
Mitten unter den Menschen sein. Das ist nach eigener Aussage Pfarrer und Domkapitular Thomas Keßler wichtig ist. "Ich möchte nicht jemand sein, zu dem man sich nicht traut zu gehen", sagt er. "Meine Türen sollen offen sein." Das habe er bislang als Pfarrer immer versucht, umzusetzen. Am Sonntag, 25. Februar, begeht der ehemalige Generalvikar der Diözese Würzburg den 40. Jahrestag seiner Priesterweihe.
Pfarrer Keßler kann sich noch gut an seine Primiz erinnern. "Ich weiß nicht, was Fußball-Bundestrainer Jupp Derwall macht, aber meine Mannschaft steht", habe Bischof Paul Werner Scheele im Gottesdienst gesagt. Mit ihm waren es nämlich elf Neupriester. "Wenn man schaut, wie viele heute jährlich geweiht werden, macht mich das nachdenklich", so der Geistliche.
2015 wurde Thomas Keßler Generalvikar und Domkapitular
Thomas Keßler wurde am 9. August 1955 in Bad Neustadt geboren. Die Entscheidung, Pfarrer zu werden, sei nicht plötzlich gekommen, führt er aus. Es sei ein langsamer, unspektakulärer Prozess gewesen. Geprägt hätten ihn unter anderem sein Onkel, der Pfarrer in Unterelsbach war, und ein Kaplan in Bad Neustadt. Bereut habe er seinen Entschluss nie.
Nach mehreren Pfarrstellen wurde Keßler 2004 Dekan in Bad Kissingen. 2015 wurde er zum Generalvikar berufen und noch im selben Jahr zum Domkapitular gewählt. Die beiden hohen Kirchenämter hätten eigentlich nicht in seiner Lebensplanung gestanden, erzählt er. "Der Bischof hat mich offensichtlich gebraucht und ich habe noch nie Nein gesagt."
Affäre um die SBW GmbH in Würzburg
In seine Amtszeit als Generalvikar fiel die Affäre um die SBW GmbH, eine Schwesterfirma des St. Bruno-Werks in Würzburg. Thomas Keßler hatte 2018 die Staatsanwaltschaft Würzburg eingeschaltet, die gegen mehrere Führungspersonen der Diözese wegen des Verdachts der Veruntreuung ermittelte. Bestätigt hat sich dieser Verdacht allerdings nicht: Die Diözese verlor mehrere zivilrechtliche Verfahren. Das Strafverfahren wurde eingestellt.
"Die Situation hat mich persönlich schwer belastet und wirkt in mir bis heute nach", sagt Pfarrer Keßler heute zu der Angelegenheit. Er bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass nicht nur die SBW-Affäre in Erinnerung bleibe, sondern auch, wie er betont, die Neuorganisation des Ordinariates, der Beginn der Neustrukturierung der Diözese und eine Neuaufstellung der Aufsichtsgremien, einschließlich SBW mit den dazugehörenden Compliance-Maßnahmen für das Ordinariat.
Von der Seelsorge in die Verwaltung zu kommen, habe für ihn einen Bruch bedeutet. Dennoch sei er auch in dieser Zeit bemüht gewesen, den Draht zur Seelsorge zu bewahren. Immer wieder habe er in den Ortschaften ausgeholfen und Gottesdienste gehalten. "Der Basiskontakt war und ist mir sehr wichtig", betont der 68-Jährige.
Auch um die aus seiner Sicht ureigenste Aufgabe eines Pfarrers zu erfüllen, die Verkündigung der frohen Botschaft: "Gott nimmt den Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen an. Der Mensch wird gehalten und getragen." An Gott zu glauben, mache das Leben nicht immer leichter, aber erfüllter, so seine Überzeugung.

Rückkehr in die Geburtsstadt Bad Neustadt im Jahr 2020
Im September 2020 ließ sich Keßler auf eigenen Wunsch hin von seinen Aufgaben als Generalvikar entbinden und kehrte nach Bad Neustadt zurück. Dort übernahm er als Seelsorger die Pfarreiengemeinschaft "St. Martin Brend". Nach Bad Neustadt zurückzukehren, sei stets sein Plan gewesen, erläutert er seine Beweggründe.
Thomas Keßler ist auch abseits der Kanzel aktiv. Seit 1995 bis heute engagiert er sich maßgeblich in der Notfallseelsorge. 1996 wurde er Beauftragter für die Notfallseelsorge im Bistum Würzburg. 2000 übernahm er zudem die Koordination der Seelsorge im Feuerwehr- und Rettungsdienst in der Diözese. Ferner unterstützte er diese beim Aufbau der inzwischen flächendeckenden Notfallseelsorgesysteme.
In ganz schwierigen Momenten des Lebens brauche es nicht unbedingt die Worte eines Pfarrers. "Es braucht jemanden, mit dem man reden kann und der einem beisteht", meint der Seelsorger. Für die Betroffenen da sein und den Schmerz mit aushalten, seien gefordert.
Die Rolle der Kirche in der heutigen Gesellschaft
Wie sieht Pfarrer Keßler die Rolle der Kirche in der heutigen Gesellschaft? Der Domkapitular antwortet darauf mit einem Zitat von Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg: "Wir sind nicht mehr Volkskirche, sondern Kirche im Volk." Das sei eine neue Rolle, in der sich die Kirche erst noch finden müsse. "Wir sind in der Gesellschaft nicht mehr die prägende Kraft."
Das liege seiner Meinung nach zum einen an der allgemeinen Säkularisierung und der starken Freiheit des Menschen. Auch an der Vielfalt in der Gesellschaft. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten. Immer mehr würden sich die Fragen stellen, warum sie dazu noch die Kirche brauchen. Natürlich spiele auch der Missbrauchsskandal in der Kirche eine Rolle.
"Als dieser aufgeschlagen ist, habe ich an einem Gründonnerstag in Bad Kissingen zu dieser Situation gepredigt: Sich tief bücken, wie das Jesus bei der Fußwaschung tat, das muss Kirche jetzt tun. Das ist nun unser Platz", erzählt Pfarrer Keßler. Die Kirchenbesucher hätten damals minutenlang geklatscht. "Die Auswirkungen des Missbrauchs sind für uns ganz schlimm: Es ist ein Vertrauensverlust, wir sind mit einem harten Schlag auf dem Boden gelandet." In der Kirche sei inzwischen aber auch viel geschehen, sowohl gegenüber den Opfern wie bei der Prävention.
Pfarrer Keßler: "In der einen Hand die Bibel und in der anderen die Tageszeitung."
Welche Ratschläge würde Pfarrer Keßler jungen Priestern geben, die gerade ihren Weg beginnen? "Lebt nicht nur im kirchlichen System und werdet nicht zu einem kirchlichen Funktionär", meint er dazu. "Haltet Euch offen für das Leben." Die Kirche sei wichtig, aber es brauche eine gesunde Weite. Sein Regens Heinz Röschert habe dazu gesagt: "In der einen Hand die Bibel und in der anderen die Tageszeitung."
Trotz der erwähnten Probleme blickt Pfarrer Keßler seinem Priesterjubiläum dankbar für die vergangenen Jahre entgegen. "Es ist gut und schön, in dieser Kirche zu wirken und einen Beitrag zu leisten, dass die Gemeinschaft des Glaubens weiter lebt über die ganze unterschiedliche Zeit hinweg."
Das 40. Priesterjubiläum wird am Sonntag, 25. Februar, um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Kirche St. Johannes der Täufer in Brendlorenzen gefeiert. Anschließend findet ein Empfang im Pfarrheim statt. Um 17 Uhr ist in Brendlorenzen ein feierliches Abendlob.