Die Zeit ist knapp für das Gespräch mit Ulrike Scharf. Gleich wird die Sozialministerin, selbst großer FC-Bayern-Fan, den Fußballer Thomas Müller für sein soziales Engagement auszeichnen. Die 55-jährige CSU-Politikerin, seit Februar 2022 als bayerische Sozialministerin im Amt, ist dennoch nicht in Eile. Das Thema Kinderbetreuung liegt ihr am Herzen, da muss im Zweifel auch ein Profi-Kicker ein paar Minuten warten.
Die vielen Probleme in bayerischen Kitas sind immer deutlicher geworden. Was sagt die Ministerin zur schwierigen Lage - und was will sie ändern?
Ulrike Scharf: So würde ich es nicht formulieren. Wir haben in vielen Bereichen einen Fachkräftemangel. Und auch das Personal, das wir für die Kitas brauchen, ist davon betroffen. Schauen wir aber auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre, muss man klar feststellen: Die Anzahl der Beschäftigten hat sich in dieser Zeit um 78 Prozent gesteigert: Wir haben heute 114.000 Beschäftigte in den Kitas. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir hier stehenbleiben dürfen.
Scharf: Entscheidend sind zwei Dinge: Wir müssen genügend Plätze für die Kinderbetreuung schaffen. Das geht los im Kita-Bereich bei den Kindern bis sechs Jahren. Wir müssen aber auch die Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich fest im Blick haben – ab 2026 haben wir hier einen Rechtsanspruch. Der bayerische Koalitionsvertrag hat 2018 als Ziel einen Ausbau von 42.000 Betreuungsplätzen bis Ende 2023 vorgesehen. Dieses Ziel haben wir weit überschritten, wir sind jetzt schon bei 73.500 zusätzlichen Plätzen. Ich habe zudem eine Offensive für die Kinderbetreuung durch Qualifizierung gestartet. Wir müssen alles unternehmen, um mehr Menschen für einen Beruf in der Kita zu begeistern. Ich habe deshalb letzten August auch ein Weiter- und Fortbildungsprogramm gestartet, das sehr gut angenommen wird. Wir stellen fest, dass die Nachfrage nach diesem Beruf groß ist. Das stimmt mich sehr zuversichtlich.
Scharf: Familien sind dann unzufrieden, wenn sie keinen geeigneten Betreuungsplatz bekommen oder wenn die Wartelisten sehr lang sind. Dieses Problem gibt es in Bayern vor allem in den Ballungsräumen. Unzufriedenheit kommt aber auch auf, wenn Stunden reduziert werden müssen, weil Personal, etwa aufgrund von Krankheit, fehlt. Auch das erleben wir leider immer wieder.
Scharf: Wir haben die Ausbildung zum Erzieher, zur Erzieherin von fünf auf vier Jahre verkürzt – von Fachleuten begleitet und ohne die Qualität zu reduzieren. So können wir schneller mit ausgebildeten Fachkräften in den Kitas rechnen. Die Fort- und Weiterbildung ist aus meiner Sicht zudem ein ganz wesentliches Element, um den Personalmangel zu mildern.
Scharf: Diese Entscheidung und die Verantwortung für ausreichend Personal liegt bei den Trägern der Kitas. Arbeitgeber für die Beschäftigten ist der Träger vor Ort, von sehr großen Trägern bis zu kleinen Trägervereinen. Ein Drittel der Kitas ist zudem in kommunaler Trägerschaft: Es gibt viele Kommunen, in denen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die Kinderbetreuung zur Chefsache machen und genügend Personal akquirieren. Der Freistaat kann hier nur die Rahmenbedingungen verbessern, zum Beispiel mit unserem Leitungs- und Verwaltungsbonus, der künftig Personalbonus heißen wird. Hier entlasten wir das pädagogische Fachpersonal von Verwaltungsaufgaben, damit es mehr Zeit für die pädagogisch wertvolle Arbeit am Kind hat.
Scharf: Nein, wir deckeln nicht. Unsere Zuschüsse werden am Bedarf orientiert, der vor Ort in den Kommunen festgestellt wird. Da gibt es keine feste Grenze. So ist unsere Betriebskostenförderung für die Kitas im letzten Jahr auf über zwei Milliarden Euro gestiegen. Dazu kommt noch die staatliche Förderung von Investitionen, zum Beispiel für Kita-Neubauten.
Scharf: Für mich ist die Kinderbetreuung systemrelevant: Familien in Bayern brauchen eine verlässliche Kinderbetreuung – von ihr hängt viel ab. Leider sind es immer noch vor allem Frauen, die auf Arbeitszeit verzichten, sich zurücknehmen und unter Druck sind, wenn die Betreuungszeit zu knapp ist. Es bleibt deshalb eine gemeinsame Kraftanstrengung von Staat, Kommunen, Trägern und Einrichtungen, dass die Kinderbetreuung sichergestellt ist – übrigens auch in den Grundschulen.
Scharf: Ich habe viele schöne Erlebnisse mit Unternehmen in Bayern, die sehr familienfreundlich sind und sich für die Kinderbetreuung engagieren. Es gibt den Familienpakt Bayern mit inzwischen über 1300 Unternehmen. Mein Eindruck ist: Alle Unternehmen, die verstanden haben, dass Familienfreundlichkeit ein echter Wettbewerbsvorteil ist, sind auch wirtschaftlich erfolgreich.
Scharf: Die Wahrnehmung der Kinderbetreuung hat sich komplett verändert: Vor zehn Jahren war es fast noch etwas Exotisches, einen Einjährigen in die Kita zu geben. Heute ist das vollkommen normal. Die Bedürfnisse der Familien haben sich verändert. Wir allen wollen das Beste für unsere Kleinsten, nicht nur, dass sie sicher und wohlbehütet sind, sondern dass sie auch Bildung und Erziehung erfahren. Diese wertvolle Arbeit wird in unseren Kitas geleistet. Wenn unsere Gesellschaft das versteht, dann können wir alle auch ermessen, wie wichtig dieser Beruf ist und welche Wertschätzung diejenigen verdienen, die ihn mit viel Herzblut ausüben.
Scharf: Die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten in den Kitas werden viel diskutiert. Aber die Bezahlung kommt dabei nie an erster Stelle. Wichtig ist: Nicht der Freistaat ist der Arbeitgeber und damit zuständig für die Höhe der Bezahlung, sondern die Träger der Kitas. Ich kann deshalb nur an die Träger appellieren, auf eine angemessene Bezahlung zu achten, sodass die Beschäftigten vor Ort zufrieden sind.
Scharf: Wir setzen alles daran, dass die Situation besser wird. Aber wir brauchen auch alle Partner mit an Bord, insbesondere die Kommunen. Es ist eine kommunale Pflichtaufgabe, die Kinderbetreuung sicherzustellen. Wir stehen fest an der Seite unserer Kommunen und unterstützen finanziell tatkräftig, etwa was die Förderung des Kita-Ausbaus betrifft. Wir müssen alle gemeinsam große Anstrengungen unternehmen, um viele Menschen für die Kinderbetreuung zu begeistern und zu zeigen, dass dies ein wunderbarer Beruf ist.
Beispiel kürzlich gesehen: Ein Vater setzte sein ca 2jähriges Kind in den Sandkasten und legt sich daneben auf eine Bank und schläft ein!
Auch die Eltern unserer Enkel sind oft, weil übernächtigt, genervt, gereizt, ihren Kindern gegenüber.
Es zerreißt uns das Herz, wenn wir manchmal das 2jährige über ein Holzgitter in der Kita abgeben/abschieben und es weint . So war es schon mit dem 3,5 jährigen.
Die Schlafkinder wecken sich gegenseitig auf, sind dann müde und quengelig.
Wenn wir die Kinder mal nach 7 Std. Aufbewahrung abholen, läuft das Kleine wie Falschgeld durch den KiGa-Raum.
Wo ist hier ein Bildungsauftrag ?
"Es ist eine kommunale Pflichtaufgabe eine Kinderbetreuung sicherzustellen" (ab dem Baby-Alter bis in die Schul-Ganztags-Betreuung) inzwischen wird auch schon 24 Std-Betreuung angeboten.
Frau Scharf, Sie jonglieren hier im Interview mit Zahlen umher, dass mir übel wird und es geht dabei nur darum, dass Babys/Kinder fremdbetreut/abgeschoben werden, bis zur
Schul-Ganztags-Betreuung.
Frau Scharf, Sie kennen noch die Ki/Ga-Regelung aus den 90ern, auch wir Mütter/Väter konnten dann nach Unterbrechung in unseren Berufen weiter arbeiten, evtl dann die Karriere fortsetzen.
Sehen Sie ein und stehen Sie dazu, dass die Betreuungskonzepte auf Kosten der Kinder auf "Sand gebaut " ist.
meinen Sie das wirklich erst, was Sie hier gesagt haben?! Ich zweifle sehr an Ihren Kompetenzen. Sie stellen uns Träger und Erzieher echt an die Wand!
Die Qualität der Ausbildung leidet durch zu wenig Praxis. Die jungen Leute haben öfters keine Ahnung mehr von Arbeit, sehen die Arbeit nicht. Da braucht es praktische Erfahrungen, und Anleitung!
Wenn die Staatsregierung den Basiswert nicht entsprechend der gestiegenen Lohn-Lebenshaltungskosten und Energiekosten... anhebt, haben die Träger vor Ort, von denen Sie behaupten- es sei ihre Aufgabe die Leute gut zu bezahlen, keinerlei Möglichkeiten, zusätzliches Geld um die ständigen Tarifrunden im TVÖD anzugleichen und dann die Mitarbeiter gut zu bezahlen.
Zudem möchte ich auf die große Mehrbelastung und die durch die Corona-Krise belastenden Kinder, die ein mehrfaches an Personalaufwand bedürfen erst gar nicht zu sprechen kommen.
Sie sollten in die Einrichtungen gehen und sich ein Bild von unserem Beruf machen!
Aber was Frau scharf von uns hält, hat die ja schon mehrfach deutlich gemacht. Wahrscheinlich werden wir deshalb so oft „vergessen“.
In der Woche vom 8.-12.5.2023 möchte der Bundesverband Kindertagespflege über unseren Beruf informieren. Es sind mehrere Infoveranstaltungen geplant. Auch in Würzburg.