei der Entwicklung wichtiger persönlicher Kompetenzen", fährt Astrid Metz fort. "Davon entfernen wir uns immer mehr."
"Wir benötigen eine bessere Basis mit mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die störungsfreier und gesicherter Kinder und Familien unterstützen können", fordert Astrid Metz. "Es muss mehr Zeit für die pädagogische Arbeit mit und am Kind und für Familien herauskommen." Wenn die Rahmenbedingungen besser wären, würden auch etliche Erzieherinnen und Erzieher, die ihrem Beruf frustriert den Rücken gekehrt haben, wieder zurückkommen, ist sie überzeugt.