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Euerdorf
Seniorenhaus Euerdorf: Wieso das Modellprojekt "Betreutes Wohnen auf Zeit" längst überfällig ist
2022 schloss die Carl von Heß Sozialstiftung die stationäre Einrichtung wegen Personalmangel. Warum Stiftungsvorstand Marco Schäfer nun auf Kurzzeitpflege setzt.
Im Seniorenhaus in Euerdorf stehen Malerarbeiten an: Im Bild (links) Maler Wolfgang Emmel und Stiftungsvorstand Marco Schäfer (Hammelburg).
Foto: Isolde Krapf | Im Seniorenhaus in Euerdorf stehen Malerarbeiten an: Im Bild (links) Maler Wolfgang Emmel und Stiftungsvorstand Marco Schäfer (Hammelburg).
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:53 Uhr

In der ein Jahr lang leerstehenden stationäre Einrichtung in Euerdorf tut sich wieder was. Draußen stehen ein paar Autos, drinnen ist Stimmengemurmel zu hören. Im Speisesaal des oberen Stockwerks berät Stiftungsvorstand Marco Schäfer gerade mit Maler Wolfgang Emmel aus Untererthal, welcher Farbton an den Wänden eine harmonische Atmosphäre erzeugen würde. Daneben steht sein Stellvertreter Martin Pfeuffer, der Emmel gleich in andere Zimmer mitnehmen wird, die auch gestrichen werden müssen. Und an der Speiseausgabe im Hintergrund räumt die neue Einrichtungsleiterin Julia Ortmann schon mal Geschirr ein.

In ein paar Monaten sollen hier wieder Seniorinnen und Senioren wohnen, allerdings jeweils nur für ein paar Wochen. Die Carl von Heß Sozialstiftung will in Euerdorf in absehbarer Zeit mit einem neuartigen Pflegekonzept starten, nämlich mit einem "Betreuten Wohnen auf Zeit", sagt Schäfer im Gespräch mit dieser Redaktion.

Bundesweiter Versorgungsengpass in Sachen Kurzzeitpflege

Das Seniorenhaus hatte die Carl von Heß Sozialstiftung 2017 von der Philippi’schen Stiftung gepachtet und damals gleich komplett renoviert. Vier Jahre lang bot die stationäre Einrichtung Plätze für 29 Seniorinnen und Senioren an. Doch aufgrund der pandemischen Lage und des damit einhergehenden Personalnotstands habe man das Haus zum 31. Januar 2022 schließen müssen, so Schäfer weiter.

Der Pachtvertrag läuft aber auf 25 Jahre. Also was tun? Schäfer war es, nach eigenen Angaben, wichtig, das Haus möglichst rasch wieder mit Leben zu füllen. "Aber wir wollten nicht zurück zur stationären Versorgung, sondern etwas Neues machen." Kurzzeitpflege sei ihm irgendwann in den Sinn gekommen. 

Die neue Einrichtungsleiterin für das künftige 'Betreute Wohnen auf Zeit' heißt Julia Ortmann.
Foto: Isolde Krapf | Die neue Einrichtungsleiterin für das künftige "Betreute Wohnen auf Zeit" heißt Julia Ortmann.

Denn bundesweit ist diesbezüglich schon länger ein Versorgungsengpass zu beobachten. Auch im Landkreis Bad Kissingen ist, nach Schäfers Angaben, dieses Angebot rückläufig. Kurzzeitpflegeplätze für Personen in häuslicher Pflege sollen bei Urlaub der Pflegeperson, in Krisensituationen oder in einer Übergangszeit nach einem Krankenhaus-Aufenthalt weiterhelfen. Weil es aber kaum welche gibt, fühlen sich die Angehörigen pflegebedürftiger Menschen oft mit der Situation allein gelassen.

Denn da will vielleicht eine Tochter mal ein bisschen Urlaub machen und sucht vorübergehend eine Einrichtung, in der sie ihren älteren Vater oder die Mutter für zwei Wochen gut aufgehoben weiß, gibt Schäfer ein Beispiel. Wenn es dann nirgends einen Platz für Kurzzeitpflege gibt, sei das für diese Frau bitter. Denn wer zu Hause jemanden betreut, muss sich auch mal erholen, weiß Schäfer. "Auf Dauer brennen diese Menschen sonst aus."

Gebäude in Euerdorf für das neue Wohnkonzept geeignet

Der Stiftungsvorstand setzte sich vor einiger Zeit mit seinem Stellvertreter Martin Pfeuffer und Antje Rink von der Koordinationsstelle für Seniorenfragen des Landratsamts zusammen und tüftelte an einem entsprechenden Wohnkonzept. Klar sei von vorneherein gewesen, dass das Gebäude in Euerdorf sich aufgrund der Größe, der Lage und der bereits vorhandenen guten Ausstattung optimal für ein solches "Betreutes Wohnen auf Zeit" eignen würde.

"Im Sommer 2022 stellten wir diese Pläne bei der Regierung von Unterfranken vor", sagt Schäfer. Und das mit Erfolg, denn inzwischen gilt das Projekt Seniorenhaus Euerdorf bei der Regierung und beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als Modellvorhaben. Auf wissenschaftlicher Basis begleitet werden soll es, laut Schäfer, von der evangelischen Hochschule in Nürnberg.

Ins derzeit geschlossene Seniorenhaus in Euerdorf soll bald wieder Leben einziehen. 
Foto: Isolde Krapf | Ins derzeit geschlossene Seniorenhaus in Euerdorf soll bald wieder Leben einziehen. 

Das Konzept sieht vor, dass zehn bis 20 leicht pflegebedürftige Menschen im Rahmen eines ambulanten Betreuungsangebots über einen kürzeren Zeitraum - vielleicht zwei bis drei Wochen - im Haus aufgenommen werden. Gedacht ist dieses Angebot für Pflegebedürftige mit niedrigen Pflegegraden. "Für Menschen mit einer ausgeprägten Demenz ist diese Versorgungsform nicht geeignet", sagt Schäfer.

Die Carl von Heß Sozialstiftung wird ihren Gästen die Ausstattung in den Zimmern stellen. Die Mahlzeiten sind gesichert und es ist geplant, zahlreiche Service-Angebote zu machen, so Schäfer weiter. Eine 24-Stunden-Betreuung wird gewährleistet.

Was die pflegerische Leistung angeht, soll diese von ambulanten Pflegediensten abgedeckt werden, welche die Angehörigen beauftragen. "Im Idealfall bringen Angehörige den Pflegedienst mit, den sie zu Hause haben", sagt Schäfer.

"Das Wohnen hier soll eher Hotelcharakter haben."
Marco Schäfer, Stiftungsvorstand

Jeder oder jede bekommt ein schönes Einzelzimmer, erklärt Schäfer. "Das Wohnen hier soll eher Hotelcharakter haben." Die Menschen, die kommen, dürften sich ruhig ein bisschen wie im Urlaub fühlen.

Peilen die Lage im Seniorenhaus, das demnächst Kurzzeitpflegeplätze anbietet: Stiftungsvorstand Marco Schäfer (rechts) und sein Stellvertreter Martin Pfeuffer.
Foto: Isolde Krapf | Peilen die Lage im Seniorenhaus, das demnächst Kurzzeitpflegeplätze anbietet: Stiftungsvorstand Marco Schäfer (rechts) und sein Stellvertreter Martin Pfeuffer.

Für die Angehörigen bedeutet dies, dass sie auf privater Basis eine Rechnung der Carl von Heß Sozialstiftung bekommen, erklärt Schäfer. Aber sie können bei der Pflegeversicherung/Krankenkasse  Leistungen zur Kurzzeitpflege, beziehungsweise zur Verhinderungspflege, beantragen. Schäfer verschweigt jedoch nicht, dass die Betroffenen auch einen Eigenanteil von etwa 50 Prozent selbst tragen müssen.

Landrat Thomas Bold lobt innovatives Konzept

"Mit diesem neuartigen Konzept schaffen wir im Landkreis ein Angebot, mit dem die pflegebedürftigen Menschen über einen bestimmten Zeitraum hinweg individuell und damit optimal versorgt werden können", so Landrat Thomas Bold in einer Pressemitteilung. Er sei zuversichtlich, dass die Wiedereröffnung des Hauses in Euerdorf "dank des innovativen Konzepts" ein Erfolg wird. Er könne sich gut vorstellen, dass das Projekt bald Nachahmer finden wird, heißt es weiter.

"Wir wollen im zweiten Quartal 2023 in Euerdorf in Betrieb gehen", sagt Stiftungsvorstand Schäfer. Bis dorthin sei allerdings noch viel zu tun. Auch Personal müsse noch eingestellt werden. Gesucht werden Betreuungs- sowie Hauswirtschaftskräfte und Pflegehelferinnen und -helfer. 

Sich jetzt schon für Kurzzeitpflegeplätze im Seniorenhaus zu bewerben, macht jedoch noch keinen Sinn, gibt Schäfer denen mit auf den Weg, die sich für das neue Angebot interessieren. Wenn es soweit ist, wird die Carl von Heß Sozialstiftung dies auch auf ihrer Website bekannt geben. 

Infos demnächst auf einer speziellen Website unter www.seniorenhaus-euerdorf.de sowie allgemein unter  www.vonhess-stiftung.de

 
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