Vor allem Gambacher und Rohrbacher kamen am Montag nach Karlstadt, um sich bei einem "Infomarkt" die Pläne zu den geplanten Stromtrassen Nordwestlink (DC41) und Suedwestlink (DC42) anzuschauen. An beiden Karlstadter Stadtteilen würden die Kabel der Gleichstromleitungen nach dem Vorschlag der Netzbetreiber nahe vorbeilaufen. An die 50 Gambacher hielten zwischendurch vor dem Hotel Mainpromenade Plakate etwa mit der Aufschrift "Gambach – das Biebelrieder Kreuz der Stromtrassen" hoch. Der Neutzenbrunner Klausdieter Schubert fragte sich mit Blick auf die weiteren durch Main-Spessart geplanten Stromtrassen Suedlink und P43 (Fulda-Main-Leitung): "Ist Deutschland so schmal, dass das alles hier durchgehen muss?"
Interessierte konnten sich an mehreren Bildschirmen und Schautafeln von Vertretern des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW über die unterirdischen Stromleitungen informieren lassen. Auch eine Vertreterin von Tennet war anwesend, um über die mit Strommasten geplante Stromautobahn P43 aufzuklären. Die Fulda-Main-Leitung, eine Wechselstromleitung, soll in weiten Teilen parallel zu den gemeinsam zu verlegenden DC41 und DC42 verlaufen.
Gambach als das "Biebelrieder Kreuz der Stromtrassen"
Bei Gambach kommt dabei einiges zusammen. Schon heute laufen dort die mächtige 380-kV-Leitung Aschaffenburg-Bergrheinfeld sowie zwei kleinere Stromleitungen zusammen. Jetzt soll mit P43 eine weitere große 380-kV-Leitung dazukommen, außerdem die insgesamt drei unterirdischen Leitungsstränge von DC41 und DC42. Hinzu kommt ein bestehendes Umspannwerk von Bayernwerk auf Gambacher Gemarkung und womöglich ein neues von Tennet. "Wenn das so kommt, können wir in keiner Richtung erweitern", meinte ein Gambacher.
Rohrbacher waren durch den Vorschlag der Übertragungsnetzbetreiber, DC41 und DC42 nahe am Ort und am Schweinemastbetrieb Endres vorbeilaufen zu lassen, alarmiert. "Wenn die Leitung so nahe vorbeigeht, kannst du nicht mehr erweitern", sagte Landwirt Gerhard Endres. Es könne nicht sein, dass die Leitung 50 Meter am Hof vorbeigehe, wenn sie genauso gut ein paar hundert Meter südlicher die ICE-Trasse unterqueren könne. Dann wäre der Ort auch nicht so betroffen. Wenn sie aber wie vorgeschlagen käme, wäre im Dorf Richtung Süden, wo gerade ein neues Baugebiet entsteht, kein weiteres mehr möglich, so Endres.
Hombach: "Rohrbach ist zu lösen"
Chris Göpfert, Bürgerreferent bei TransnetBW, und seine Kolleginnen und Kollegen konnten viele beruhigen. "Das, was Sie sehen, ist ein erster Diskussionsaufschlag", so Göpfert. Den Vorschlag, die Trasse bei Rohrbach südlicher verlaufen zu lassen, würden sie prüfen. Und es gebe ja noch die Alternative südlich von Karlstadt.
Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach meinte: "Rohrbach ist zu lösen." Er mache sich mehr Gedanken um Gambach, das von der östlich und südlich an Karlstadt vorbeiführenden Alternative wohl stärker betroffen wäre. Hombach konnte am Montag noch nicht sagen, welche Variante die Stadt favorisiere. Das Bauausschuss soll dazu demnächst eine Stellungnahme beschließen.
Übertragungsetzbetreiber konnten mit Falschinformationen aufräumen
Die Vertreterinnen und Vertreter der Netzbetreiber konnten mit einigen Falschinformationen aufräumen. Gambacher hatten Simulationen dabei, dass die P43-Strommasten angeblich teils 30 Meter höher würden als die der schon bestehenden 380-kV-Stromtrasse. Ihnen wurde versichert, dass die neuen so hoch würden wie die bestehenden – etwa 60 Meter. Die magnetische Strahlung auf dem Streifen über den unterirdischen Leitungen sei "sehr, sehr niedrig", niedriger als bei einem Handy, so Bürgerreferent Göpfert.
Ein aufgeregter Landwirt aus Eußenheim sagte: "Ich bin Landwirt und muss für die Städter Flächen zur Verfügung stellen. Was soll ich denn noch alles für die Gesellschaft leisten?" Er ging offensichtlich davon aus, dass er Flächen kostenfrei zur Verfügung stellen müsse, obwohl eine Entschädigung vorgesehen sei.
Höchstspannungsleitung Aschaffenburg-Bergrheinfeld muss bei Gambach etwas versetzt werden
Und was mit der Temperatur der Leitung sei, die sich auf 50 bis 60 Grad erwärmen könne? Die Wärme betreffe nur die Leitung selbst, so Karl Wieland. Der Agraringenieur in Diensten von TransnetBW betreibt bei Güntersleben ein Versuchsfeld für Erdkabel. Zwar muss für DC41 und DC42 später ein Schutzstreifen von 38 Metern freigehalten werden, aber da könne Ackerbau betrieben werden, so Wieland. Mindestens 1,3 Meter Boden soll die Leitungen überdecken. Werde für die Leitungen Wald abgeholzt, müsse irgendwo auf Grünland oder Ackerflächen neuer gepflanzt werden.
Die Gambacher erfuhren am Montag auch etwas Neues: Weil die Freileitung P43 oberhalb des Ortes auf die Leitung Aschaffenburg-Bergrheinfeld treffen soll, müsse die bestehende Höchstspannungsleitung dort bis etwa Eußenheim etwas nach Süden versetzt werden. Anschließend sollen die beiden Leitungen parallel bis Bergrheinfeld verlaufen. Die Inbetriebnahme von P43 ist für 2031 vorgesehen.
Die zweite Informationsveranstaltung zu DC41 und DC42 im Landkreis findet an diesem Mittwoch, 21. Februar, von 15 bis 20 Uhr in der Egerbachhalle in Birkenfeld statt. Unter stromnetzdc.com (unten unter dem Punkt "WebGIS") kann sich jeder den Entwurf des Leitungsverlaufs anschauen.