
Es war so ein sonniger und deshalb draußen oder zu Hause hinter der Fensterscheibe sicher auch fröhlich-herzerwärmender Nachmittag - dumm halt, dass Basketball in einer im Grunde fensterlosen und deshalb künstlich erleuchteten Halle gespielt wird. Weshalb dieser Ostersonntag bestimmt alles war für Bundesligist s.Oliver Würzburg und seinem Anhang – aber bestimmt nicht fröhlich-herzerwärmend. Eher frustrierend-depressionsfördernd. Das Herz eines neutralen Beobachters erwärmten allenfalls die Gäste der EWE Baskets Oldenburg mit ihrem zumindest phasenweise famos-kreativen Offensivspiel und ihrer beeindruckend konsequenten Verteidigung.
Auch, wenn für die gastgebenden Baskets so ziemlich alles schiefgelaufen ist, was in so einem Spiel zwischen einem brunnentiefen Außenseiter gegen einen wolkenkratzerhohen Favoriten schieflaufen kann, dürfen vor allem zwei Szenen sinnbildlich stehen für das komplette Desaster, das mit einem 66:116 (32:48) in der höchsten Bundesliga-Niederlage der Würzburger mündete (das war bis Sonntagnachmittag eine 54:95-Klatsche am 8. Mai 2016 in Bamberg).
Szene eins: Es steht 19:21. Noch gut 24 Sekunden bis zum Ende des ersten Viertels. Die Baskets haben also nominell den letzten Angriff und die Chance zum Ausgleich, oder sogar in Führung zu gehen. Acht Sekunden vor Ertönen der Viertelsirene begeht Perry Jones ein Offensivfoul. Oldenburg nutzt die verbleibende Zeit und erhöht dank Sebastian Herreras ersten drei Punkten auf 24:19. Also fünf Punkte Rückstand statt Ausgleich. Aber soweit ja alles noch halbwegs im grünen, jedenfalls erwartbaren und nicht gänzlich hoffnungslosen Bereich.

Szene zwei: Es steht bereits 32:48. Noch gut 70 Sekunden bis zum Ende des zweiten Viertels. Die Baskets werfen von unter dem Oldenburger Korb ein. Es zieht sich, weil Cameron Hunt keinen halbwegs freien und deshalb anspielbaren Mitspieler findet. Kurz vor Ablauf seiner fünf Sekunden, die er Zeit hat, um die Kugel ins Feld zu bringen, schmeißt er sie hoch in Richtung eigene Hälfte. Man kann der Flugbahn nach zu urteilen allenfalls erahnen, dass er Alex King anspielen will. Rückpass. Ballbesitz Oldenburg. Dass die Gäste anschließend ihre komfortable Führung nicht weiter ausbauen, liegt nur daran, dass die letzte Minute dieses Abschnitts ein reichlich vogelwildes Hin und Her ist, in dem beide Mannschaften sich in puncto Hektik und Aktionismus offenbar überbieten wollen.
Zwischen diesen beiden Szenen lag neben zwei Auszeiten, die Baskets-Trainer Denis Wucherer nahm, ein 17:2-Lauf der Oldenburger zum 41:25. Mit 16 Punkten Vorsprung gingen sie dann auch in die Pause. Nicht schön und auch nicht sonderlich überraschend aus Sicht der Baskets. Aber letztlich war dies nur das Amuse Gueule, also der kleine, den Gaumen kitzelnde Gruß aus der Oldenburger Küche, die ein reichlich üppiges Menü vorbereitet hatte.
Bewegte man sich in der Halbzeit im Bauch der Halle in Richtung eines bestimmten Örtchens, ehe man noch ein paar Sonnenstrahlen einfangen wollte, konnte man sich durchaus über diese Stimme im menschenleeren Foyer wundern. Inzwischen ist die Kabine der Baskets eine der ersten Räume in dem langen Katakomben-Schlauch der Arena: Denis Wucherers österliche Halbzeitpredigt darf man ungestraft als recht eindringlich und deutlich hörbar einstufen – und hatte, bei Gott!, auch in der Wortwahl nicht viel mit dem wenige Stunden zuvor anderswo ertönten "Urbi et orbi" zu tun.
Aber wie das eben so ist im wirklichen Leben mit Predigten und Segen und Verheißungen. Im Grunde ist es ja fast wie bei der Verkündung der Lottozahlen: Selbst wenn man noch so fest daran glaubt und darauf hofft und dafür betet – es gibt niemals eine Gewähr. Weder für Gewinn oder Linderung noch für Besserung oder womöglich sogar für Heilung. In diesem speziellen Fall am Ostersonntag freilich verkehrte die Realität das Erwünschte dann in . . . ? Tja, was? Eine Art von sportlicher Apokalypse, womöglich? Vielleicht ein wenig übertrieben! Jedenfalls entwickelte sich die Begegnung zu einer Form der Hinrichtung, die derart brutal nicht regelmäßig zu sehen ist.
Freunden spannender Sport-Unterhaltung konnte das Folgende zwar zweifellos gar nicht schmecken – Anhängern kreativen Spektakel-Basketballs durfte das freilich auf der Zunge zergehen. Im dritten Viertel gelang es den Oldenburgern, ihre Halbzeitführung mehr als zu verdoppeln. Aus einem 16-Punkte-Vorsprung wurde einer mit 34 (78:44). Und der Schlussabschnitt wurde dann zu einem richtigen Schlachtfest – mit den Baskets als Osterlamm.
Natürlich ist es nicht die Regel, dass eine Mannschaft von ihren insgesamt 20 erfolgreichen Dreiern in den letzten zehn Minuten zehn trifft, wie die Oldenburger es taten. Und damit allein im letzten Viertel zwei mehr als die Baskets im ganzen Spiel. Wobei in dieser Zeit besonders der soeben erst aus Polen nachverpflichtete Tomislav Gabric das Herz aller Oldenburger Anhänger und aller Freunde präziser Fernwürfe erwärmte: Der Kroate traf alle seine sechs Dreier (bei acht Versuchen) und alle seine letztlich 20 Zähler im Schlussabschnitt. Gabric war es auch, der die Führung erstmals auf 50 Punkte Unterschied stellte, es wurden dann zwischenzeitlich sogar mal 56 (114:58).

Durch den 95:94-Überraschungssieg von Gießen gegen München (das nach dem Einzug in die Euroleague-Play-offs am Freitag zahlreiche Stammkräfte und sogar seinen Trainer schonte, die nicht nach Hessen reisten) ist der Vorsprung der Baskets auf einen Abstiegsplatz auf drei Siege geschrumpft. Kein Grund zur Panik noch, klar. Aber wer weiß, was so ein Coup womöglich bewirkt bei Kellerkindern? Mit dem Blick auf den Rest-Dienstplan dieser Runde wird es jetzt jedenfalls ernster für die Baskets im Kampf um den Klassenerhalt. Ausruhen auf acht Siegen ist nicht.
In diesem Beitrag wurde noch keine einzige Bewertung eines Beteiligten erwähnt. Das hat seinen Grund. Es ist nicht einfach, so ein Spiel in Worte zu packen. Im Grunde hätte man nach der Paarung und dem Ergebnis und der Tabelle auch nur diese zwei Sätze von Denis Wucherer veröffentlichen und sich so viele Worte sparen können, um das Geschehene beinahe schon testamentarisch festzuhalten, weil damit alles gesagt ist: "Wir haben heute ein Team gesehen, das einen sehr hohen Basketball-IQ hat, das passen und werfen kann, und das dazu auch noch mit Intensität in der Verteidigung agiert. Und uns."