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LESERANWALT
Leseranwalt: Wenn die Zeitung zeigt, was Kindern verboten wird
Eine Leserin kritisiert die Bebilderung zu einer Krimi-Komödie. Die Kritik  veranlasst zu Überlegungen über mögliche Wirkungen eines Szenenfotos mit aufgesetzter Pistole.
In Nürnberg erbauten Kinder bei einem Aktionstag 2019 eine Skulptur aus rund 1000 Spielzeugwaffen aus aller Welt.  Sie soll ein symbolischer Beitrag von Kindern für den Frieden in der Welt sein. 
Foto: ArchivTimm Schamberger, dpa | In Nürnberg erbauten Kinder bei einem Aktionstag 2019 eine Skulptur aus rund 1000 Spielzeugwaffen aus aller Welt.  Sie soll ein symbolischer Beitrag von Kindern für den Frieden in der Welt sein. 
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 19.01.2024 18:00 Uhr

Grimmig blickt der Mann, der einem anderen eine Pistole an den Kopf hält, den Finger am Abzug. Gegen solche Fotos in der Zeitung sei sie grundsätzlich, schreibt mir Frau T. B.. Damit kritisiert sie ein groß präsentiertes Szenenbild aus einer Krimikomödie, das am 10. Oktober digital und im Würzburger Lokalteil der gedruckten Ausgabe der Main-Post erschienen ist. 

Täglich wird über Gewalt und Mord berichtet

Die Kritik der Frau lässt sich verstehen und das umso mehr in Zeiten, in denen täglich über Gewalt und Mord nicht alleine aus Kriegs- und Krisenregionen berichtet wird. Denn auch hierzulande schockieren Straftaten an Leib und Leben. Schlimme Bilder sind schon genug auszuhalten. So steht Frau T.B. mit ihrer Ablehnung gewiss nicht ganz alleine.

Bedenken wegen Verharmlosung oder Nachahmung dieses von Schauspielern dargestellten Umgangs mit einer Pistole, die gewiss nicht echt ist, lassen sich ebenfalls nicht ganz ausschließen. Kindern verbietet man solche Spielereien mit Waffen. Auch als Spielzeug dürfen sie nicht gegen Menschen oder Tiere gerichtet werden.

In diesem Zusammenhang verdient das Spielzeugmuseum in Nürnberg eine Erwähnung. Sammelt es doch Waffen von Kindern aus aller Welt als Beitrag zum Frieden. Daraus entstand 2019 eine Skulptur des Friedens (Idee des Künstlers Johannes Volkmann). Selbst große Tech-Plattformen ersetzen in ihren Emojis echte Waffen durch Spielzeugpistolen. Doch zurück zu unserem Krimi-Foto: Sollte die Redaktion eine Illustration verbreiten, die zeigt, wie eine Pistole auf einen anderen Menschen angesetzt wird?

Redaktion: "Deutliche Überzeichnung wahrzunehmen"

Das Bild soll hier gewiss nicht negativ überzeichnet werden. Denn nachvollziehbar ist die Veröffentlichung wohl. So antwortet die zuständige Redaktion: Es handle sich doch nur um eine Krimikomödie, Titel "Achtsam morden". Der ist dieses Szenenbild entnommen. Auch wer den gleichnamigen Roman (erschienen 2019) gelesen hat, kennt die Satire mit ihrer fiktiven Handlung. Die Redaktion erklärt: "Das Foto ist in seiner Überzeichnung auch deutlich als künstlich bzw. satirisch wahrzunehmen".

Frau T.B. gegenüber bekenne ich zum Bild ohnehin, was zu Leserbeschwerden oft zu sagen wäre: Man kann sich dafür entscheiden, aber man hätte es ebenso weglassen können. Beides ist möglich. Für und Wider dazu wurden schon genannt, andere Gedanken und Diskussionen sind aber ebenfalls möglich und vielleicht förderlich.

Risiko: Das Leid von Opfern oder Hinterbliebenen realer Fälle könnte verstärkt werden

Mir fällt als Leseranwalt zu dieser Bildveröffentlichung folgendes ein, weil ich mit schlimmen Nachrichten alt (74) geworden bin, nicht aber abgebrüht. Letzteres unterstelle ich keinem anderen Journalisten. Doch auf das beschriebene Bild hätte ich verzichtet und damit das Risiko vermieden, dass es das Leid von Opfern und Hinterbliebenen realer Fälle verstärkt. Denn nahe gerückt sind uns auch hier zuletzt erschreckende Taten mit tödlichem Ausgang. Etwa der Tod des 14-Jährigen, er in Lohr mit einer Pistole erschossen wurde. 

Der Unterschied zwischen Komödie und Zeitung

Damit kein Missverständnis entsteht. Er gibt einen Unterschied zum Theater. Die empathischen Gedanken zum Zeitungsbild erwarte ich nicht für die Inszenierung der Krimi-Komödie. Vor deren Publikum erscheint eine Szene, die schnell wieder verschwindet, bevor die nächste folgt. In der Zeitung bleibt das für ein Massenpublikum gedruckte Foto stehen und wirkt weiter. Von alleine verschwindet es jedenfalls nicht.

Die Achtsamkeit aus dem Titel der Komödie aber, die hätte durchaus auch die Redaktion erreichen können. Das war wohl nicht der Fall. Denn sonst wäre zwischen den belastenden Nachrichten dieser Tage, die sich sogar  negativ auf ihr Gehirn auswirken könnten, ein anderes, eventuell wirklich heiteres Bild erschienen.

Damit erklärt sich, warum ich jenes Foto hier zu diesem Text nicht ein weiteres Mal nutze.

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Ergänzende Leseranwalt-Kolumnen zu Fotos

2009: "Die Abbildungen von betroffenen Menschen verletzen Persönlichkeitsrechte"

2012: "Ist eine Karikatur nach dem Amoklauf von Newtown ein Zeichen für Verrohung"

2021: "Ein veröffentlichtes Foto mit Schönheitsfehler"

2022: "Die Herausforderung, das Grauen zu illustrieren, ohne Fotos von toten Kindern zeigen zu müssen"

2022: "Schnappen Sie sich eine Zeitung und vermitteln Sie auch schlechte Nachrichten verträglich"

2022: "Plädoyer für menschliche Kostbarkeiten zwischen unerfreulichem Inhalt"

 
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