Interessante Eindrücke, aber wenig gänzlich neue Erkenntnisse dürften die rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer beim "Heißen Stuhl" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Bayerischen Hof in Bad Kissingen gesammelt haben. In dem Veranstaltungsformat, das der DGB in Bad Kissingen erstmals zur Landtagswahl 2013 angeboten hatte, stellten sich fünf der aktuell neun Direktkandidaten für die Landtagswahl 2023 den Fragen der Moderatoren sowie des Publikums.
Eingeladen werden zu solchen Diskussionsrunden üblicherweise nur die Anwärterinnen und Anwärter der im Parlament vertretenen Parteien. Diesmal allerdings mit einer Ausnahme, denn wie der DGB-Kreisvorsitzende Bad Kissingen/Rhön-Grabfeld, Gerhard Klamet formulierte: "Man lädt ja niemanden ein, der einen abschaffen will", sagte er mit Bezug auf die AfD, die vom DGB bundesweit abgelehnt werde.
DGB-Veranstaltung teilweise ein Heimspiel für SPD-Kandidat René van Eckert
Somit beschränkte sich die Gruppe der anwesenden Kandidaten für den Stimmkreis 603 Bad Kissingen auf Mark Decker (Bündnis 90/Die Grünen), René van Eckert (SPD), Max Hümmer (FDP), Sandro Kirchner (CSU) und Matthias Kleren (Freie Wähler). In ausgeloster Reihenfolge wurden sie zunächst für je zwölf Minuten von den Moderatoren Frank Firsching (Regionsvorsitzender DGB Unterfranken) und Benedikt Borst (Journalist) befragt, anschließend bot sich jeweils zehn Minuten Raum für Fragen aus dem Publikum.
Firsching stellte in den Interviews freilich die DGB-typischen Themen rund um Arbeit und faire Löhne in den Mittelpunkt. Immer wieder im Fokus: Die Frage nach einem bayerischen Tariftreuegesetz, nach dem der Freistaat öffentliche Aufträge bevorzugt an Unternehmen vergeben müsste, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Der DGB fordert ein solches "Faire-Löhne-Gesetz", FDP und CSU lehnen es ab, die Freien Wähler, Grünen und SPD sprechen sich dafür aus.
Überhaupt hatte SPD-Kandidat van Eckert bei den Fragen aus den Reihen des Gewerkschaftsbundes gewissermaßen ein Heimspiel. "Sie rennen bei mir doch offene Türen ein", sagte der 36-jährige Sozialdemokrat hinsichtlich des Themenfeldes, seit jeher Schwerpunkt der SPD.
Landtagskandidaten bleiben meist den Wahlprogrammen ihrer Parteien
Benedikt Borst deckte mit seinen Fragen an die Kandidaten weitere Themenbereiche ab, zum Beispiel wie die Energieversorgung künftig aussehen soll oder wie genau die von allen Parteien befürwortete Stärkung des ländlichen Raumes konkret umgesetzt werden könnte. Die großen neuen Erkenntnisse blieben dabei aus. Letztlich blieben die Befragten meist bei den Programmen ihrer jeweiligen Partei, allzu viel persönliche Meinungen - sollten sie denn abweichen - schienen nicht durchzuschimmern.
Kernkraft? Ja, für den Übergang, findet Hümmer - in Verbindung mit einem Ausbau der Windkraft. Die will Decker naturgemäß auch stärken, gleichermaßen aber mehr Schutzflächen ausweisen. "Wir brauchen mehr unberührte Wälder, das muss Hand in Hand gehen", so Decker. Ein Zwiespalt, den er sich etwas schwer tat, dem Publikum vorstellbar zu machen.
Mehr noch kam Kleren hie und da ins Schwimmen, als es um die Positionen seiner Freien Wähler ging. Erbschaftsteuer abschaffen? "Ja, die Partei will das." Um nach einem Rechenbeispiel Firschings zurückzurudern: "Ich persönlich bräuchte die Abschaffung nicht." Auch einen konkreten Vorschlag, wie notwendige Investitionen bei Steuersenkungen gegenfinanziert werden könnten, bleib Kleren schuldig.
Innenstaatssekretär Sandro Kirchner verteidigt die Regierungsarbeit seiner CSU
Die Auslosung der Interview-Reihenfolge hatte ergeben, dass Sandro Kirchner nach viel Opposition zum Abschluss die Regierungsarbeit seiner CSU verteidigen durfte. Seine Partei tue sehr viel " für den kleinen Mann". Warum es kein Tariftreuegesetz brauche? "Wir brauchen mehr Tarifverträge, aber auch Luft zum Atmen und keine zusätzliche Bürokratie", so der Innenstaatssekretär.
Ob nicht auch für Rentnerinnen und Rentner, wie in anderen Bundesländern, ein 29-Euro-Ticket darstellbar wäre, wollte ein Zuhörer wissen. "Ich kann nur ausgeben, was ich habe. Und ob es dafür reicht, weiß ich nicht", verwies Kirchner darauf, eine "seriöse Antwort" geben zu wollen - ein Wink an Hümmer, der auf die gleiche Frage zuvor geantwortet hatte, sich auf jeden Fall für ein solches Ticket stark machen zu wollen.
Überhaupt gab es aus dem regen, aber meist sachlichen Publikum etliche Nachfragen, vor allem bezüglich fairer Renten und Altersarmut - auch wenn bei diesen Themen hie und da Emotionen aufkamen. Eine Rentenreform müsse diskutiert werden, fand Kirchner. Die SPD sei längst an einer solchen dran, so van Eckert. Die Reform werde kommen, meinte Hümmer.
Allerdings wäre der Faktencheck in erster Linie bei SPD-Kandidat van Eckert angebracht gewesen, der meinte, bei der Gewerkschaft ein Heimspiel zu haben. Verbal versuchte er oft mit Aussagen zu glänzen, die aber deutlich nicht belastbar und teilweise sogar vollkommen falsch waren. Keiner außer er versuchte die andere Partei zu beschädigen. Zudem bemängelte er z.B. schlechte Löhne ohne selbst zu wissen was bestimmte Berufsgruppen (Pflegekräfte) verdienen. Wenn man sogar das eigene Wahlprogramm nicht zu kennen scheint (Hier stellte ihn sogar Herr Firsching) schafft kein Vertrauen in sich und in die Wähler.
In den Nachhause Gesprächen attestierten Besucher jedenfalls 4 Kandidaten gesehen zu haben, die sich abmühten und teilweise in Fragmenten nach Antworten suchten und einen Sandro Kirchner, der umfassend souverän und ausführlich zu allen Fragen belastbare Antworten liefern konnte.