Um Inzidenzzahlen muss sich Christian Federolf-Kreppel, Leiter des Theaters der Stadt Schweinfurt, in nächster Zeit nicht mehr kümmern. Jedenfalls nicht beruflich: Das Theater mit seinen 750 Plätzen, lockdown-bedingt seit November geschlossen, soll erst im Oktober 2024 wieder öffnen. Jahre also, nachdem – hoffentlich – die Corona-Pandemie bewältigt ist. Der Grund: Das 1966 eröffnete Theater muss generalsaniert werden. Ursprünglich sollte die kommende Saison noch stattfinden, möglicherweise verkürzt, doch angesichts der Unklarheit, wann überhaupt wieder gespielt werden kann, beschloss die Stadt, die Sanierung vorzuziehen.
Die Mängel sind seit Jahren bekannt. Es geht um drei Bereiche: Dach, Haus- und Bühnentechnik. Brandschutz und Schadstoffe spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Betriebsgenehmigung habe deshalb überhaupt nur bis Februar 2022 vorbehaltlich einer Sanierung Bestand gehabt, sagt Federolf-Kreppel. "Wir haben nichts verschlafen, wir sind seit 2016 dran."
Die Kosten sind mit 42 Millionen Euro veranschlagt
Noch 2017 war erwogen worden, den Spielbetrieb teilweise aufrechtzuerhalten. Inzwischen ist nach eingehenden Untersuchungen klar: Es ist an so vielen Stellen so viel zu tun, dass eine Schließung unausweichlich ist. Schweinfurt ist kein Einzelfall, siehe Würzburg mit dem gleichaltrigen Mainfranken Theater, das derzeit um- und ausgebaut wird. "Von zehn Häusern sind acht sanierungsbedürftig, aber nur zwei wissen es", zitiert Federolf-Kreppel Wesko Rohde, den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft.
Die Kosten sind mit 42 Millionen Euro veranschlagt, die Stadt rechnet damit, dass der Freistaat 75 Prozent der förderfähigen Kosten übernimmt. Schon eine erste Schätzung von 38 Millionen Euro hatte im Stadtrat für Kontroversen gesorgt. Der Theaterleiter wird seither nicht müde zu versichern, es sei keineswegs eine "Luxussanierung" geplant. Und er verweist auf andere Häuser: So haben sich die Kosten der Generalsanierung des Landestheaters Coburg inzwischen verdreichfacht. Aktuelle Schätzung: 190 Millionen Euro. Die des Festspielhauses Bayreuth wird wohl 170 Millionen kosten.
Ein zweigeschossiger unterirdischer Anbau schafft weitere Räume
Größere Arbeiten hatten im Theater Schweinfurt zuletzt 2001 stattgefunden – der vordere Teil mit Foyer wurde vom reichlich verwendeten krebserregenden Baustoff Asbest befreit, die Toiletten erneuert, der Zuschauerraum bekam neue Sitze, ein Besucher-Aufzug wurde eingebaut. Um eine "Generalsanierung", wie damals oft gesagt wurde, handelte es sich allerdings nicht.
Jetzt ist also das Dach fällig: Die Kupferhaut ist undicht, die gerade mal sechs Zentimeter starke Isolierschicht (künftig werden es 20 Zentimeter sein) aus Kork verrottet. Darunter liegt übrigens gleich die Betondecke, die die Zuschauer von unten sehen. Heizung und Lüftung sind ein Thema. Überall im Haus müssen die Wände aufgeschlagen und alle Leitungen – Wasser wie Strom – ersetzt werden. In der Pressemitteilung ist vom "Rückbau des Theaters in den Urzustand" die Rede. Die Bühne bekommt elektrische Züge – bislang werden sie mit Muskelkraft bewegt, was nicht mehr zulässig ist. Ein unterirdischer, zweigeschossiger Anbau mit etwa 400 Quadratmetern Grundfläche soll außerdem die Raumsituation entspannen.
Das Haus muss komplett leergeräumt werden
Den Sanierern kommt, wenn man so will, die Pandemie entgehen. So hätte man für das Ausräumen des Hauses eine Fremdfirma beauftragen müssen. Das wird jetzt mit Bordmitteln erledigt. Es muss alles eingelagert werden, vom Sofa im Foyer über Zuschauersitze, Scheinwerfer bis zu den höchst empfindlichen Kristallglas-Lampen, gestaltet einst von Trude Schelling-Karrer, Ehefrau und Mitarbeiterin des Architekten Erich Schelling. Alles muss vermessen, gewogen und nach Stapelbarkeit klassifiziert werden. Ein Lager mit mindestens 1000 Quadratmetern wird noch gesucht.
Die lange Schließung stößt auch auf Kritik bei Künstlern und Publikum. Der Schauspieler Udo Samel ließ sich mit den Worten zitieren, "man darf es nicht vier Jahre lang geschlossen halten. Das ist ein Verbrechen". Die Abonnenten waren per Brief informiert worden. Nicht alle zeigen Verständnis, manche kritisieren den nüchternen Stil des Schreibens. In einem Leserbrief etwa heißt es, man habe im vergangenen Jahr einen Teil der Abonnementgebühren gespendet: "Wir taten das gern, sehen jetzt aber keine Veranlassung, unsere Guthaben auf eine vage Zukunft stehen zu lassen. Wer weiß, was in vier Jahren von unserer Begeisterung noch übrig ist."
Allein der Bauantrag umfasst 33 Ordner
Christian Federolf-Kreppel verweist auf Umfang, Komplexität und Dringlichkeit des Projekts. Die Zeit werde schlicht gebraucht. "Die Unterlagen für die Generalsanierung umfassen inzwischen über 60 Ordner, 33 allein für den Bauantrag, der kurz vor der Genehmigung steht. Und für die Förderanträge mussten 390 Einzelpläne eingereicht werden."
Außerdem werde es ein Ersatzprogramm an anderen Orten der Stadt geben, etwa in der Stadthalle oder im Evangelischen Gemeindehaus, um möglichst viele der knapp 5000 Abonnenten zu halten. Dafür gebe es einen Arbeitskreis, in dem die freie Kulturszene mitwirke. Im Sommer ist ein Auftakt geplant unter dem Motto "Über die Kultur den Menschen ihre Stadt wieder schenken". Adäquat im Sinne von gleichwertig könne das Programm allerdings nicht werden, räumt der Theaterleiter ein: "Münchner Kammerspiele, Tanz oder Bamberger Symphoniker mit Mahler wird es nicht geben."