
Die 28-jährige Erzieherin aus Kitzingen ist sich sicher: Nein, ihren eigenen Sohn würde sie nicht in der Kita betreuen lassen, in der sie selbst jahrelang gearbeitet hat. Nicht, weil die Kolleginnen schlecht ausgebildet, unmotiviert oder gar grob zu den Kindern wären. Sondern, sagt die Erzieherin, "weil in dem System mit dem wenigen Personal einfach keine gute Betreuung möglich ist".
Ein halbes Jahr ist ihr Sohn alt. Bis er drei ist, will die 28-Jährige mit ihm zu Hause bleiben - und sich danach beruflich umorientieren. Die Kitzingerin, die mit der Redaktion im Rahmen einer umfangreichen Recherche zu den Arbeitsbedingungen in Kitas in Unterfranken gesprochen hat, würde damit zu einer von bundesweit 100.000 benötigten Fachkräften: So viele Erzieherinnen und Erzieher fehlen laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung von Ende 2022 aktuell in deutschen Kitas.
Allein in Bayern fehlen 14.500 Erzieherinnen und Erzieher
Deutschlands Kitas stecken in der Krise - und mit ihnen die Fachkräfte und die Familien mit Kindergartenkindern. In der ganzen Bundesrepublik warten laut der Bertelsmann-Studie die Eltern von 400.000 Kindern aktuell vergebens auf einen freien Kita-Platz. Im Freistaat fehlen 61.000 Plätze, in Würzburg beispielsweise knapp 500. Der Grund: erheblicher Personalmangel.
"Um die Nachfrage in Bayern nach Kita-Plätzen zu decken, müssten zusätzlich zum vorhandenen Personal weitere 14.500 Fachkräfte eingestellt werden", schreibt die Bertelsmann Stiftung. Und das nicht irgendwann, sondern jetzt. Doch diese 14.500 Fachkräfte gibt es nicht. Gerade mal 1,1 Prozent der ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher sind im Freistaat laut Arbeitsagentur derzeit ohne Anstellung. Die Bundesagentur für Arbeit spricht von "Vollbeschäftigung" und stuft den Erzieherberuf mittlerweile als sogenannten Engpassberuf ein. In Würzburg etwa rechnet die Stadtverwaltung bis zum Jahr 2025 mit 400 fehlenden Fachkräften.
Leiterinnen und Leiter von Kitas berichten: Aufsichtspflicht nicht mehr gewährleistet
Doch nicht nur für neue Kitaplätze fehlen die Fachkräfte. Auch der laufende Betrieb droht zusammenzubrechen. Der Verband Erziehung und Wissenschaft (VBE) hat in den vergangenen Monaten bundesweit knapp 5400 Kita-Leiterinnen und -Leiter befragt. Zwei Drittel von ihnen gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens 20 Prozent der Zeit mit so wenig Personal gearbeitet zu haben, dass die Aufsichtspflicht nicht mehr gewährleistet war. Das heißt umgerechnet: In zwei von drei Kitas wurde an mindestens einem Tag die Woche die Aufsichtspflicht verletzt. Statt zu zweit oder zu dritt für rund 25 Kinder da zu sein, kämpfen sich immer mehr Erzieherinnen und Erzieher alleine mit ihrer ganzen Kita-Gruppe durch die Arbeitstage.
Pädagogische Qualität leidet unter dem Personalmangel
Verena Delle Donne, Psychologin und Leiterin der Erziehungs- und Familienberatung beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Würzburg, weiß, was diese Zahlen in der Praxis bedeuten. "Es läuft an vielen Stellen nur noch eine Minimalversorgung: Wenn eine Person alleine mit 25 Kindern ist, kann sie nicht pädagogisch arbeiten, sondern nur noch aufpassen, dass sich keiner verletzt." Ihre Einschätzung deckt sich mit dem Ergebnis der VBE-Befragung: Neun von zehn Kita-Leitungen gaben an, dass die pädagogische Qualität der Betreuung unter dem Personalmangel leide.
Notbetrieb, eingeschränkte Öffnungszeiten, ganze Tage zu
Inzwischen sehen sich immer mehr Kitas dazu gezwungen, ihre Öffnungszeiten einzuschränken, tageweise ganz zu schließen oder in einen Notbetrieb wie zu Pandemie-Zeiten zu wechseln. Ein Beispiel aus Würzburg macht die Auswirkungen deutlich: "Statt eigentlich zu zehnt waren wir zwischenzeitlich im Team zu dritt. Deswegen haben wir seit Dezember 2022 ein Wechselmodell eingeführt", berichtet Erzieherin Larissa Winterstein von der Kita an der Flugschule: "Eine Woche darf die Kindergartengruppe kommen, in der nächsten Woche die Krippengruppe."
Die Eltern würden zwar wissen, wie angespannt die Situation in der Kindertagesstätte sei, sagt Winterstein. "Die Wut, wenn sie selbst nicht zur Arbeit können, weil die Kita zu hat, bekommen wir aber trotzdem ab".
Haben Sie als Eltern oder in einem Erzieher-Beruf ähnliche Erfahrungen gemacht? Dann schreiben Sie gerne eine E-Mail an die Autorin: lara.meissner@mainpost.de
was die ganzen in Gesetze gegossenen Ansprüche tatsächlich bedeuten: hehre Ziele, aber praktisch nicht erreichbar. Und "Dank" der sich immer weiter öffnenden sozialen Schere halte ich keinerlei Besserung für zu erwarten - eher im Gegenteil. Zumindest solange man mit der Klage über den "Fachkräftemangel" tatsächlich (in etwa) sagen will, man sucht super ausgebildete Leute, die zu Minijob-Bezahlung zwei Schichten am Tag, am besten noch unter indiskutablen Randbedingungen arbeiten...
Deshalb muß deutlich mehr für Kindergärtnerinnen getan werden. Die Bezahlung für diese wertvolle Arbeit muß angehoben werden. Der Beruf deutlich attraktiver gemacht werden. Das Geld das wir in die Bildung , gerade für die Kleinen reinstecken, ist Gold wert. Es gibt kaum eine staatliche Investition die sich besser lohnt.
Warum gerade CSU/FW Regierung des reiche Bayern so wenig tut , ist nicht nachvollziehbar. Aber was ist schon ein langfristiges Denken wert, wenn man mit möglichst billigem Populismus die nächste Wahl gewinnen kann.
Wozu braucht man den denn noch (Piazollo und Konsorten ebenfalls)? Sowohl im Bereich Bildung, als auch Energie hat er ganz einfach versagt.
Ihre fremdenfeindliche Hetze löst keine Probleme sondern schafft neue!
Und in Bayern, das Thema ist Aufgabe der Länder in unserer föderalen Gewaltenteilung, ist die CSU verantwortlich für die Lösung unseres Problems beim Fachkräftemangel unter Erziehern und Erzieherinnen.
Über Jahrzehnte war die Ausbildung im Verhältnis zum späteren Verdienst sündhaft teuer und nur absolute Idealistinnen und Idealisten Taten sich das an, so viele Jahre und so viel Geld zu investieren.
Da hätte doch die von Ihnen so geliebte CSU viel früher gegensteuern können und erstens die Ausbildungskosten übernehmen und zweitens die praktischen Jahre bereits vergüten können.
Aber in der CSU wurde eben ein Frauenbild aus der Vergangenheit hoch gehalten, nach der Frauen eben die drei Ks (Küche, Kinder Kirche) gehören.
Berufstätigkeit und volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben war in der CSU bis vor kurzem überhaupt nicht vorgesehen.