zurück
Kitzingen
Faschingsbräuche in Franken: Wo Strohbären durch die Straßen laufen
In manchen Dörfern ziehen an Fasching in Stroh eingebundene Männer durch die Straßen. In der Rhön tragen die Menschen Masken aus Holz. Was hat es mit diesen Ritualen auf sich?
Auch in Karbach (Lkr. Main-Spessart) waren zu Fasching Strohbären unterwegs.
Foto: Sammlung Laudenbacher/Martin Harth | Auch in Karbach (Lkr. Main-Spessart) waren zu Fasching Strohbären unterwegs.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:18 Uhr

Die einen laufen als Strohbären verkleidet durch die Straßen, die anderen verbergen ihr Gesicht hinter aufwendig geschnitzten Holzmasken. In Franken ist in der närrischen Jahreszeit einiges los - und manche Bräuche muten mitunter etwas seltsam an. Doch wo kommen diese Rituale eigentlich her?

"Fastnacht ist eines der ältesten Volksfeste überhaupt", sagt Hans Driesel, stellvertretender Leiter des Deutschen Fastnachtmuseums in Kitzingen. Bereits beim Ersten Konzil von Nicäa 325 wurde festgelegt, dass am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond Ostern gefeiert werden soll. Somit konnte die Fastenzeit berechnet werden – und damit auch der Termin für Fasching, Fastnacht, Karneval. "Bevor 40 Tage gefastet wurde, sollten die Gläubigen noch mal feiern, essen und trinken", sagt Katrin Hesse, die Leiterin des Fastnachtsmuseums. Die beiden Fastnachtsexperten erklären, welche Bedeutung fünf fränkische Fastnachtsbräuche haben.

1. Faschingsumzüge: Der erste fand 1449 in Nürnberg statt

Wohl eines der ersten politisch motivierten Faschingskostüme: Die rot-weiße und mit Schellen besetzte Kleidung der Schembartläufer in Nürnberg.
Foto: Thomas Obermeier | Wohl eines der ersten politisch motivierten Faschingskostüme: Die rot-weiße und mit Schellen besetzte Kleidung der Schembartläufer in Nürnberg.

Herkunft: Die Wiege der Karnevalsumzüge vermuten viele in Köln oder Mainz, wo normalerweise hunderttausend Narren die Straßen säumen. Doch der erste Faschingsumzug fand in Franken statt: in Nürnberg. "Der Schembartlauf wurde 1449 erstmals urkundlich erwähnt. Damit gilt er als ältester organisierter Faschingszug der Welt", sagt Katrin Hesse. Schembartläufe waren farbenfrohe, von Musik begleitete Umzüge durch die Gassen der Freien Reichsstadt Nürnberg. Die großen Umzugswagen oder Schlitten zu politischen Themen wurden von unterschiedlich kostümierten Männern begleitet. Heute tragen die Schembartläufer einheitliche rot-weiße, schellenbesetzte Kostüme. Somit gilt Nürnberg als eine Urzelle des organisierten Karnevals.

Bedeutung: Schon aus dem Mittelalter sind sogenannte "Heische-Umzüge" überliefert. Aus ihnen sind später wohl die klassischen Faschingsumzüge entstanden. "Das Heischen, also um Gaben bitten, ist ein alter Brauch", erklärt Hesse. Damals zogen vor allem die unverheirateten jungen Männer durch das Dorf. Dabei erbettelten sie Gaben wie Eier, Speck oder Krapfen für ihre Fastnachtsfeier.

Gegenwart: Der Würzburger Umzug gilt als einer der größten in Bayern. Auch hier geht das närrische Treiben wohl bis ins Mittelalter zurück. Zwei Weltkriege haben es dann unterbrochen, 1953 lief der erste Zug wieder durch die Ruinen der Stadt mit dem Motto "Würzburg lacht wieder". Im Februar 1972 zogen bereits acht Gruppen mit insgesamt 100 Abteilungen durch die Straßen. Ab den 80er Jahren kamen dann 100 000 Menschen zum Faschingsumzug nach Würzburg. In diesem Jahr findet er Corona-bedingt nicht statt.

2. Holzmasken-Männer: Furchteinflößende Gestalten ziehen durch die Rhön

Die handgeschnitzten Holzmasken sind typisch für die Rhöner Fasenöcht.
Foto: Thomas Obermeier | Die handgeschnitzten Holzmasken sind typisch für die Rhöner Fasenöcht.

Herkunft: Die Rhöner Umzüge mit den berühmten Holzmasken lassen sich bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. In der Rhön laufen in der Faschingszeit Männer mit aufwändig geschnitzten Masken durch die Straßen. "Da kann es einem schon mulmig werden, wenn diese Gestalten auf einen zustürmen", sagt Hans Driesel. "Früher mussten sich Kinder und Mädchen in Acht nehmen." Denn: Die jungen Männer waren dafür bekannt, dass sie auch mal deftig prügelten.

Katrin Hesse, Leiterin des Deutschen Fastnachtmuseum in Kitzingen, und ihr Stellvertreter Hans Driesel.
Foto: Carolin Christoph | Katrin Hesse, Leiterin des Deutschen Fastnachtmuseum in Kitzingen, und ihr Stellvertreter Hans Driesel.

Bedeutung: Schwerpunkt des Treibens ist in Oberelsbach mit seinen Ortsteilen Unterelsbach, Weisbach und Ginolfs. Jede Ortschaft hat dabei eigene Masken, eigene Figuren und eigene Traditionen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie handgeschnitzte Holzmasken tragen, um nicht erkannt zu werden. "Unter dem Schutz der Masken kann der Träger in eine andere Identität schlüpfen und sich unerkannt austoben", sagt Faschingsexperte Driesel.

Gegenwart: Früher wurde in der Rhön in jedem Haushalt geschnitzt. Auch heute noch gibt es in Bischofsheim eine Berufsfachschule für Holzbildhauer. Viele Masken sind Erbstücke. Es gibt dabei verschiedene Typen: Die sogenannten Bartmänner sind am bekanntesten. Sie sehen Furchteinflößend aus. "Aber es gibt auch freundliche Masken", sagt Driesel. Seltener seien Frauenmasken mit schöneren Gesichtern. Und Vorsicht: Diese "Fasenöchter" sind bis Faschingsdienstag um Mitternacht in der Rhön unterwegs.

3. Karnevalssitzungen mit Elferrat: Von Köln bis zu "Fastnacht in Franken"

Dieser Elferrat von 'Fastnacht in Franken' ist durch die TV-Sendung sehr bekannt.
Foto: Silvia Gralla | Dieser Elferrat von "Fastnacht in Franken" ist durch die TV-Sendung sehr bekannt.

Herkunft: In Köln gründete sich 1823 die erste Karnevalsgesellschaft, getragen vom gehobenen Bürgertum. Man gab der bis dahin ungeordneten kölnischen Fastnacht eine neue Richtung und einen neuen Inhalt. Aus dem organisierenden Festkomitee entstanden die Sitzungen mit ihren Ritualen, den typischen Mützen mit Goldborte und der Elferrat.

Bedeutung: Hauptperson der Karnevalsgesellschaft war Held, später Prinz Karneval, erklärt der stellvertretender Leiter des Deutschen Fastnachtmuseums. Die Garden verstehen sich als Persiflage auf das Militär. Die "Bütt" wurde zum Podium für närrische Zeitkritik.

Gegenwart: Seit 1955 wurde die Sitzung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" im Fernsehen übertragen. Das löste einen Gründungsboom bei den Karnevalsgesellschaften aus - auch in Mainfranken. Die heute wohl bekannteste Prunksitzung heißt "Fastnacht in Franken". Sie wird seit 1987 vom Fastnacht-Verband Franken gestaltet und seitdem auch vom Bayerischen Fernsehen als Live-Sendung ausgestrahlt – immer am Freitag in der Woche vor Weiberfastnacht. Dort ist sie seit 1991 die erfolgreichste Sendung überhaupt. In diesem Jahr wird es Corona-bedingt keine Livesendung geben, sondern wie 2021 eine Aufzeichnung.

4. Weiberfastnacht und Weiberkiez: In Irmelshausen feiern verheiratete Frauen

Der Weiberkiez in Irmelshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld): Er  ist schon immer den verheirateten Frauen des Dorfes vorbehalten.
Foto: Hanns Friedrich | Der Weiberkiez in Irmelshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld): Er ist schon immer den verheirateten Frauen des Dorfes vorbehalten.

Herkunft: Mit der Weiberfastnacht am Donnerstag beginnt in den Karnevalshochburgen der Straßenkarneval. Auch diese Tradition ist sehr alt. "Schon im 12. und 13. Jahrhundert gab es eine Art Frauenkarneval, zunächst in einigen Klöstern", erklärt Katrin Hesse. In Franken gibt es den ersten Nachweis einer Weiberfastnacht im Altmühltal. Dort sollen die Frauen die Turniere der Männer persifliert haben. "Danach sind sie mit dem Besen aufeinander losgegangen", sagt Hans Driesel.

In Irmelshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld) hat sich die Tradition des Weiberfaschings seit dem 18. Jahrhundert erhalten. Alle drei Jahre kommen (verheiratete) Frauen zum "Weiberkiez" in der Gastwirtschaft "Zur Linde" zusammen.

Bedeutung: In Irmelshausen geht dieser Brauch auf das Jahr 1710 zurück, als der Cent-Schöffe von Irmelshausen in Königshofen war. Es war in der Faschingszeit und hatte stark geschneit – und der Cent-Schöffe war nicht mehr auffindbar. "Da machten sich die Frauen auf die Suche und fanden den Schöffen, halb erfroren, in einer Schneewehe", sagt Hesse. In einer Kitze, also einem Korb, den man auf dem Rücken trug, schleppten sie ihn nach Hause. So entstand auch der Name Weiberkiez.

Gegenwart: Erst seit 2001 gibt es auch in Würzburg einen Weiberfasching: bei den Carneval-Freunden Zellerau. Ihr früherer Präsident Peter Grimm hatte sich beim Fernsehen von einer Weibersitzung im Rheinland inspirieren lassen. Um die Sache in Fahrt zu bringen, bat er die erste Frauenbeauftragte der Stadt um Unterstützung, die dann alle Frauenorganisationen in Würzburg ansprach. Die erste Weibersitzung war bald ausverkauft, "ab der dritten konnten wir uns nicht mehr retten", erinnert sich Grimm.

5. Strohbärenlauf: Der Winter wird in Franken aus den Dörfern getrieben

Der Strohbär ist eine Figur der fränkischen Fastnacht. Er war in allen landwirtschaftlich geprägten Dörfern verbreitet, in denen Fastnacht gefeiert wurde.
Foto: Thomas Obermeier | Der Strohbär ist eine Figur der fränkischen Fastnacht. Er war in allen landwirtschaftlich geprägten Dörfern verbreitet, in denen Fastnacht gefeiert wurde.

Herkunft: Das wohl bekannteste Strohbär-Treiben findet im fränkischen Effeltrich (Lkr. Erlangen-Höchstadt) statt. Junge Männer werden dabei aufwendig in Stroh eingebunden.

Bedeutung: "Der Bär symbolisierte dabei den Winter", erklärt Fastnachtsexperte Driesel. Die Fastnacht, die ja immer im Frühjahr stattfindet, beendet allmählich die Winterzeit. "Die Menschen warten sehnsüchtig auf den Frühlingsbeginn und der mit Lärm, Radau und Peitschenknallen aus dem Dorf hinausgetriebene Winterbär soll seinen Platz räumen."

Gegenwart: Auch in Zellingen, Marktheidenfeld (beide Lkr. Main-Spessart) und Großrinderfeld (Main-Tauber-Kreis) laufen noch Strohbären durch die Straßen. In Bergrothenfels (Lkr. Main-Spessart) sind es die "Bercher Rougsau" die sich auf den Weg machen, um die Wintergeister auszutreiben. Wer sich auf die Straße traute, dem knallten die Peitschen über die Köpfe hinweg. Bis Ende der 60er Jahre gab es oft mächtig Ärger, weil die Hauptstraße der kleinsten Stadt Bayerns hinterher einem wüsten Strohlager glich. Mit der Peitsche knallen dürfen allerdings nur jene, die es wirklich beherrschen. Die echten Könner geben abschließend auf dem Marktplatz in Rothenfels auch ein Peitschenkonzert.

Deutsches Fastnachtmuseum in Kitzingen

Im Jahr 1963 wurde das Deutsche Fastnachtmuseum in Kitzingen gegründet. 1967 wurde es im Kitzinger Falterturm als offizielles Museum des Bundes Deutscher Karneval (BDK), dem Dachverband der deutschen Karnevals- und Fastnachtsvereine, eröffnet. Ende 2010 musste das Museum aus Brandschutzgründen umziehen. 2014 war der Umbau fertiggestellt. Das Museum, heute eine Stiftung des öffentlichen Rechts, wird von der Historikerin Katrin Hesse geleitet.
Die Sammlung gilt als die bedeutendste des deutschsprachigen Raumes und umfasst mehrere tausend Bücher, Text- und Bildzeugnisse sowie Kostüme. 2019 wurde das "Kulturzentrum Deutsche FastnachtAkademie" im Museumsbau eröffnet, die der Schulung, Beratung, Forschung sowie der Jugendförderung der Karnevalsvereine dient.
Geöffnet ist das Museum von Dienstag bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Auch Rosenmontag ist es offen.
Adresse: Deutsches Fastnachtmuseum, Luitpoldstraße 4, 97318 Kitzingen. Tel.: (09321) 23355, Mehr Infos unter deutsches-fastnachtmuseum.byseum.de
Quelle: clk
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Bischofsheim
Würzburg
Veitshöchheim
Irmelshausen
Oberelsbach
Marktheidenfeld
Zellingen
Großrinderfeld
Bergrothenfels
Claudia Kneifel
Fasching
Fastnacht in Franken
Fastnacht-Verband Franken
Franken
Hans Driesel
Karnevalsumzüge
Männer
Ortsteil
Peter Grimm
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top