Die einen schleppen einen Riesenbaum durch die Stadt, die anderen waschen Geldbeutel oder rollen eine brennende Stange herum. Wo das schönste Brauchtum gepflegt wird.
1. Die nördlichsten Holzmasken
Bis in die 1990er Jahre war es nicht ungefährlich, an Fasching in Oberelsbach unterwegs zu sein. Da wurde natürlich auch, aber nicht nur gefeiert. Teils trieben nämlich wilde Gesellen ihr Unwesen. Manch ungeliebter Zeitgenosse, der sich auf die Straße wagte, kassierte Schläge. An Straßensperren wurde „Maut“ für Bier und Schnaps kassiert. Die Täter trugen von Hand geschnitzte und bemalte Masken. Die Fahndungserfolge der Polizei, wen wundert's, hielten sich in Grenzen. Heute bereichern die teils spektakulär vermummten Gestalten die Faschingsfeiern in der Rhön, der nördlichsten Region Deutschlands, in der handgeschnitzte Holzmasken an Fasching verbreitet sind. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich die Tradition zurückverfolgen.
Die Rebellion ergriff damals auch die Rhön. Dass es Unzufriedene waren, die hinter Larven protestierten und die Tradition begründeten, gilt aber nicht als nachgewiesen. Später verloren die Masken ihre politische Bedeutung und dienten als Verkleidung, wenn man kurz vor der Fastenzeit über die Stränge schlug. Larven wie Verkleidungen sind von Ort zu Ort unterschiedlich. Freundliche, rotbackige, weiße Gesichter sind ebenso anzutreffen wie „Jüden“, als deren Ursprung früher beliebte Aufführungen biblischer Szenen gelten, in denen Moses oder Aaron zu sehen waren. In seiner ganzen Vielfalt sind die Masken jetzt noch beim Oberelsbacher Maskenfasching zu bestaunen. Angst vor ihnen muss man aber nicht mehr haben. Thomas Pfeuffer
2. Weiberkiez mit Schöffenpuppe
Wenn die Frauen von Irmelshausen alle drei Jahre ihren „Weiberkiez“ in der örtlichen Gastwirtschaft feiern, bleiben Männer außen vor. Verirrt sich trotzdem einmal einer in die Gaststube, in der eine Puppe auf dem Kachelofen sitzt, erwartet ihn einiges. „Der überlegt es sich das nächste Mal, ob er noch einmal zu uns kommt“, lachen die Frauen. Garantiert wird das so wieder, an diesem 5. und 6. März, vom Faschingsdienstagabend bis weit in die Früh. Die Frauen pflegten damit einen mehr als 300 Jahre alten Brauch. Lediglich Pfarrer, Landrat, Bürgermeister, Gemeindediener, Gastwirt, Lehrer und der örtliche Bauernobmann dürfen dabei sein. Gut, dass sind dann doch einige Mannsbilder. Beim Irmelshäuser Weiberkiez dürfen auch nur verheiratete Frauen dabei sein. So will's der Brauch. Gemeindlichen Unterlagen zufolge war um 1710 der Cent-Schöffe von Irmelshausen bei Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld), auf den alles zurückgeht. Es war in der Faschingszeit und alles tief verschneit. Nachdem die Männer den Schöffen nicht fanden, hatten die Frauen Erfolg. Sie entdeckten ihn, halb erfroren, in einer Schneewehe und schleppten ihn in einer Kitze, einem Korb, den man früher auf dem Rücken trug, nach Hause. So entstand auch der Name – von dem Kitz. Beim Weiberkiez wird die Puppe, die den Cent-Schöffe im schwarzen Anzug mit Zylinder auf dem Kopf darstellt, mit viel Wehklagen in die Gaststube gebracht und dort auf den Kachelofen gesetzt – damit der „gute Mo“ noch weiter auftaut. Hanns Friedrich
3. Weiberfasching fast wie am Rhein
Der Fasching scheint männlich dominiert zu sein? Von wegen, Frauen haben in der närrischen Zeit ihren besonderen Spaß. Besonders beim (Alt-)Weiberfasching. Dass es Frauen da einmal krachen lassen, hat eine uralte Tradition. Die moderne Form hat ihren Ursprung im Bonner Stadtteil Beuel, wo Frauen im 19. Jahrhundert ein „Damenkomitee“ gründeten, die harte Arbeit niederlegten, in der Kneipe feierten und über ihre faulen Männer lästerten. Seit 2001 gibt es in Würzburg auch Weiberfasching: bei den Carneval-Freunden Zellerau. Ihr früherer Präsident Peter Grimm hatte sich beim Fernsehen von einer Weibersitzung im Rheinland inspirieren lassen. Um die Sache in Fahrt zu bringen, bat er die erste Frauenbeauftragte der Stadt um Unterstützung, die dann alle Frauenorganisationen in der Stadt ansprach. Die erste Weibersitzung war bald ausverkauft, „ab der dritten konnten wir uns nicht mehr retten“, erinnert sich Grimm. Heute noch zieht sie noch Frauen allen Alters von nah und fern an. „Die Stimmung ist immer einzigartig und wäre nie so toll, wenn Männer mit ihm Saal wären“, ist sich CFZ-Präsidentin Isolde Kutscheid sicher. Ein paar Männer sind doch dabei – jene, die „die Glocken von Rom“ oder der Hut-Striptease aufführen. Mit einem anderen Brauch des rheinischen Weiberfaschings sorgte Peter Grimm übrigens mal für große Aufregung: Er schickte am traditionellen Donnerstag Frauen ins Rathaus, um den Stadträten die Krawatten abzuschneiden. Das fanden nicht alle lustig. Herbert Kriener
4. Strohschlacht mit den Strohbären
Früher herrschte allseits Zähneklappern in Bergrothenfels, wenn der Rosenmontag kam und sich die Gemeinschaft der „Bercher Rougsau“ auf den Weg machte, um die Wintergeister auszutreiben. Wer sich auf die Straße traute, dem knallten die Peitschen über die Köpfe hinweg. Am besten, man legte sich mit den „Rogsäu“ nicht an! Unten in der Spessart-Stadt Rothenfels, das die ruppigen Strohbären seit Ende der 1960er Jahre ebenfalls heimsuchen, gab es anfangs gar mächtig Ärger über die streitbaren Gäste, glich die Hauptstraße der kleinsten Stadt Bayerns doch hinterher einem wüsten Strohlager. Inzwischen geht es verträglicher zu, die Vorfreude auf die Strohschlacht zwischen „Rogsäu“ und Zuschauern ist groß. Seit wann es den Brauch gibt, vermag niemand mehr zu sagen. Aber ans Regelwerk halten sich alle bis heute: Die Schuhe müssen dunkel sein, Hose und Jacke einigermaßen schmutzig, die Masken wild. Arme, Beine und Körper werden mit Stroh eingebunden, so geschickt, dass die Halme während des Auftritts verloren gehen. Mit der Peitsche knallen dürfen allerdings nur jene, die es wirklich beherrschen. Die echten Könner geben abschließend auf dem Marktplatz in Rothenfels auch das Peitschenkonzert. Einen echten, rundum verpackten Strohbären mit Treiber gibt es allerdings nicht mehr, seit die Bercher zu Rothenfels gehören und hinunter in die Stadt kommen. Mit zwei Zentnern Stroh stundenlang im Angriffsmodus – das ist dann selbst einem Bärenkerl zuviel. Joachim Spies
5. Häämachen mit der Hääkönichin
Nach einer guten Stunde machen sie es sich bequem auf dem Heuhaufen mitten auf der Spessartstraße, holen ihre Pflümli aus der Tasche, schmieren sich Kochkäs auf Bauernbrote, lassen sie sich von den Dominikanerinnen heißen Tee einschenken: Die Hääweiber haben einen Gutteil ihrer Arbeit erledigt. Mal sind es zwei, mal drei oder vier Dutzend, die sich die Gaudi am Rosenmontag antun und sich den Anweisungen des Zeremonienmeisters beugen: Heu zu einer Längsmahde, zu drei Quermahde oder einem Kreuz zusammenrechen, über die Mahden springen oder stapfen – die Hand durch die eigenen Beine der Hinterfrau reichend. Anstrengend kann's sein, lustig ist es allemal. „Wu wöllt'er haüer aüer Hää hi hoa“, geht den Mädchen und Frauen aus dem kleinen Klosterdorf zwischen Lohr und Marktheidenfeld flüssig über die Lippen. Den Satz „Wohin wollt Ihr heuer Euer Heu haben?“ muss im Dialekt jede beherrschen, die in Neustadt Häkönichin werden will. Die gibt es erst seit 20 Jahren, Heu gemacht aber wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg: Das letzte Heu wird aus der Scheuer geholt, der Winter damit verabschiedet. Eben erst mussten sich die Näüschter Hääweiber von einer jungen Frau verabschieden, die ihnen sehr nahe stand. Weil die Trauer so jung ist, verzichten sie heuer aufs Häämachen. Das Krautkochen am Dorfbrunnen um 12 Uhr aber findet statt. Der Zentner „Flääsch“, stundenlang in Sauerkraut geköchelt, geht gewöhnlich weg wie warmes Brot. Roland Pleier
6. Der Böschmer Fosenochtsbaam
Ein großer Fichtenkranz, behängt mit Fleischwurstringeln und ebenso großen Laugenbrezeln schmückt den Bischofsheimer Fosenochtsbaum, den es so mit 23 Metern Höhe nirgendwo sonst gibt. Wann diese Rhöner Tradition entstand, kann heute keiner mehr sagen. Sie ist jedenfalls wichtig im Fosenochtsgeschehen von Bischofsheim! Am Morgen des Fastnachtssamstags, während der Fosenochtsverein Böschmer Maumer das Rathaus stürmt, wird der Baum von mindestens zehn Mann der Feuerwehr im Wald geschlagen, von dort mit Muskelkraft heraus getragen, damit die Äste nicht brechen. Am Nachmittag wird er – geschmückt mit bunten Bändern – im fröhlichen Umzug durch die Gassen der Innenstadt gefahren. Bei den Engpässen und schmalen Kehren keine leichte Aufgabe. In der Fastnachtsgasse passieren die Fosenöchter die Station von Edgar Korb und seinen Nachbarn, die hier den Narren ein Schnäpschen spendieren. Ist der lange Baum unter musikalischer Begleitung der Maumerkapelle auf dem Marktplatz angekommen, wird der wurstdekorierte Kranz, den die Gardemädchen herbeigetragen haben, befestigt und der Baum mit Muskelkraft aufgestellt. Sobald er steht, wird ausgelassen gefeiert – bis in die frühen Morgenstunden hinein. Barbara Enders
7. Faselsrad und Feuerrädchen
Das hält keiner lange aus: Die Stangen tragenden Männer ganz innen an der Feuerwalze haben den wohl heißesten Job in der unterfränkischen Brauchtumspflege. Da helfen weder dicke Jacken noch Hüte noch Tücher vor Mund und Nase. Die Männer ganz innen räumen ihre Position deshalb freiwillig, wenn es ihnen zu heiß wird, die anderen an derselben Stange rutschen dann nach innen. Anders geht das nicht bei diesem uralten Brauch, der sich in drei kleinen Spessart-Gemeinden erhalten hat: Faselsrad heißt er in Wiesenthal und Neuhütten, Feuerrädchen in Obersinn. In allen drei Orten wird eine 15 bis 20 Meter lange, mit Stroh und Reisig umwickelte Stange den Berg mehr hinab getragen denn gerollt. Bis in heidnische Zeit zurück soll der Brauch reichen. Mit ihm sollten die Geister, Hexen und Dämonen des Winters vertrieben werden. Damit verbunden war auch der Wunsch, dass die Fluren von allem Unheil verschont würden und das Jahr eine gute Ernte einbringe. Das Spektakel in Obersinn beginnt am Rosenmontag um 18.30 Uhr am Brunnberg (der Weg dorthin ist im Dorf ausgeschildert). In Wiesthal und im Nachbarort Neuhütten wird das Faselsrad tags darauf, am Faschingsdienstag, angezündet – nach Einbruch der Dunkelheit, heuer also gegen 19 Uhr. Roland Pleier
8. Christbaum-Upcycling und ab aufs Feuer!
Upcycling ist in aller Munde und derzeit mega-in. In Bischofsheim ist das Weiterverwerten und Aufbereiten ein alter Hut! Hier werden seit Urzeiten die Weihnachtsbäume zweitgenutzt: Sie landen nicht auf dem Grünmüll, sondern auf Mauern, in Vorgärten und werden an Straßenschildern befestigt. Am Fosenochtswochenende wird dann nicht nur der 23 Meter große Fosenochtsbaum auf dem Marktplatz aufgestellt. Nein, jeder der etwas auf sich hält, drapiert den aufgehobenen Weihnachtsbaum mit bunten Bändern, Luftballons und Masken gut sichtbar vor dem Haus. Schließlich findet am Rosenmontag hier im Städtchen einer der schönsten Faschingsumzüge der Region statt – der durch viele Narrengruppen aus der Umgebung bereichert wird. Im Anschluss hört man den Faschingsruf „Halex“ in der ganzen Stadt und der Tag endet in einer langen Nacht. Nach der Fosenocht werden die guten Weihnachtsbäume dann übrigens immer noch nicht zum Grünabfallplatz gefahren oder zerschnitten auf den Kompost geschmissen. Sondern auf die großen Sammelhaufen gebracht, die am Fackelsonntag, drei Wochen vor Ostern, angezündet werden. Asche düngt bekanntlich und fördert das Wachstum der Pflanzen. So schließt sich der Weihnachtsbaum-Kreis. Barbara Enders
9. Geldbeutelwäsche am Narreneck
Die mitunter recht lange Faschingszeit beutelt am Ende nicht nur die Narren – sondern ganz besonders auch deren Geldbeutel. Das Portemonnaie ist leer, und der Zeitpunkt damit perfekt, es gründlich zu reinigen. Die Aktion kann natürlich nur am Aschermittwoch stattfinden: Da ist der Spaß ja endgültig vorbei. Die Städte haben ihre Rathausschlüssel zurück. Katerstimmung allerorten. Der Alltag hat die Narren wieder. Der perfekte Tag für ein gründliches Säubern, das – so besagt es zumindest der uralte Glaube – noch einen weiteren Zweck hat: Die Prozedur soll dafür sorgen, dass neues Geld in den Beutel gespült wird. In Kitzingen findet die Geldbeutelwäsche seit 67 Jahren statt, seit ddr Gründung der Karnevalsgesellschaft (KiKaG). Immer um 11.11 Uhr am Narreneck im Schatten des Falterturms, an dem – einer glücklichen Fügung gleichkommend – ein Brunnen plätschert. Ein paar Wäscheleinen aufspannen, Geldbeutel zücken, ins Wasser tauchen, mit Handbürsten schrubben – bis der letzte Konfettischnipsel aus den Ritzen gespült ist und alles wieder glänzt. Dann das gute Stück aufhängen – fertig. Danach heißt es warten: Bis der Geldbeutel getrocknet ist, sich möglichst bald wieder füllt – und bis man sich am 11.11. um 11.11 Uhr an gleicher Stelle wieder trifft. Frank Weichhan
10. Reinigung am Narrenbrunnen
Fastnacht ist kein billiges Vergnügen. Wer die närrische Zeit ernst nimmt, der muss auf dem langen Weg von der Elferratssitzung zum Maskenball, vom Bunten Abend zum Kinderfasching und zurück wieder und wieder für stimmungsfördernde Getränke und angemessene Kleidung in den Geldbeutel greifen. Am Ende der Session ist so ein Geldbeutel dann gerne leer. Das hat Vorteile: Eine günstigere Gelegenheit für die vorher meist sträflich vernachlässigte Reinigung des Portemonnaies gibt es nicht. Mit einer Begründung wie dieser hat der Faschingsclub Selbsthilfe Ebenhausen im Landkreis Bad Kissingen in den 70er Jahren seine Geldbeutelwäsche am Aschermittwoch eingeführt – und bis jetzt 46 Mal mit wachsendem Traditionsbewusstsein absolviert. Was sich bei der Reinigung noch im Geldbeutel findet, fällt in den Brunnen, der jedes Mal von Bernhard Wahler (stolze 89 Jahre inzwischen) aufgebaut wird. Alle Moneten scheinen die Narren nicht auf den Kopf zu hauen. So kommen stets um die 300 Euro für soziale Zwecke zusammen. Bestimmt auch beim 47. Mal, obwohl der Fasching heuer extra lange dauerte. Sigfried Farkas