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Kitzingen/Großlangheim
Viele Irrungen bei A3-Umleitung: Die absurde Geschichte um die Kitzinger Panzerstraße findet kein Ende
Seit Monaten kämpfen Betroffene um zwei Kilometer Baustellen-Umleitungsstrecke, doch sie scheitern an abenteuerlicher Bürokratie. Gibt es noch eine letzte Wendung?
Obwohl offiziell gesperrt, wird die sogenannte Panzerstraße durch den Kitzinger Klosterforst immer noch als Abkürzung genutzt.
Foto: Eike Lenz | Obwohl offiziell gesperrt, wird die sogenannte Panzerstraße durch den Kitzinger Klosterforst immer noch als Abkürzung genutzt.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:14 Uhr

Jetzt ist es auch für den Letzten offensichtlich: Wer bislang über die Durchfahrt-verboten-Schilder an den Zufahrten der sogenannten Panzerstraße durch den Kitzinger Klosterforst geflissentlich hinwegsah, kann sich nun nicht mehr herausreden. Seit einigen Tagen stehen dort mobile Schranken mit alarmrot flackernden Warnlampen, aufgestellt zur Abschreckung für jeden, der die schon bisher gesperrte Trasse als verbotenen Schleichweg nutzen will.

Soll keiner mehr behaupten können, er habe die Warnungen übersehen, mit denen sich die Eigentümer der gut zwei Kilometer langen Trasse gegen "etwaige Unfälle" und andere Risiken absichern wollen. Die Polizei kontrolliert – wenn auch nach eigenen Angaben nur stichprobenhaft –, und dass dort in nächster Zeit alle Barrieren fallen werden, wie von manchem in der akuten Phase des Autobahnausbaus mit ihren zahlreichen Umleitungen erhofft, ist kaum mehr zu erwarten. Oder doch?

Die Irrungen und Wendungen um die ehemalige Panzerstraße durch den Klosterforst – sie nehmen kein Ende. Für Autofahrer ist die Straße längst zur launischen Diva mutiert: Mal ist sie Hoffnungsträgerin und mal Spielverderberin. Mal geht die Schranke ein Stück hoch, mal saust sie wieder runter. Auf, zu – zu, auf. In immer kürzeren Abständen wird irgendwo ein Schalter gedrückt, der die Straße in gleißendes Licht taucht und im nächsten Moment wieder in tiefes Dunkel hüllt.

Die Handlung hat sich zu einer nicht enden wollenden Groteske verdichtet, ausgetragen auf dem Rücken und auf Kosten genervter Autofahrer nicht nur im Anrainerdorf Großlangheim. Längst haben die Stadt Kitzingen und die Bayerischen Staatsforsten als Anteilseigner die Kontrolle über die Straße verloren. In der Regie sitzen andere.

Bleibt die zwei Kilometer lange Trasse durch den Wald gesperrt, oder fallen am Ende doch noch alle Schranken?
Foto: Eike Lenz | Bleibt die zwei Kilometer lange Trasse durch den Wald gesperrt, oder fallen am Ende doch noch alle Schranken?

Die Schlagzeilen in dieser so verfahrenen Situation beginnen mit "Letzter Ausweg" und "Neue Hoffnung" – das zeigt die emotionale Spannweite dieses Themas. Viel war von "könnte" die Rede, von Chancen und Möglichkeiten. Ende 2022 keimte Hoffnung, dass die jahrelang vergessene, jedoch weitgehend intakte Trasse für wenige Monate als Umleitung genutzt werden könnte – zumindest so lange, wie die Sanierung der Staatsstraße zwischen Großlangheim und Kitzingen dauert.

Dann, Anfang August, meldete diese Redaktion: "Der Kampf um die Panzerstraße ist verloren!" Keinen Monat später hieß es: "Neue Hoffnung für die Panzerstraße." Und Mitte September durfte man – welch passendes Bild für die vor rund 40 Jahren von der US-Armee geschlagene Schneise durch den Wald – schon an den "Durchbruch" glauben. Inzwischen ist man nur noch rat- und hilflos. Es gibt – je nachdem, mit wem man spricht – noch Hoffnung oder einfach nur Frust.

Die Akte Panzerstraße schaffte es bis hoch zur Regierung

Die Sache hat sich mittlerweile zur kleinen Staatsangelegenheit ausgewachsen. Von der Stadt über das Landratsamt ist die Akte bis zur Regierung von Unterfranken gewandert, ein weiter Weg durch die Instanzen. Überall wurde sie gewogen und bewertet, aber zu einem nennenswerten Ergebnis hat das Ganze nicht geführt, und der Großlangheimer Bürgermeister Peter Sterk sitzt noch immer in seinem Rathaus und schimpft und schüttelt mit den Fäusten über so viel – typisch deutsches! – Bürokratie-Gehabe und wilde Paragrafen-Reiterei, wo es doch bloß um zwei Kilometer Straße und eine einfache Umleitung geht.

Die Trasse wurde vor 40 Jahren von der US-Armee durch den Wald geschlagen und lange Zeit vom Militär genutzt. Heute ist sie ein (verbotener) Schleichweg.
Foto: Barbara Herrmann | Die Trasse wurde vor 40 Jahren von der US-Armee durch den Wald geschlagen und lange Zeit vom Militär genutzt. Heute ist sie ein (verbotener) Schleichweg.

Konvois aus Panzern und schweren Militärfahrzeugen haben die Trasse einst passiert, und wie durch ein Wunder hat sie all diesen Lasten standgehalten. Jetzt aber, in der heißen Phase des Autobahnausbaus im Landkreis, wo vergleichsweise leichter Autoverkehr und ein paar wenige Schul- und Linienbusse über die Piste geschickt werden sollen, taucht ein Stoppschild nach dem anderen auf: Winterdienst, Naturschutz, Artenschutz, die allgemeine Verkehrssicherheit. Jeder Baum in einem 30-Meter-Korridor rechts und links der Fahrbahn musste auf Standfestigkeit geprüft werden. Die Stadt gab dafür, offenbar auf Druck der Bayerischen Staatsforsten, eigens ein Fachgutachten in Auftrag.

Man kann sich denken, dass nicht alle Bäume den Härtetest bestanden. 200 bis 250 Wackelkandidaten, etliche davon morbide, kamen dem Vernehmen nach zusammen, die aus Sicherheitsgründen gefällt werden müssten. 36 wurden als sogenannte Habitatbäume identifiziert. Sie stehen, vereinfacht gesagt, unter Naturschutz, weil sie Lebens- und Brutstätten wild lebender Tiere bergen, vor allem der Fledermaus. Beim Landratsamt, der Unteren Naturschutzbehörde, spricht man von "ökologisch wertvollen Bäumen"; dort die Axt anzulegen könnte "artenschutzrechtliche Verbotstatbestände" auslösen.

Die staatlichen Naturschützer sehen kaum "Aussicht auf Erfolg"

Entscheiden könne darüber auf Antrag nur die Regierung als Höhere Naturschutzbehörde. Sie müsse im Zweifel eine Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesnaturschutzgesetz ausstellen. Die Regierung teilt am 17. Oktober auf Anfrage mit, ihr liege kein entsprechender Antrag vor, und ein solcher hätte auch "kaum Aussicht auf Erfolg", da er nicht verhältnismäßig sei. Denn es gebe ja eine offiziell eingerichtete Umleitung über Rödelsee und damit eine Alternative zur Panzerstraße.

Als letzten Ausweg versuchte die Stadt, Ersatzquartiere für die Fledermäuse in Form von Nistkästen anzubieten und mehrere der geschützten Bäume zu stutzen, im Fachjargon als CEF-Maßnahmen bekannt, über die wiederum das Landratsamt zu entscheiden hätte. Nicht zulässig und in der Kürze der Zeit wohl nicht zu schaffen, heißt es beim Landratsamt.

Die Zeit drängt, denn wenn Ende Dezember wie geplant die Staatsstraße zwischen Kitzingen und Großlangheim wieder öffnet, braucht es den Weg durch den Klosterforst als Umleitung kaum noch. In Großlangheim ärgert man sich denn auch über jeden verlorenen Tag. "Eigentlich steht nun der zivile Ungehorsam auf dem Plan", schreibt Gemeinderat Björn Grebner bei Facebook und bekommt dafür reichlich Applaus für seinen Frontalangriff auf das Landratsamt. Eine Nutzerin postet: "Endlich redet da mal einer Klartext."

Kaum wiederzuerkennen ist die Staatsstraße zwischen Kitzingen und Großlangheim. Sie soll nach ihrem Aus- und Neubau Ende 2023 wieder geöffnet werden.
Foto: Barbara Herrmann | Kaum wiederzuerkennen ist die Staatsstraße zwischen Kitzingen und Großlangheim. Sie soll nach ihrem Aus- und Neubau Ende 2023 wieder geöffnet werden.

Am vergangenen Wochenende kontrollierte die Polizei das Durchfahrtsverbot auf der Panzerstraße und verhängte Verwarnungsgelder: 50 Euro für Autofahrer, 100 Euro für Lkw-Lenker. Was für die Betroffenen nach einer konzertierten Aktion aussah, versuchte Kitzingens Polizeidirektor Jochen Dietrich gegenüber der Redaktion zu relativieren. "Wir machen dort keine Schwerpunktkontrollen, aber die Straße ist halt gesperrt."

An diesem Montag soll es erneut eine "Begehung vor Ort" geben, wie es seitens der Stadt Kitzingen heißt. Ein weiterer verzweifelter Lösungsansatz? Letzter Versuch einer Wende? Oder die nächste Pirouette in einem endlosen Kreisverkehr?

 
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Kommentare
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  • Stefanie Träger
    Heilige Mutter Gottes…da sollen sie halt die offizielle Umleitung nutzen. Ist ja nicht für immer. Hatten wir im Spessart auch beim Ausbau der A3, und es hat deswegen keiner an nen Nervenzusammenbruch erlitten. Es ist einfach irgendwann vorbei gewesen…
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  • Thilo Endrich
    Mit dem Hinweis auf abstrakte Gefahren lässt sich so ziemlich alles verhindern. Das ist allerdings auch eine Folge der weit verbreiteten "Vollkaskomentalität"
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  • Peter Koch
    Mal angenommen, dass diese Panzerstrasse temporär für den Verkehr freigegeben würde und es geschähe folgendes. Ein Autofahrer kommt in der finsteren Nacht vom Weg ab, knallt wider einen Baum und wird erst am nächsten Tag tot im Auto gefunden.
    Genau diese Zeitung, die jetzt die freigabe der Panzerstrasse will, würde die Suche nach Schuldigen fordern. Wie kann man nur eine Strasse ohne Leitpfosten und Begrenzungslinien freigeben? Warum durften da Bäume rumstehen? Hätte man nicht die Gefahr erkennen müssen? Alle Verantwortlichen (bis hin zum Bundeskanzler) müssen zurücktreten!
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