Sportjournalisten verlassen in Bildern und Worten gerne ihre Arena. Sie tun es in der Hoffnung, dass ihnen ihre Leserschaft folgt. Ich bemühe mich stets darum. Dem Leser H.B. danke ich, weil er mich dazu auf einen aufschlussreichen Beitrag aus der Zeitung vom 6. April hinweist.
Herrn B. stört alleine die Überschrift: „Ein österliches Schlachtfest bei den Baskets“. Die sei „übelste Verunglimpfung“ eines christlichen Hochfestes. Seine Bitte um mehr Anstand im Umgang mit Religiösem habe ich mit einem Ausdruck des Verständnisses an die Sportredaktion weitergegeben, selbst habe ich aber weitergelesen.
"Schiefgelaufen, was schieflaufen kann"
Die „Baskets“ in der Schlagzeile, das sei vorausgeschickt, vermeiden Missverständnisse. Denn es ist wirklich jederzeit von Basketball die Rede, der - wie die Unterzeile erkennen lässt - hier zudem als Niederlage in die Geschichte eingeht.
Seine Geschichte beginnt der Autor mit einem „sonnigen und sicher auch fröhlich-herzerwärmenden Nachmittag“, „was für den Basketball dumm“ sei, weil in einer „im Grunde fensterlosen und deshalb künstlich erhellten Halle gespielt“ werde. Für Würzburger Fans soll alles „eher frustrierend depressionsfördernd“ gewesen sein. Das soll auch an einem „brunnentiefen Außenseiter“ gelegen haben, dem gegen einen „wolkenkratzerhohen Favoriten <...> ziemlich alles schiefgelaufen ist, was schieflaufen kann“.
"Gruß aus der Oldenburger Küche"
Nach Passagen aus einem Basketballspiel weicht überraschend das Bild vom „Schlachtfest“ der Vorstellung irgendwelcher Köstlichkeiten mit „Amuse Gueule als kleinen den Gaumen kitzelnden Gruß aus der Oldenburger Küche, samt reichlich üppigem Menü“. Danach wird die Leserschaft zu einem „bestimmten Örtchen“ geführt. Im Vorbeigehen darf sie am „Katakomben-Schlauch“ der „österlichen Halbzeitpredigt“ eines Trainers gewahr werden, die „bei Gott auch in der Wortwahl nicht viel mit dem wenige Stunden zuvor anderswo ertönten ‚Urbi et orbi’ zu tun hatte.“
Diesem päpstlichen Dunking folgt gleichsam ein Dreipunkte-Wurf des Autors auf einen philosophisch hoch hängenden Korb vom „wirklichen Leben“ mit „Predigten und Segen und Verheißungen“. Den Ball lässt er noch auf einem Ring mit „Verkündung der Lottozahlen“ tanzen, für die es „niemals eine Gewähr“ gibt, so wenig wie für „Hoffen und Beten; weder auf Gewinn oder Linderung noch auf Besserung oder womöglich sogar Heilung“. Das musste ja schlimm enden. So stürzt Ball auf den künstlich erhellten Boden mit „sportlicher Apokalypse“ und „brutaler Hinrichtung“ am Ostersonntag.
Der "hohe Basketball-IQ"
Ob sich die angesprochenen „Anhänger von kreativem Spektakel-Basketball" diesen Bericht "auf der Zunge zergehen lassen“, sei dahingestellt. Aber ihnen bleibt ja das „Schlachtfest“ eines „Osterlamms“, für das leider die Baskets aus Würzburg herhalten müssen.
Wenn ich lese, dass es nicht einfach ist, so ein Spiel in Worte zu packen, verstehe ich es im vorliegenden Fall sofort. Und den Autor, dessen Fantasie ich schätze und dessen Beiträge ich gewöhnlich gerne lese, bitte ich, mir zu verzeihen: Doch für seinen Artikel gilt ebenfalls das „vogelwilde Hin und Her“, dass er in der Basketball-Begegnung gesehen hat. Aber womöglich fehlt mir ja der "testamentarisch" angesprochene „sehr hohe Basketball-IQ“.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute
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