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Bad Neustadt
Die Pflegesituation in Rhön-Grabfeld wird schwieriger: "Der Arbeitsmarkt ist praktisch leergefegt"
In einigen Pflegebereichen übersteigt der Bedarf das Angebot. Vor allem in der stationären Pflege gestaltet sich die Suche nach einem freien Platz schwierig.
In etlichen Pflegebereichen geht auch im Landkreis Rhön-Grabfeld die Schere zwischen Angebot und Nachfrage weit auseinander.
Foto: Tom Weller/dpa (Symbolfoto) | In etlichen Pflegebereichen geht auch im Landkreis Rhön-Grabfeld die Schere zwischen Angebot und Nachfrage weit auseinander.
Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 06.04.2024 02:41 Uhr

Wer schon einmal in der Situation war, kurzfristig einen Pflegeplatz für einen Angehörigen zu benötigen, kennt die Anspannung, die damit verbunden ist. Dabei gibt es eine breite Palette an Unterstützung in der Pflege. Angefangen von der stationären Pflege, über die Kurzzeitpflege, Tagespflege bis zur ambulanten Pflege.

Aber: Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage geht teilweise weit auseinander. Wie sieht es aktuell in der Pflege im Landkreis Rhön-Grabfeld aus? Auskunft darüber gibt Sabine Wenzel-Geier, Leiterin des Pflegestützpunktes im Landratsamt Rhön-Grabfeld.

"Um kurzfristig einen der vereinzelten freien stationären Pflegeplätze zu bekommen, braucht man Glück", führt Wenzel-Geier aus. Die Betroffenen müssten in der Regel die einzelnen Häuser abtelefonieren. Dabei sei ein weiter Radius über die Landkreisgrenzen hinaus in Kauf zu nehmen.

Sabine Wenzel-Geier, Leiterin des Pflegestützpunktes Rhön-Grabfeld.
Foto: Sigrid Brunner | Sabine Wenzel-Geier, Leiterin des Pflegestützpunktes Rhön-Grabfeld.

Der Pflegestützpunkt telefoniert jede Woche die stationären Einrichtungen nach freien Plätzen ab. "Die Rückmeldungen aus den Einrichtungen sind klar, es wird mehr Personal gebraucht", erklärt dessen Leiterin. Nach wie vor würden in Pflegeheimen Betten leer stehen, weil es an Personal fehlt. 

888 vollstationäre Pflegeplätze in insgesamt 14 Einrichtungen in Rhön-Grabfeld

In Rhön-Grabfeld gibt es zur Zeit 888 vollstationäre Pflegeplätze in insgesamt 14 Einrichtungen. Für den Landkreis wurde ein Mindestbedarf von 697 und ein Maximalbedarf von 1257 Plätzen errechnet. "Damit befinden wir uns deutlich näher am Mindestbedarf", so Sabine Wenzel-Geier. 

Die Bedarfszahlen stammen noch aus dem Jahr 2018. Diese werden derzeit für die aktuelle Pflegebedarfsplanung neu berechnet. Nicht berücksichtigt sind in den 888 Plätzen die Betten, die momentan personalbedingt nicht belegt werden. 

2018 gab es im Landkreis noch 1041 Pflegeplätze. Bei dem Rückgang schlug die Schließung des Hauses am Kurpark in Neuhaus mit rund 70 Betten zu Buche. Im Herbst werden dann im Seniorenheim St. Niklas in Mellrichstadt, wo knapp 40 Pflegebedürftige leben, die Lichter ausgehen. Ein weiterer Verlust, auch wenn die Seniorinnen und Senioren vom Franziska-Streitel-Altenheim übernommen werden.

Schwierige Situation in der elementar wichtigen Kurzzeitpflege

Noch schwieriger sei die Situation in der Kurzzeitpflege, sagt Sabine Wenzel-Geier. In den einzelnen Einrichtungen sind zwar feste Kurzzeitplätze vorhanden, sie müssen jedoch lange im Voraus gebucht werden. Hier müsse in jedem Fall überregional gesucht werden. Die Kurzzeitpflege ist für die Einrichtungen mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Womöglich ist das ein Grund, warum es nicht so viele Plätze gibt.

Das mangelnde Angebot in der Kurzzeitpflege stimmt besorgt. "Diese ist elementar wichtig", betont die Leiterin des Pflegestützpunktes. Sie diene zum einen der Entlastung der Angehörigen und werde zum anderen oft nach einem Krankenhausaufenthalt benötigt. Angesichts der fortschreitenden Ambulantisierung im Krankenhauswesen wird die Lücke noch schmerzhafter zu spüren sein.

Im BRK-Alten- und Pflegeheim in Bad Neustadt werden außerdem zwei Plätze in der Nachtpflege vorgehalten.

In der Tagespflege haben sich in den letzten Jahren die Plätze nahezu verdreifacht

Positiv hat sich hingegen die Situation in der Tagespflege entwickelt. "Hier hat sich richtig viel getan", freut sich Sabine Wenzel-Geier. Die Zahlen haben sich fast verdreifacht, von 72 Plätzen im Jahr 2018 auf nunmehr 195 Plätze. Im Gegensatz zur vollstationären Pflege befindet man sich damit nahe am Maximalbedarf von 214. Der Mindestbedarf wurde mit 55 festgelegt. Das Angebot werde auch gut angenommen. "Die Tagespflege ist eine sehr gute Entlastungsmöglichkeit für pflegende Angehörige." Aktuell seien hier Plätze frei. 

In der ambulanten Pflege sei die Lage je nach Dienst unterschiedlich. Von der Tendenz her seien aber noch freie Kapazitäten vorhanden, abhängig von der entsprechenden Tour, meint Wenzel-Geier. 

Demgegenüber übersteige bei den haushaltsnahen Dienstleistungen die Nachfrage das Angebot. "Der Bedarf ist riesig", sagt die Expertin. Jeder ambulante Dienst bietet auch hauswirtschaftliche Arbeiten an, die eine wertvolle Unterstützung sind, um weiter zu Hause wohnen zu können.

Pflege-Wohngemeinschaften werden in Rhön-Grabfeld gut nachgefragt

Wie entwickeln sich alternative Pflegeangebote? Pflege-Wohngemeinschaften beispielsweise seien gut nachgefragt, erläutert Sabine Wenzel-Geier. Hier führe der Pflegestützpunkt immer wieder Beratungsgespräche mit potenziellen Anbietern. 

Das Thema Pflege wird so schnell keine Entlastung erfahren. In den nächsten Jahren scheiden die geburtenstarken Jahrgänge von Mitte der 1960er mit einer Pensionierungswelle aus dem Arbeitsmarkt aus. Die Situation wird dann eine weitere Zuspitzung erfahren, wenn die sogenannten "Babyboomer" von einst selbst pflegebedürftig werden. 

Darauf verweist auch Sabine Wenzel-Geier. "Der Pflegenotstand ist vor allem demografisch bedingt." Was bedeutet: Die Zahlen zeigen, dass mehr Personen in die Pflege gehen. Aber diese können den steigenden Bedarf nicht decken. Im Jahr 2022 sind bayernweit laut VdPB (Vereinigung der Pflegenden in Bayern) über 4000 Menschen mehr in die Pflege gegangen als noch 2019. "Dennoch ist der Arbeitsmarkt praktisch leergefegt."

Eine Entlastung der pflegenden Angehörigen ist von großer Bedeutung

Angesichts dessen kommt den pflegenden Angehörigen eine enorme Bedeutung zu. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden 84 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt, davon 63 Prozent ausschließlich durch pflegende Angehörige. 

"Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist nicht immer einfach. Daher braucht es bessere Anreize, aber auch Entlastungsangebote für die pflegenden Angehörigen", so Wenzel-Geier. In der Beratung werde häufig auch das Umfeld mit in den Blick genommen, eventuell können Nachbarn oder Bekannte entlasten. Deren Einspringen in die Pflege kann vergütet werden. Auch die Fachstellen für pflegende Angehörige im Landkreis würden hier gute Arbeit leisten.

Wie viele Verantwortliche, so unternimmt auch der Landkreis Rhön-Grabfeld einiges, um den Pflegeberuf attraktiv zu machen. Derzeit läuft die Pilotphase des Projektes "ready4care". Dabei wird in den Schulen der Pflegeberuf vorgestellt und die Schülerinnen und Schüler gehen in die Pflegeeinrichtungen, um die Pflege in der Praxis kennenzulernen. Das Feedback der vom Landkreis Haßberge übernommenen Idee sei sehr positiv, erzählt Wenzel-Geier. 

"Pflege ist ein vielseitiger und anspruchsvoller sowie auch sehr erfüllender Beruf. Das sollte auch in seinen Facetten so dargestellt werden", ist es Sabine Wenzel-Geier abschließend wichtig zu betonen.

Weitere Informationen über Pflegeangebote: Pflegestützpunkt Rhön-Grabfeld, Spörleinstraße 11, Bad Neustadt, Tel.: (09771) 94-129, E-Mail: pflegestuetzpunkt@rhoen-grabfeld.de

 
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