Lohrtorstraße und Turmstraße, in Erweiterung auch Jahn- und Vorstadtstraße, sind als Einkaufsstraßen quasi der Grundsockel für die Hauptstraße. Hier gibt es derzeit ungewohnt viele Veränderungen.Nehmen wir Anlauf im Süden, in der Vorstadtstraße.
Was 1998 in dem kleinen Eckladen zur Unteren Brückenstraße hin mit dem Kinder-Second-Hand- Laden "Pumuckl" begann und sich über fast 20 Jahre lang als "Sternschnuppe" etabliert hatte, gibt es seit Mai 2018 nicht mehr. Die ehemalige Eingangstür ist zugemauert. Was früher Laden war, erweitert jetzt eine Wohnung.
Letztes Lebenszeichen aus dem Jahr 2000
"Ein zweites Schild, das den Weg zum Restaurant Engel zeigen sollte, rissen Unbekannte aus der Halterung und ließen es am Boden liegen." Das war im Juli 2000 das letzte Lebenszeichen, das im Archiv dieser Zeitung über den ehemaligen Gasthof Engel gleich daneben zu finden ist. Zuletzt betrieben als China-Restaurant, wird die ehemalige Gaststube aktuell genutzt als Freizeitraum von Mietern, die für überschaubare Zeiträume bei Rexroth arbeiten.
Welchen Stellenwert der Gasthof einst hatte, mag man an einer Zeitungsmeldung aus dem Jahr 1900 ablesen: Im Juli jenes Jahres nämlich feierte der TSV Lohr sein 25-jähriges Bestehen mit einem "Fest-Commers unter Vortragung gewählter Musikstücke der Kapelle Gies im hübsch dekorirten Garten des Gasthauses ,zum Engel'". Der damalige Garten dient jetzt als Abstellplatz für abgemeldete Autos.
Zukunft ungewiss
Gleich nebendran in der Vorstadtstraße 7 war über 25 Jahre lang der kleine Metzgerladen von Werner und Gabriele Stein. Der letzte Altstadtmetzger hat seine letzte Wurst Ende August über die Ladentheke gereicht. Der Metzgerladen Held (bis 1959), Unger (bis 1993) und schließlich Stein ist Geschichte. Über die Zukunft der Räume wollten sich die Eigentümer auf Nachfrage nicht äußern.
Im Schaufenster der Vorstadtstraße 5 hängt ein handgeschriebener Zettel: "Zu vermieten". Dazu die Handynummer von Karolina Kürzinger. Sie sucht einen Nachmieter für die Shisha-Bar, die seit Anfang Juni leer steht. Der vorherige Betreiber habe seinen Pachtvertrag nicht verlängern wollen, erläutert sie auf Anfrage. 120 Quadratmeter warten auf einen neuen Nutzer.
Vorbei am Café Mann und dem Bayersturm, in der Turmstraße 6, wurde soeben der Ausverkauf beendet. Sargis Khachatryan und seine Frau aus Bad Orb haben die Lohrer Filiale ihres Mode-Geschäfts Sandelli nach drei Jahren geschlossen – aus familiären Gründen. Voraussichtlich im November wird dort ein Barbershop für Männer eröffnen.
Zwei Häuser weiter hat sich schon etwas getan, wenn auch nur ein bisschen: Nachdem eine der Marmorplatten über dem Eingang heruntergefallen war, durfte der neue Eigentümer des Anwesens Turmstraße 2, Ali Boyrazli, schon einmal vorsorglich alle anderen Platten und auch den Putz der Fassade entfernen.
Ali Boyrazli steht Gewehr bei Fuß
Für das Haus schien es vor zwei Jahren schon Abrisspläne gegeben zu haben. Doch vor einem Jahr erwarb Boyrazli das Haus und kündigte an, es "im Wesentlichen" erhalten zu wollen. Der Stadtrat hat im Juli schon grünes Licht gegeben für eine neue Gaststätte. Allein: Boyrazli wartet bis heute auf die Genehmigung des Landratsamts – ungeduldig, wie in einem Telefonat deutlich wird: "Ich kann von heute auf morgen loslegen."
Direkt gegenüber hat sich der Laden von Krzysztof Hartmann an der Ecke zur großen Kirchgasse gut etabliert. 15 Jahre lang hatte Hartmann Wein, Tabak und Zeitschriften in dem schmalen Laden in der Lohrtorstraße 1, nur 60 Meter weiter, verkauft – bis ihm wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde. Den Umzug hat er schadlos überstanden.
Die Schaufensterpuppen sind schon da
Die neue Eigentümerin des Anwesens Lohrtorstraße 1 hingegen, diagonal über die Kreuzung, hatte Probleme. Das Landratsamt stoppte den Umbau, weil die denkmalschutzrechtliche Genehmigung fehlte. Dieses Versäumnis ist seit Anfang des Jahres zwar aus der Welt. Auch ist die Renovierung des Geschäftsraums am Eck zur Hauptstraße hin schon so weit gediehen, dass Schaufensterpuppen Einzug gehalten haben. Zwar sind die Schaufenster immer noch verklebt, die Ausdrucke "Kollege/Kollegin gesucht" ausgebleicht und kaum noch zu lesen. Am Mittwoch aber war ein Handwerker vor Ort. Im Oktober werde sie den Laden eröffnen, sagte Eigentümerin Özlem Kalkan– unter dem selben Namen "Desire" wie ihre bisher zwei Geschäfte für Damenmode – Schuhe, Oberteile, Hosen, Jacken, Taschen und Schmuck – in Karlstadt.
Personal-Notstand
"Restaurant geschlossen –Hotel geöffnet." Die Tafel an der stattlichen Türe des Hotels Krone gegenüber gilt seit zwei Sommern. Persönliche und familiäre Gründe spielte dabei eine Rolle, so Hotelier Hatto Schecher. Das größte Problem aber sei: "Man findet kein Personal mehr." So wird in seinem Hotel nur noch Frühstück serviert.
Schecher hat auch kein Problem damit, einen seiner Kellerräume an seinen Nachbarn abzutreten. Antikes wurde in diesem kleinen Raum einmal vorübergehend angeboten, dann Versicherungsverträge verhandelt. Jetzt liebäugelt der Nachbar, Ismail Aytac, damit, sein Café Bajazzo zu erweitern. Einfach eine Wand durchbrechen und schon ist der Deal perfekt? Wenn's denn so einfach wäre. Amtliche und baurechtliche Hürden sind hoch. Ob sie überwunden werden, ist offen.
Wo einst die Wiege des Bajazzo stand
Die Wiege des Bajazzo stand einst zwei Häuser weiter, in der Lohrtorstraße 8. Das ehemalige Vogelsanghaus, erbaut im späten 16. Jahrhundert, erweitert 1717 und um 1900, hat schon viele Nutzungen gesehen: Es war Bierwirtschaft, Seifensiederei, Buchhandlung und zuletzt Feinkostgeschäft, bis Richard Bogar mit seinem "Barrique" 2012 in die Obere Brückenstraße umzog. Die Stadt hatte das Anwesen 2007 von der Erbengemeinschaft Vogelsang erworben und bemühte sich ab 2011 um einen Käufer. 2016 endlich erhielt die Architektin Diana Pechlaner den Zuschlag. Zusammen mit ihrem Ehemann Hatto Schecher, wollte sie das Anwesen in Verbindung mit dem Hotel Krone zu einem Beherbergungsbetrieb umbauen.
Rundum gesichert
Die Nordseite des Hauses ist schon seit Jahren mit einem Gerüst gesichert. Inzwischen sorgt auch vor der Fassade zur Lohrtorstraße hin ein Bauzaun seit einigen Monaten dafür, dass eventuell herabfallende Schieferschindeln aus dem Giebel keine Passanten verletzten könnten.
Was nunmehr passiert, ist in der Schwebe. "Ein von der Krone autarker Hotelbetrieb ist derzeit nicht beabsichtigt", signalisiert Pechlaner. Sie strebe eine Nutzung an, so formuliert sie diplomatisch, "die dem ursprünglichen Konzept nicht entgegensteht."
Die jüngste Nachricht traf taufrisch am Mittwoch ein: In Verlängerung dieser Achse, nur 200 Meter weiter in der Jahnstraße, werden 250 Quadratmeter Einzelhandelsfläche frei. Matratzen Concord schließt Ende November.
Anmerkung der Redaktion: In der Passage bezüglich des Vogelsanghauses wurde ein sachlicher Fehler korrigiert und ein wörtliches Zitat der Eigentümerin nachträglich geändert.