Eine Mutter überquert gemeinsam mit ihren Kindern die Haßbergstraße in Eichelsdorf. Eines der Kinder hat einen großen Plüsch-Marienkäfer mit Schaukelstuhlbeinen unter dem Arm. Die Familie kommt aus einem an die Straße angrenzenden Hof, in dem ein großer Verkaufstisch aufgebaut ist. "Heute Flohmarkt" steht unweit auf einem mit Luftballons versehenen Aufsteller. Es ist aber kein gewöhnlicher Flohmarkt, sondern der 1. Eichelsdorfer Dorfflohmarkt, der am Sonntag zahlreiche Menschen in den Hofheimer Stadtteil lockt.
Viele Familien mit Kindern bahnen sich an dem sommerlichen Frühlingstag ihren Weg durch Eichelsdorf. Von Hof zu Hof oder Garageneinfahrt zu Garageneinfahrt, wo die einzelnen Verkaufsstände zu finden sind. "Wir sind ohne bestimmen Grund gekommen, einfach, um mal zu gucken", sagt eine junge Mutter, die mit ihrem Mann und den drei kleinen Töchtern auf dem Dorfflohmarkt unterwegs ist. "Ein Fahrrad für die Kleine haben wir schon gefunden", berichtet der Familienvater.
Buntes Warenangebot auf dem Dorfflohmarkt in Eichelsdorf
Beim Bummel von Verkaufsstand zu Verkaufsstand lässt sich Vieles entdecken: Hier steht eine bemalte Milchkanne, dort sind Bücher und Gemälde aufgereiht, auf Verkaufstischen liegen allerlei Spielsachen und Kleidungsstücke aus. Auch ein ausrangierter Hasenstall steht zum Verkauf bereit. Für den Hunger zwischendurch brät und belegt das Team des Eichelsdorfer Hofladens "Geier" im Minutentakt Burger um Burger. Einige Häuser weiter steigt den Vorbeilaufenden der verführerische Duft von frischem Popcorn in die Nase.
"Wir machen mit, damit die anderen nicht alleine sind", sagt Jürgen Klaus mit einem Augenzwinkern. Zusammen mit seiner Frau Kerstin steht er an diesem Tag unter anderem hinter der Popcorn-Maschine. Es sei wichtig, bei solchen Aktionen im Dorf ein bisschen zusammenzuhalten. Die beiden sind mit dem bisherigen Verlauf des Dorfflohmarkts zufrieden. "Man kann sich mit den Leuten unterhalten, es macht Spaß – und darum geht's", sagt Klaus.
Dorfflohmärkte liegen auch im Landkreis Haßberge im Trend
Ins Leben gerufen und organisiert hat den 1. Eichelsdorfer Dorfflohmarkt Rebecca Wiener, die die Veranstaltung auch für einen guten Zweck nutzte und an ihrem Stand Spenden für ein krebskrankes Mädchen aus dem Umfeld eines Bekannten sammelte. Viele hätten beim Kuchenkauf am Stand aufgerundet oder ihr Getränkepfand nicht zurückgefordert, freut sich die Eichelsdorferin über die Spendenbereitschaft der Besucherinnen und Besucher.
"Ich bin absoluter Flohmarktliebhaber", erzählt sie zum Ursprung der Idee für den Dorfflohmarkt. Was ihr an Flohmärkten besonders gefällt? "Alles", sagt sie und lacht. "Ich stöbere gern und man findet immer etwas, ein schönes Buch oder einen schönen Blumenübertopf." Auch unterhalten könne man sich gut. Da es mehr und mehr Dorfflohmärkte gebe, habe sie sich gedacht: "Warum nicht auch in Eichelsdorf?" Gesagt, getan. Aber ganz so einfach war es dann doch nicht.
Vor zwei Jahren habe sie mit den Planungen begonnen und im Dorf erste Gespräche in Sachen Dorfflohmarkt geführt, berichtet Wiener. Einen Verein, der ihr Vorhaben unterstützte, habe sie dabei nicht gefunden. Aus der Dorfgemeinschaft seien jedoch viele positive Rückmeldungen gekommen. "Sonst hätte ich es auch nicht gemacht", sagt die Eichelsdorferin rückblickend. Rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beteiligten sich am Ende mit Verkaufsständen am Dorfflohmarkt. Neuauflage? Es sei noch nichts Konkretes geplant, aber: "Auf jeden Fall."
Mit der Idee, einen Dorfflohmarkt zu veranstalten, hat Rebecca Wiener einen Trend erfasst. Im Landkreis Haßberge gibt es Dorf- oder auch Hofflohmärkte inzwischen in einigen Orten. Einer der Ersten, wenn nicht sogar der Erste, dürfte dabei der Dorfflohmarkt in Lendershausen gewesen sein. "Ich bin mir sehr sicher, dass wir die Ersten waren", sagt Heike Wegmann-Haubensack, die für die Organisation des Lendershäuser Dorfflohmarkts verantwortlich ist. Dieser fand erstmals im Jahr 2014, also vor knapp zehn Jahren, statt. Veranstalter ist der TSV Lendershausen.
Mädelsflohmarkt ergänzt den Dorfflohmarkt in Lendershausen
Der Dorfflohmarkt sei eine "Verzweiflungsidee" gewesen, "weil wir nicht wussten, wohin mit dem ganzen Krusch", erzählt Wegmann-Haubensack und lacht. Die Resonanz sei "klasse", sowohl seitens der Verkäuferinnen und Verkäufer als auch der Besucherinnen und Besucher des Dorfflohmarkts. In der Dorfmitte, am Kirchplatz, gibt es in Lendershausen indes eigens einen Mädelsflohmarkt, auf dem unter anderem Kleidung und Modeschmuck zu finden sind. Auch Auswärtige dürfen einen Stand anmelden, nur gewerbliche Händlerinnen und Händler sind ausgeschlossen.
So behalte der Dorfflohmarkt seinen Charme, sagt Wegmann-Haubensack. Denn: "Es geht nicht nur ums Verkaufen." Oder wie es mal jemand auf den Punkt gebracht habe: 'Viel verdient haben wir nicht, aber es hat wahnsinnig Spaß gemacht.' Insgesamt gehe es vor allem gemütlich zu, fügt die Organisatorin an. "Zwischen den Ständen ist Platz, es ist nicht alles auf einem Pulk, und Zeit für ein Schwätzchen bleibt auch." Mit einem kulinarischen Angebot vom Weißwurstfrühstück bis zu Kaffee und Kuchen rundet der TSV das Angebot ab. Heuer findet der Dorfflohmarkt am 23. Juli statt.
Dorfflohmärkte bringen viele Menschen und damit Leben in den Ort
In Mechenried hat Yvonne Jakob gemeinsam mit ihrer Nachbarin Yasmin Saal vor zwei Jahren erstmals einen Hofflohmarkt ins Leben gerufen. "Wir hatten viel zu viele Sachen. Die Kinder wachsen da einfach raus", erklärt Jakob. Die Idee für den Hofflohmarkt hätten sie in einer Fernsehsendung aufgeschnappt. Nachdem dieser zunächst zweimal in kleinerem Format stattgefunden hatte, erstreckte er sich jüngst – Ende April – über den ganzen Ort. "Ich fand es sehr schön, dass so viel Leben im Dorf war", freut sich Jakob. Die Resonanz sei gut gewesen und für den Herbst ein neuer Termin angedacht.
"Es geht nicht ums große Geld", sagt Jakob und bringt einen weiteren Aspekt der heutigen Zeit, dem die Dorfflohmärkte Rechnung tragen, ins Spiel – den Umweltgedanken. "Mir liegt am Herzen, dass die Sachen weiterverwendet werden. Sie sind noch gut und sollten nicht im Müll landen", sagt die Mechenriederin. "Wir brauchen sie nicht mehr, aber ein anderer freut sich darüber."
Gebrauchtes kaufen steht ganz im Sinne der Nachhaltigkeit
Diesen Gedanken weiß auch Christina Müsel an den Dorfflohmärkten zu schätzen. Sie kaufe im Sinne der Nachhaltigkeit selbst gerne Gebrauchtes, erklärt sie. Zusammen mit ihrer Mutter Elisabeth Göller und Freundin Bianca Gräb stellte die Aidhäuserin im vergangenen Jahr in ihrem Heimatort zum ersten Mal einen Dorfflohmarkt auf die Beine. Am 9. Juli folgt nun in Kürze die zweite Auflage. Im Dorf hätten viele gleich mitgezogen, berichtet Müsel. Als Verkäuferin oder Verkäufer müsse man nichts ins Auto laden oder früh morgens in der Kälte ausharren. "Einfach Garagentor auf und dann wieder zu."
"Es war wahnsinnig viel los", blickt Müsel auf den ersten Aidhäuser Dorfflohmarkt 2022 zurück. "Wir hatten insgesamt drei Verpflegungsstände, die waren gegen Mittag schon ausverkauft, weil wir nicht mit dem großen Zuspruch gerechnet hatten." In diesem Jahr gebe es doppelt so viele Stände für Essen und Getränke und ein breites Angebot – von Gegrilltem über Calamari und Gyros bis hin zu Fischbrötchen sowie Kaffee, Kuchen und Eis. "Es wird wie ein kleines Streetfood-Festival mit Flohmarkt."
Auf diesem gebe es die typischen Flohmarktwaren. Eine bunte Mischung aus Kleidern, Büchern, Kindersachen und dem ein oder anderen Dachbodenschatz. "Das Schöne an Flohmärkten ist, dass man auch Sachen entdeckt, auf die man so gar nicht gekommen wäre", sagt Müsel. Sie möge auch die Atmosphäre. "Man trifft sich, man unterhält sich und man lernt die Dörfer von einer ganz anderen Seite kennen." Kurz, ein Dorfflohmarkt sei eine wunderbare Gelegenheit für einen Sonntagsausflug.
Neben den Dorfflohmärkten in Aidhausen (9. Juli) und in Lendershausen (23. Juli) findet im Landkreis Haßberge unter anderem auch am 25. Juni im Neubaugebiet in Zeil ein Hofflohmarkt statt.
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