zurück
Sulzfeld/Uffenheim
Trockenheit in Unterfranken: Wie sicher ist weiterhin die Trinkwasserversorgung und was haben Gartenpools damit zu tun?
Die Pegel von Bächen, Flüssen und Grundwasser sinken weiter, es gibt erste Einschränkungen beim Trinkwasser. Kann die Fernwasserversorgung Engpässe auf Dauer ausgleichen?
Blick in den ertragreichsten Brunnen Unterfrankens im Wasserwerk in Sulzfeld am Main im Lkr. Kitzingen.
Foto: Fabian Gebert | Blick in den ertragreichsten Brunnen Unterfrankens im Wasserwerk in Sulzfeld am Main im Lkr. Kitzingen.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Es ist ein extremer Dürre-Sommer, besonders für die trockene Region Unterfranken: Die Natur lechzt nach Wasser. Die Pegel von Bächen, Flüssen, Seen und Grundwasser sinken bedrohlich tief. Quellen versiegen, die ersten Brunnen trocknen aus. Ist die Trinkwasserversorgung in Unterfranken gesichert? Und wenn ja, wie lange noch?

Ein Besuch bei Nordbayerns größtem Wasserversorger, der Fernwasserversorgung Franken (FWF). Die FWF versorgt 400.000 Menschen in 166 Städten und Gemeinden in Mittel- und Unterfranken mit Trinkwasser. Unter anderem beliefert sie die Landkreise Würzburg, Schweinfurt und Kitzingen sowie benachbarte Wasserversorger im Landkreis Main-Spessart mit Trinkwasser.

Ihr Wasserwerk liegt in Sulzfeld am Main im Landkreis Kitzingen - dort, wo Unterfrankens größtes Trinkwasservorkommen aus dem Untergrund ans Tageslicht gepumpt wird. Antworten auf die größten und aktuellen Fragen gibt Hermann Löhner, seit acht Jahren Werkleiter der FWF.

Ist die Trinkwasserversorgung in Unterfranken gesichert?

Muss die Bevölkerung in Unterfranken im Zuge des Klimawandels um ihr Trinkwasser fürchten? Als Antwort zeigt Hermann Löhner in den 30 Meter tiefen "Horizontal-Filterbrunnen", in dem es türkisblau schimmert. Er ist das Herzstück der Fernwasserversorgung Franken neben ihrem Wasserwerk in Sulzfeld.

Hermann Löhner, Werkleiter der Fernwasserversorgung Franken (FWF), im Wasserwerk in Sulzfeld.
Foto: Fabian Gebert | Hermann Löhner, Werkleiter der Fernwasserversorgung Franken (FWF), im Wasserwerk in Sulzfeld.

Selbst wenn wie in diesem Sommer mehr als zwei Monate lang kein Tropfen Regen vom Himmel fällt, nehmen die Grundwasserpegel in dieser natürlichen "unterirdischen Badewanne", wie Hermann Löhner den Untergrund in dem Tal zwischen den Sulzfelder Weinbergen auf der einen und dem Main auf der anderen Seite nennt, nicht ab. Denn das Wasser, das die FWF hier fördert, besteht nur zu drei Prozent aus Oberflächenniederschlag. 20 Prozent sind Mainwasser, das ins Grundwasser eindringt,  77 Prozent des Wassers drückt aus Gesteinsschichten in bis zu 400 Metern Tiefe nach oben in das unterirdische Becken.

Der Sulzfelder Brunnen ist der ertragreichste der FWF. 250 Liter Wasser fließen hier pro Sekunde durch die Pumpen. Es ist das vermutlich größte Trinkwasservorkommen in ganz Unterfranken. Das Einzugsgebiet der unterirdischen Grundwasserströme reicht bis zum elf Kilometer Luftlinie entfernten Schwanberg. In kilometerlangen Leitungen wird von Sulzfeld aus das Wasser bis weit über die Grenzen Würzburgs geleitet. 

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn nicht alle Brunnen der FWF sind so ergiebig wie die sechs in der Sulzfelder "Maintal-Badewanne". Die Fernwasserversorgung Franken bezieht nur die Hälfte ihres Wassers aus eigenen Brunnen. Die andere Hälfte kauft sie von Vorlieferanten ein - hauptsächlich von anderen, noch größeren Fernwasserversorgern aus dem Donaugebiet.

Die Fernwasserversorgung Franken ist für das trockene Nordbayern systemrelevant, deshalb muss sie sich angesichts des Klimawandels rüsten: Starkregen könnten immer öfter dazu führen, dass Leitungen und Brunnen verkeimen. Die Vorlieferanten aus dem Donaugebiet könnten eines Tages weniger Wasser liefern. Und immer mehr kleinere Wasserversorger in Nordbayern könnten ausfallen, weil ihre oberflächennahen Quellen versiegen. In den meisten Fällen springt dann die FWF ein.

Was also tun? Die FWF müsse investieren, sagt der Werkleiter. In zusätzliche Leitungen, Speicher, Pumpen, Hochbehälter und Wasserreserven. 

Ist unser Trinkwasser zu billig?

Im Grunde sei Wasser "spottbillig, wenn Sie es in Relation zu Ihren Handy-Tarifen oder Ihrem Netflix-Abo setzen", sagt Hermann Löhner.

Denn Wasser gehört in Deutschland niemandem - und gleichzeitig allen. Wie die Luft. Wenn es bei den Kunden aus dem Wasserhahn fließt, zahlen diese nur für das Reinigen, den Transport und die Entsorgung. Zumindest ist das so bei kommunalen Zweckverbänden wie der FWF, die gemäß ihrer Satzung nicht die Absicht haben, Gewinn zu erzielen.

Die Schatzkammern der Fernwasserversorgung Franken in Sulzfeld (Lkr. Kitzingen): Hier wird das Trinkwasser gespeichert.
Foto: Fabian Gebert | Die Schatzkammern der Fernwasserversorgung Franken in Sulzfeld (Lkr. Kitzingen): Hier wird das Trinkwasser gespeichert.

In Oberbayern, wo man Trinkwasser ortsnah gewinnen kann, kostet ein Kubikmeter Wasser (1000 Liter) aus der Leitung laut Statistischem Landesamt im Durchschnitt weniger als zwei Euro. Im trockenen Nordbayern, wo Wasser teils über weite Strecken transportiert werden muss, reichen die Wassertarife von 1,50 Euro bis 5 Euro pro Kubikmeter. 

Die FWF verlangt derzeit 1,20 Euro. Ab 1. Januar 2024 sind es 1,35 Euro - ein Preisanstieg um 12,5 Prozent. Klar ist: Die Kommunen, die Wasser von der FWF beziehen, werden die Preiserhöhung an ihre Kunden, die Verbraucherinnen und Verbraucher, weitergeben. Trotzdem bleibt die lebenswichtige Ressource Trinkwasser vergleichsweise günstig.

Verbrauchen wir in unserer trockenen Region zu viel Trinkwasser?

Wasser ist kein nachwachsender Rohstoff, sondern eine Ressource, die in bedrohlichem Maße abnimmt. Zumindest in Unterfranken: Hier fehlen seit 2003 über 350 Liter neues Grundwasser pro Quadratmeter. Das entspricht - verglichen mit dem langjährigen Mittel - der Regenmenge von mindestens drei ganzen Jahren.

Auch in diesem Sommer setzt die Dürre Unterfranken heftig zu. An ersten Orten ist die Trinkwasserversorgung gefährdet. In der Stadt Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld) gibt es bereits eine Anordnung zum Wassersparen. Die Regierung von Unterfranken rief am 3. August vorsorglich alle Einwohnerinnen und Einwohner dazu auf, freiwillig Wasser zu sparen. Die FWF registrierte das Gegenteil - nur einen Tag später.

Über leistungsstarke Pumpen und kilometerlange Leitungen wird das Trinkwasser aus dem Wasserwerk in Sulzfeld (Lkr. Kitzingen) bis über die Grenzen Würzburgs und hinaus verteilt.
Foto: Fabian Gebert | Über leistungsstarke Pumpen und kilometerlange Leitungen wird das Trinkwasser aus dem Wasserwerk in Sulzfeld (Lkr. Kitzingen) bis über die Grenzen Würzburgs und hinaus verteilt.

Denn für den 4. August meldete die Fernwasserversorgung Franken einen neuen Rekord: Noch nie zuvor wurde aus dem öffentlichen Leitungsnetz so viel Trinkwasser an einem Tag entnommen wie an dem extrem heißen 4. August. 72 Millionen Liter Trinkwasser wurden laut FWF an diesem Tag im Verbandsgebiet des Wasserversorgers verbraucht.

Im Durchschnitt liege der Tagesbedarf bei 45 Millionen Liter Wasser, an normalen Sommertagen bei 60 Millionen Liter. "Diese Spitzenbedarfe sind eine große Herausforderung für die gesamte technische Infrastruktur", sagt der Werkleiter.

Ist die Fernwasserversorgung für den Wasserverbrauch an Hitzetagen gerüstet?

Ein Diagramm mit grün-gelb-roten Balken flimmert über den Bildschirm des Computers von Hermann Löhner. Die Daten des laufenden Betriebs der FWF zeigen: An heißen Tagen, wenn Menschen in Mittel- und Unterfranken besonders viel Wasser verbrauchen, färbt sich die Grafik dunkelrot. Selbst Bayerns fünftgrößter Wasserversorger mit über 1100 Kilometer Rohrleitungen, über 2500 Brunnenschächten und mehr als 650 Wasser-Übergabestellen stößt dann an seine Grenzen: Nicht weil aus den Brunnen der FWF nicht ausreichend Wasser sprudeln würde, sondern weil Pumpen, Speicherbecken, Notfallreserven, Leitungen und die Wasserrechte (also die Menge, die die FWF aus einzelnen Brunnen entnehmen darf) begrenzt sind.

Diese Verbrauchsspitzen an heißen Sommertagen sind es auch, die dem 47-jährigen Ingenieur die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Durch den Klimawandel werden in Unterfranken immer mehr Hitzetage erwartet. Und an diesen Tagen steht momentan der Durchschnittsbürger am häufigsten unter der Dusche, lässt das Wasser aus dem Gartenschlauch am längsten laufen oder befüllt den Pool im eigenen Garten neu, damit die Kinder in frischem Wasser planschen können.

Wird durch Privat-Pools mehr Trinkwasser verbraucht?

Ein Rechenbeispiel: Ein durchschnittlicher Aufstellpool im Garten mit 3,66 Metern Durchmesser hat ein Volumen von 6500 Litern Wasser. Dies entspricht mehr als dem 50-fachen des Tagesbedarfs (an Trinkwasser aus der Leitung) einer Person, so eine Sprecherin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Trockenheit in Unterfranken: Wie sicher ist weiterhin die Trinkwasserversorgung und was haben Gartenpools damit zu tun?

Die Statistiken des BDEW zeigen auch: Seit dem Jahr 1990 sank der Wasserverbrauch eines jeden Einzelnen in Deutschland kontinuierlich - von 147 auf 121 Liter pro Kopf pro Tag im Jahr 2010. "Das Thema Wassersparen ist in der Bevölkerung angekommen. Zumindest dachten wir das", sagt Löhner.

Doch dann kamen die Jahre 2018 bis 2021. Plötzlich wurde wieder deutlich mehr Wasser verbraucht - im Jahr 2020 sogar 129 Liter pro Kopf täglich. Was passiert ist? Die Erklärung des FWF-Werkleiters: "Pools in Privatgärten".  

Wie kann die Trinkwasserversorgung in Nordbayern gesichert werden?

Wie lässt sich die durch die Trockenheit in Nordbayern gefährdete Wasserversorgung sichern? Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) plant eine gigantische Fernwasser-Ringleitung, die große Mengen Wasser aus Südbayern nach Franken transportieren soll.

Die FWF werde sich dabei mit weiteren größeren Fernwasserversorgern vernetzen, erklärt Löhner:  "Wir müssen das Fernwasserversorgungssystem stützen - nicht um kleinere Wasserversorger zu verdrängen, sondern für den Fall, dass die Wasserkrise durch den Klimawandel noch größer wird."

Doch das alleine werde nicht ausreichen, sagt der FWF-Werkleiter, der auch dem Präsidium des Branchenverbands der Wasserversorger angehört. Er fordert den "Vorrang der öffentlichen Trinkwasserversorgung": vor Naturschutz, Rohstoffabbau, Landwirtschaft, Weinbau, Industrie und Gewerbe. Wasserschutzgebiete müssten schneller ausgewiesen werden, sagt Löhner.

Während in Hessen 40 Prozent und in Baden-Württemberg 30 Prozent der Landesfläche Wasserschutzgebiete sind, beträgt ihre Fläche in Bayern gerade einmal fünf Prozent. Der Ingenieur der Fernwasserversorgung Franken sagt: "Irgendwann muss man sich entscheiden: Was hat Vorrang? Der Wiesenbrüter, der Kiesabbau, die Brauerei, der Wein oder das Trinkwasser?"

Trockenheit in Unterfranken: Wie sicher ist weiterhin die Trinkwasserversorgung und was haben Gartenpools damit zu tun?
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Sulzfeld
Uffenheim
Würzburg
Kitzingen
Schweinfurt
Astheim
Karlstadt
Angelika Kleinhenz
Freie Wähler
Regierung von Unterfranken
Stadt Bad Königshofen
Thorsten Glauber
Trinkwasser
Wasserrecht
Wasserversorgungsunternehmen
Wasserwerke
Weinberge
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen