Gleich zwei Vorfälle mit Hunden innerhalb weniger Tage sorgen derzeit für Aufregung: Am Donnerstagabend haben drei Terrier und ein Schäferhundmischling ein Rehkitz bei Triefenstein gebissen und in den Main gehetzt. Ein Angler zog das schwerverletzte Tier zum Schutz in sein Boot und alarmierte die Polizei. Die Verletzungen waren jedoch so schwer, dass der hinzugerufene Jagdpächter das Tier nur noch erlösen konnte.
Die 54-jährige Hundehalterin reagierte laut Polizei gar nicht auf den Vorfall. Gegen die Frau wird nun wegen eines Verstoßes gegen das Bayerische Jagdgesetz und wegen eines Vergehens gegen das Tierschutzgesetz ermittelt. Bereits im April beobachteten zwei Spaziergängerinnen bei Roden einen Hund, der ein Reh attackierte. Die Hundehalterin filmte den Vorfall. Erst auf Ansprache durch die Spaziergängerinnen schritt die Frau ein und nahm den Hund von dem Reh weg. Auch hier erschoss der Jagdpächter das schwerverletzte Reh.
Am Samstagmorgen wurde in Birkenfeld zudem eine Frau von einem Husky in den Oberschenkel gebissen und dabei leicht verletzt. Der Hund war angeleint, riss sich jedoch los. Auch hier ermittelt die Polizei jetzt gegen die Hundehalterin – wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Welche Strafen könnten auf die Hundehalterinnen zukommen?
Theoretisch drohen den Hundebesitzerinnen in den beiden aktuellen Fällen jeweils nach dem Straf- und Tierschutzgesetz Freiheitsstrafen von drei Jahren oder Geldstrafen. Zur Höhe gebe es wenige Richtwerte, "zum Glück kommen Delikte in dieser Ausprägung selten vor", sagt Michael Zimmer, neuer Dienststellenleiter der Marktheidenfelder Polizei. Hunde, die Wild hetzen, gebe es allerdings öfter. Im Triefensteiner Fall erhalte die Polizei derzeit Unterstützung von erfahrenen Diensthundeführern aus Würzburg.
Läuft ein Hund unbeaufsichtigt im Wald oder auf Feldern herum, hetzt oder verletzt er Tiere, so liegt eine Ordnungswidrigkeit nach dem Bayerischen Jagdgesetz vor. Hier verhängt die zuständige Behörde ein Bußgeld. Kommt dies öfter vor oder handelt der Hundebesitzer mit Vorsatz, kann es sich sogar um eine Straftat handeln. Dafür sieht das Strafgesetzbuch eine wie oben beschriebene Strafe vor. Werden Wildtiere verletzt oder gar getötet, kann der Pächter vom Hundehalter oder von der Hundehalterin Schadenersatz verlangen. Diese Summen können schnell vierstellig werden.
Sind weitere Maßnahmen möglich?
Der Markt Triefenstein hat sich bereits kurz nach dem Vorfall mit den zuständigen Stellen am Landratsamt in Verbindung gesetzt: "Wir sind gerade dabei, eine Anleinpflicht für die Hunde zu erwirken", sagt Gerhard Schmitt vom Ordnungsamt. Nun werde erst einmal der Kontakt mit der Hundehalterin gesucht. Der Schäferhundmischling der Frau müsse laut Verordnung der Kommune auf öffentlichen Wegen und Anlagen sowieso angeleint werden. "Dagegen hat die Halterin aber bereits in der Vergangenheit verstoßen", so Schmitt.
Gibt es in der Region vermehrt Angriffe von Hunden?
Erst im Februar 2022 schlugen Jäger in Karlstadt Alarm, da vermehrt gerissene Rehe gefunden wurden. Jäger Ernst Kunesch sagte zu diesem Zeitpunkt, dass sich die Zahl der gehaltenen Hunde in Corona-Zeiten vergrößert habe und der Wald seit der Pandemie ein beliebter Ausflugsort sei. "Wir versuchen die Halter immer wieder darauf hinzuweisen, dass jeder Hund einen Jagdtrieb hat – auch Hunde, die als ausgeglichen gelten, wie etwa der Golden Retriever", sagte Kunesch damals.
"Wir führen zu Hundeangriffen keine explizite Statistik", sagt Polizeihauptkommissar Zimmer. Ob es in letzter Zeit vermehrt Attacken in der Region gegeben hat, darüber könne er nur mutmaßen. Und bei weitem melde sich nicht jeder, der von einem Hund angegriffen wurde, bei der Polizei. "Meist klären das die Beteiligten untereinander." Hundehalter müssten eine Haftpflichtversicherung abschließen. Die Polizei komme immer dann, wenn die Besitzer bei einem Vorfall wie in Triefenstein nicht eingreifen oder Menschen dabei schwerer verletzt werden. "Es kommt jedoch öfter vor, dass sich Jogger bei uns melden, die von einem Hund angegriffen oder erschreckt wurden", so Zimmer.
Dürfen Hunde in der freien Natur ohne Leine laufen?
Nach dem Naturschutzgesetz ist es grundsätzlich erlaubt, seinen Hund in der Natur und im Wald auszuführen – auch ohne Leine. Voraussetzung ist allerdings, mit der Natur und der Landschaft pfleglich umzugehen, die Erholung anderer Menschen nicht zu gefährden und auf die Belange von Grundstückseigentümern Rücksicht zu nehmen. "Aber wenn Halter sehen, dass ihr Hund einem Reh nachhetzt, dann müssen sie versuchen, den Hund aufzuhalten", sagt Zimmer. Der natürliche Jagdtrieb der Tiere dürfe hier nicht unterschätzt werden.
Gilt in Naturschutzgebieten eine Leinenpflicht für Hunde?
Dies lässt sich nicht pauschal beantworten. Häufig gilt in Naturschutzgebieten eine Leinenpflicht, zum Beispiel im Gebiet um die Ruine Homburg bei Gössenheim. Laut Ordnung des Triefensteiner Klostersees ist es dort untersagt, "Tiere aller Art mitzubringen". Die Bestimmungen sind in der Regel ausgeschildert.
Müssen Hunde im Jagdrevier immer angeleint sein?
Solange der Hund unter Aufsicht ist, darf der Halter oder die Halterin das Tier auch in Jagdrevieren in Sichtweite frei laufen lassen. Der Hundehalter muss aber jederzeit auf seinen Hund einwirken können, beispielsweise durch Rufe oder Signale – oder über die Leine.
Dürfen wildernde Hunde erschossen werden?
Wildernde Hunde oder Katzen dürfen nach Artikel 42 des Bayerischen Jagdgesetzes und dem Bundesjagdgesetz vom zuständigen Jäger erschossen werden. Als "wildernd" gelten Hunde im Jagdrevier, wenn sie erkennbar dem Wild nachstellen, also eine reale Gefahr für die Wildtiere darstellen. Getötet werden darf der Hund jedoch nur, wenn kein schonenderes Mittel zur Verfügung steht.
Was appelliert die Polizei an Hundehalter?
"Es ist verständlich, dass Hundebesitzer ihre Tiere frei rennen und toben lassen wollen", sagt Michael Zimmer. Besonders in Gebieten mit vielen Wildtieren sollten Hunde allerdings angeleint werden. Bei allem Verständnis für die Besitzer appelliert der Polizeihauptkommissar: "Denken Sie an die Wildtiere! Besonders, wenn wie derzeit viele Jungtiere unterwegs sind." Gerhard Schmitt aus Triefenstein ergänzt: "Leinen Sie Ihre Hunde an, wenn sie nicht folgen."
Dieser Text ist bereits im April 2022 erschienen und wurde nun ergänzt.