Tierisches Knurren, Knüttel und Patsche, bizarre Antlitze: Wehe dem, der sich nicht in Sicherheit bringt vor den schaurigen Gestalten mit den Holzmasken. Die urige Straßenfastnacht ist in der Rhön eine Tradition, die lebt – dank Holzschnitzern und Maskenträgern. Eine Fastenachtsmaske herzustellen – „eine Herausforderung“, sagt Melanie Weigand von der Holzschnitzerei Eyring in Weisbach, einem von fünf Ortsteilen der Rhöner Maskenhochburg Oberelsbach. Viele Schritte sind nötig und Arbeiten am Detail.
Alles beginnt mit einem Stück Birkenholz, das mit einer großen Bandsäge zurechtgeschnitten wird. Mit Schnitzeisen geht Weigand dann an das Holzstück und formt das Gesicht. Bei Bart, Mund und Augenbrauen kommt es auf Feinheiten an, denn die Maskentypen unterscheiden sich: „Hier kann der Schnitzer seine Handschrift entfalten“, sagt Melanie Weigand, ausgebildete Holzbildhauerin, Tochter von Holzbildhauermeister Thomas Eyring und selbst auf dem Weg zur Meisterin.
Auch je nach Vorliebe des Auftraggebers und Trägers werden die Masken gestaltet: „Die einen mögen lieber einen gezwirbelten Bart, bei anderen wiederum soll der Kinnbart möglichst kräftig ausfallen“, sagt Weigand. Mit Schmirgelpapier arbeitet sie zum Schluss die Feinheiten heraus. „Auch mit dem Ziel, dass sich der Maskenträger beim Tragen der Maske nicht verletzt“, sagt die Schnitzerin. Zum Schluss malt sie die Masken mit Acrylfarben in den Hauptfarben an: schwarz, weiß und rot. „Sicherlich wird man nicht reich mit der Herstellung von Masken“, so Melanie Weigand, „es ist uns aber ein Anliegen die jahrhundertelange Tradition aufrecht zu erhalten“. Stolz zeigt sie die Maske des „Aaron“, die sie vor fünf Jahren nach einer Vorbild-Maske von Gerhard Kleinhenz nachgeschnitzt hat.
Die Anführer: Aaron und Mose
Den „Aaron“ zeichnet die rote Gesichtsfarbe aus, zusammen mit dem „Mose“ ist er die Anführer-Figur der Weisbacher „Blaue Jüde“. Beide Figuren tragen bei der Maskenfastnacht einen dunkelgrauen Anzug mit umgebundenem Schafsfell. Melanie Weigands Ehemann Jürgen Weigand und Felix Fendert verkörpern seit einiger Zeit – immer im Wechsel - die Figur des „Aaron“. Auch der „Mose“ wurde vor zwei Jahren erst nachgeschnitzt und wird zur Maskenfastnacht jetzt von Jochen Filbry dargestellt.
Wie es zu dem Brauch der „Blauen Jüden“ in Weisbach kam, ist noch nicht ganz nachgewiesen. Es wird vermutet, dass der Ursprung auf eine historische Aufführung mit dem Motto „Der Auszug der Kinder Israel aus Ägypten“ um 1900 zurückgeht. Dafür spräche das Auftreten der beiden Masken Mose und Aaron, der Bibel zufolge die Anführer der „Kinder Israel“. Was die Heimatkundler und Forscher bislang sicher sagen können: dass der „Jüden“-Brauch in der Rhön keinen antisemitischen Hintergrund hat.
In Weisbach jedenfalls besitzt wohl fast jeder eingesessene Haushalt eine oder mehrere „Blaue Jüd“-Masken und die dazugehörige Montur. Die besteht aus weißer Hose, schwarzen Stiefeln, Halstuch, blauem Kittel und einem mit bunten Papierbändern und grünem Buchs geschmückten Hut. „Kurz vor der Faschingszeit wird immer frischer Buchs geholt“, sagt Sebastian Wappes, der sich jedes Jahr auf den Faschingssamstag freut, an dem der wilde Zug der „Blauen Jüde“ in Weisbach am größten ist. Dazu wird eine angemalte „Pritsche“ aus Buchenholz mit geführt, die eingeschnitten ist um mächtig Lärm zu machen oder den einen oder anderen „Batscher“ zu verteilen.
Was weniger wurde in den letzten Jahren: Dass unter der Woche die Jugendlichen im Teenager-Alter in das Kostüm schlüpfen, um den jüngeren Kindern einen Schrecken einzujagen. Schnitzerin Melanie Weigand erinnert sich mit gemischten Gefühlen an ihre Kinder- und Jugendzeit: „Das war brutal.“ Auf dem Nachhauseweg von der Schule habe man sich stets davor gefürchtet, dass einem die „blauen Jüden“ auflauern: „Da bin ich manchmal extra mit Maske von der Schule heimgelaufen, da ließen sie einen in Ruhe.“
Draufgängerischer Hanswurst
Besonders gefürchtet war und ist der „Hanswurst“, der Possentreiber und Spaßmacher mit einem rotbraunen Inkarnat und einem mehrfach eingerollten Schnurrbart. „Der Hanswurst hat immer Quatsch im Kopf“, sagt Melanie Weigand. Er springt zum Beispiel auf die Balkone und steigt in die Fenster ein. Timo und Markus Kleinhenz schlüpften früher immer in diese Rolle. Seit ein paar Jahren hat Fabian Schubert die Nachfolge übernommen.
Wackelnde Schlappmäuler
Über den Namen der mächtigen Maske mit der dicken roten Knollennase, den blitzenden Zähnen und dem breiten „Maul“, das so breit ist, dass die Mundwinkel mit Lederbändern zusammengebunden sind, scheiden sich die Geister: In der Literatur wird die Figur als „Schlappmaul“ bezeichnet, laut Sebastian Wappes ist dies aber schon immer ein „Wackelmaul“ gewesen. „Das hat ist einmal falsch aufgeschrieben worden und wurde dann so weitergetragen.“ Auf jeden Fall „wackelt“ das Maul kräftig schon beim Hochheben der Maske, wie Wappes mit der Larve seiner Vorfahren demonstriert. Am liebsten schlüpft er aber in die „Goaß“. Die Weisbacher Ziegenfigur besteht aus einem reifenartigen Gestell und einem „Steckenpferd“ mit Geißkopf: „Jeder kann mal schnell in die Geiß schlüpfen“, sagt Wappes. Am Faschingsdienstag um Mitternacht wurde nach altem Brauch die Ziege dann geschächtet. Weitere Weisbacher Figuren sind der „Depudel“ oder der „Zähneblecker“.
Dicke Strohmänner
In Oberelsbach selbst sind zur Fastnachtszeit die „Strohmänner“ unterwegs: mit einem Kostüm aus einem wie eine Zipfelmütze getragenen Kartoffelsack, einem alten blauen Overall und einer alte Hose, die man von unten bis zum Hals hin prall mit Kornstroh ausstopft. Die Strohmann-Maske hat einen großen schwarzen gezwirbelten oder spitz gedrehten Schnurr- und Kinnbart sowie rote Wangen. Der Oberelsbacher Steinmetz- und Steinbildhauermeister Franz Weigand stellt sie her.
Liebliche Spiermänner und -frauen
Eine weitere Figur in Oberelsbach ist der „Spiermann“ oder auch Spanmann. Sein Gewand ist dicht an dicht mit gelockten Holzspänen benäht, dazu wird die Männermaske getragen. Auch Frauen und Kinder haben in Oberelsbach Masken, von den Holzschnitzer entsprechend gefertigt: „Diese Masken haben keinen Bart, dafür rötliche Wangen und rote Lippen, fraulicher eben“, sagt Melanie Weigand.
Vornehme Fosenöchter
Während im benachbarten Ginolfs die „Jüden“-Masken mit bunten Harlekin-Anzügen und Spitzhüten getragen werden, kommen im Ortsteil Unterelsbach die „Fosenöchter“ überspitzt vornehm daher. Über der weißen Hose tragen sie bunte Röcke aus Stoffleinen, die von edel bestickten Gürteln und Hosenträgern festgehalten werden. Am bunten Kragen befinden sich etliche Bommeln und Glöckchen genauso wie an dem aufwendig hergestellten, mit Pailletten verzierten Spitzhut.
Jede Fosenöchter-Maske ist mit einem kräftigen schwarzen Bart und rote Lippen bemalt. An der Maske sind mit einem Dreieckstuch Haare aus Hanf befestigt. Und wie die „Jüden“ in Weisbach führen die Unterelsbacher Fosenöchter die bunt verzierte „Patsche“ mit sich. „Die Damen und Herren des Hochadels sollten mit dieser Kostümerie aufs Korn genommen werden“, erzählt Dietmar Hesselbach, der Leiter der Faschingsabteilung des TSV Unterelsbach, die dafür sorgt, dass die Tradition der Fosenöchter fortgeführt wird. Dafür hat der TSV erst vor fünf Jahren vier neue Masken beim Sondernauer Holzschnitzer Günther Eyring in Auftrag gegeben – und vier neue Kostüme.
Ein Beleg, dass die Maskentradition in und um die Marktgemeinde Oberelsbach lebt – und vielleicht lebendiger ist, als je zuvor. Ein Bild davon kann man sich an diesem Wochenende bei der fünften Rhöner Maskenfastnacht in Oberelsbach machen, wenn Fosenöchter, Jüde und Schlappmaul, Hexen, Span- und Strohmänner durch die Straßen stampfen, springen und scheppern. Wehe dem, der sich nicht in Sicherheit bringt . . .
5. Rhöner Maskenfastnacht: Los geht es am Sonntag, 17. Februar, ab 12.30 Uhr in Oberelsbach. Um 13.30 Uhr zieht der legendäre Maskenumzug durch die Straßen. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm für die Besucher – und die Holzschnitzer zeigen ihre Werke und stehen Rede und Antwort.