Das Schweinfurter Theater bleibt nach dem Ende des Lockdowns geschlossen und wird erst wieder öffnen, wenn die Generalsanierung im Frühjahr 2024 abgeschlossen ist. Das hat Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) kürzlich bekannt gegeben und versichert, dass die Verwaltung auf Hochtouren an einem Ersatzprogramm arbeitet, dass die Zeit bis zur Neueröffnung überbrücken soll. Der Bauausschuss hatte die Pläne Anfang Februar zur Kenntnis genommen, die schwarz-grüne Koalition unterstützt das Vorhaben.
Erst im Lauf der Planung für die Generalsanierung, die rund 42 Millionen Euro kosten soll, wurde klar, dass neben den bekannten Themen Dachsanierung, Haus- und Bühnentechnik es bei dem 1966 eröffneten Museum auch ein Problem mit der Schadstoffbelastung in den Wänden und insbesondere dem Brandschutz gibt, der nicht mehr den Anforderungen entspricht. Da wegen der Corona-Pandemie ein regulärer Spielbetrieb im Sommer 2021 nicht zu erwarten ist und die Sanierung im Frühjahr 2022 starten soll, entschloss sich die Verwaltung, das Theater nicht wieder zu öffnen und die Sanierungs-Pläne zu beschleunigen.
Eine Entscheidung, die allerdings bei vielen Abonnenten nicht auf Gegenliebe stößt, wie Reaktionen dieser Redaktion gegenüber zeigen. Auch zahlreiche renommierte Künstler und Schauspieler äußern ihre Solidarität mit dem Publikum und Empörung über die Pläne der Stadtverwaltung.
Harald Johann ist seit den 1970er-Jahren Konzert-Abonnent. Fassungslos sei er über den Brief der Stadt zu den Sanierungsplänen. "Es klang wie eine amtliche Mitteilung am schwarzen Brett, da war keine Seele drin." Dass der Brandschutz plötzlich in den Vordergrund gerückt werde, erstaunt ihn. Vermisst hat er auch einen positiven Ausblick. Kooperationen mit Bad Kissingen oder Bamberg, sollten möglich sein, auch durch ein Busangebot. Johann hat auch bereits über einen Förderkreis "Freunde und Abonnenten des Schweinfurter Theaters" nachgedacht, mit Kunstfreunden darüber diskutiert.
Birgit und Gerhart Seidel sind seit dem Start des heutigen Theaters mit dabei. Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" mit Brigitte Faßbaender zur Eröffnung am 1. Dezember 1966 ist ihnen noch gegenwärtig. Als enge Freunde des Theaters haben sie dank privater Kontakte oft Endproben von Inszenierungen, die von Schweinfurt aus auf Tournee gingen, besucht. Birgit Seidel erinnert sich, im Gespräch mit der Redaktion emotional bewegt, an die Besuche vieler Schauspieler in der Buchhandlung, in der sie früher arbeitete. "Mir bricht das Herz", sagt sie zur aktuellen Entwicklung.
Aus ihrer Sicht werde der Ruf des über die Region hinweg angesehenen Hauses ruiniert. "Wir werden wohl nicht mehr wiederkommen", spielt sie auf ihr Alter und die geplante Wiedereröffnung Ende 2024 an. Verärgert ist sie, dass die Planung der Sanierung so lange dauere. Dass man erst jetzt nach alternativen Spielstätten sucht, verwundert sie, wenngleich sie dafür selbst auch keine Lösung sieht.
Günter Birkle hat das Schweinfurter Theater schon besucht, als noch in der Stadthalle gespielt wurde. Er und seine Frau werden ihr Abo behalten, auch die angestrebten anderen Spielstätten besuchen. "Ich gehe auch mit 83 noch ins Theater", sagt der frühere Schulrat. Er fürchtet jedoch, dass von den rund 6500 Abonnenten viele abspringen werden. Trotz der angespannten Finanzsituation der Stadt, warnt er davor, bei der Sanierung nur zur kleckern. Erstaunt ist er, dass plötzlich der Brandschutz so in den Vordergrund geschoben werde.
Wolfhart Berger und seine Frau Karin nehmen die Schließung "hin, mit leisem Bedauern." Was ihnen zusetzt, sei die lange Zeit bis 2024. Dass es eine Ausweichspielstätte gibt, sieht der Leiter des Evangelischen Posaunenchores nicht, wenngleich er sich an die Zeit vor dem Bau des heutigen Theaters noch gut erinnern kann. Die Sanierung des Würzburger Theaters kommt noch hinzu, so Berger. Dort hat er vor allem Opernaufführungen besucht.
Das Mainfranken Theater Würzburg wird zur Zeit bei laufendem Betrieb saniert. Das spartenübergreifende Programm findet deshalb momentan in der Interimsspielstätte Theaterfabrik Blaue Halle statt: va-Q-tec AG, Alfred-Nobel-Str. 33, 97080 Würzburg. Informationen zum aktuellen Spielplan gibt es unter www.mainfrankentheater.de
Der Schauspieler Udo Samel erklärt sein Bedauern über die Schließung "allen Menschen mit Hunger und Durst nach Kultur." Er wählt drastische Worte: "Zu dieser Krise, wo den Menschen der Verzicht auf gemeinsame Kulturerlebnisse abverlangt wird, noch ein Theater für vier 'weitere' Jahre zu schließen, ist ein purer Akt roher Gewalt." Aus Samels Sicht sei Kultur sehr wohl auch während der Pandemie "systemrelevant". Musik und Theater seien "Lebensmittel für ein würdevolles Leben." Das nicht zu gewährleisten, widerspreche dem Grundgesetz. Die Bürger der Stadt "können stolz sein auf ihr wunderschönes Theater. Es ist ein Edelstein der Architektur. Das muss man pflegen, auch renovieren und die Sicherheit überprüfen. Aber man darf es nicht vier Jahre lang geschlossen halten. Das ist ein Verbrechen."
Auch die aus Film und Fernsehen bekannte Schauspielerin Claudia Rieschel zeigt sich "fassungslos", dass das Theater bis 2024 geschlossen werde. "Sicher, der Erhalt der Bausubstanz, Modernisierungen und die Überprüfung des Brandschutzes sind notwendig, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass man dafür vier Jahre benötigt?" Rieschel hofft, "dass es der Stadtverwaltung in Schweinfurt gelingt, die Sanierungsarbeiten zügig zu organisieren, damit diese kulturlose Zeit nicht über die Maßen ausgedehnt wird und es so bald wie möglich in Ihrem Theater wieder heißen kann: Vorhang auf!"
Der Schauspieler Horst Sachtleben und seine Frau, die Schauspielerin und Regisseurin Pia Hänggi, sind "betroffen und geschockt", vor allem wegen des Zeitraums. "Unmöglich ein Publikum, das Jahrzehnte lang mit der besten Kunst versorgt wurde, nun vier Jahre lang auszuhungern. Schweinfurt war immer ein Maßstab für das Beste vom Besten. Wie gerne sind wir alle gekommen, sei es mit Gastspielen vom Residenztheater, sei’s mit zahlreichen Tourneegastspielen."
Man freute sich auf die gastfreundliche Stadt, das schöne Theater, auf die hervorragende Technik und vor allem auf das fachkundige Publikum: "Von Ihnen gefeiert zu werden war ein Ritterschlag", so Sachtleben, der eine Ersatzspielstätte fordert. Den Bau einer solchen hat die Stadtverwaltung ausgeschlossen, aber zugesichert, dass man Spielstätten wie die Stadthalle, die Kulturhalle in Grafenrheinfeld oder das Konferenzzentrum für das geplante Kultur-Programm nutzen wolle.
Für Seriendarsteller und Regisseur Christian Kohlund sind "Theater, Konzerte, Lesungen Nahrung für Geist und Seele und Inspiration." Er hofft auf eine kostengünstige Lösung, "um den Betrieb in diesem wunderbaren denkmalgeschützten Bau aufrecht zu erhalten." Auch international bekannte Größen wie die Musicaldarstellerin Sona MacDonald meldeten sich zu Wort: "Es ist wichtige kulturelle Bildung und es darf nicht Jahrelang verkümmern! Ein herzlicher liebevoller Appell an die Stadt, ihre bundesweit beachtete Kultur aufrecht zu erhalten und nicht verkümmern zu lassen."
"Ein Theater von diesem Ruf für fast vier Jahre zu schließen, ist ein Drama", erklärt Iordanka Derilova, Sopranistin des Anhaltischen Theaters Dessau, die sich gerne an die vielen besonderen Opern-Abende in Schweinfurt erinnert und das "fantastische, begeisterungsfähige Publikum und ein Theater mit einer perfekten Akustik."
Seit Oktober 1946 sind die Bamberger Symphoniker in Schweinfurt zu Gast und haben dort bereits über 500 Konzerte gegeben. Intendant Marcus Rudolf Axt bedauert die Entscheidung: "Gerne sind wir bereit, in alle Richtungen zu denken: Über Sonderkonzerte in Bamberg nur für das Schweinfurter Publikum ebenso wie über Konzerte an anderen Orten in Schweinfurt. Kirchen, Museen, "lost places" wie alte Industriehallen – alles ist möglich, an kleineren Orten vielleicht nur kammermusikalisch, aber die Musik muss weitergehen. Denkbar wäre sogar eine Art Residenz pro Saison, in der man verschiedene Programme an einem besonderen Ort aufführt, der dafür eigens hergerichtet wird."
Anne Maar, Intendantin des Theaters Schloss Maßbach Unterfränkische Landesbühne, das seit Jahrzehnten mit dem Schweinfurter Theater zussammenarbeitet, kritisiert die Entscheidung, nach dem Lockdown nicht zu öffnen: "Vier Jahre sind ein Zeitraum, der viel zu lange für die Schließung einer solch bedeutenden Spielstätte ist."
Mit beißender Ironie reagiert der Kabarettist Gerhard Polt auf die Nachricht der Schließung. "Eine grundsätzliche Zielsetzung für den Thinktank der verantwortlichen Verwaltung wäre der unbrennbare Zuschauer nebst Schauspieler. Ausgestattet mit nicht brennbaren Schutzanzügen und zum Tragen derselben verpflichtet, würde eine der häufigsten Brandursachen gelöscht. Vorgeschlagen wird außerdem, dass die Theatersaison ihre Inszenierungen als Open Air Veranstaltungen konzipiert und in das Frühjahr und den Sommer verlegt, weil in dieser Zeit am ehesten mit Starkregen zu rechnen ist. Die Vorschläge zielen aber keineswegs darauf ab auf sündhaft teure Umbauten aus Brandschutzgründen zu verzichten, stellen sie doch unverzichtbare langfristige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dar. Und opulente Sprinkleranlagen würden in den dafür verantwortlichen Ämtern zu einem Aufatmen der Erleichterung führen, bilden sie doch das Rückgrat der öffentlichen Sicherheit!"
Ich verstehe auch, dass offensichtlich zusätzliche Maßnahmen (Brandschutz) erforderlich sind.
Ich verstehe auch, dass das die Sanierungsdauer verlängert.
Aber ich verstehe nicht, warum man nicht einiges davon in die Corona-Zeit vorzieht/vorgezogen hat.
Der Kulturbetrieb ist seit einem Jahr etwa geschlossen. Hätte man diese und die Zeit, bis es zu Öffnungen kommen kann (wahrscheinlich ohnehin erst im Herbst 2021), nicht besser nutzen können?!
Das verstehe ich nicht!
Wann lernen endlich mal die Stadträte in der ganzen Republik, dass Sanierungen solcher Bauten Fässer ohne Boden und Millionegräber sind! Leider werden sie von Architekten schlecht beraten!
Gudrun Grieser hatte in solchen Fällen Ideen: Ernst-Sachs-Bad nicht sanieren, sondern umwandeln in eine Kunsthalle und Bad-Neubau Silvana.
Brandschutz ist in einem Theater immer schwierig. Vermutlich ist eine Nutzung als Kulturforum unproblematischer. Vielleicht könnte dann ein Theaterneubau einen Schandfleck beseitigen, nämlich das Umfeld des Obertors. Die Niederwerrner Straße ab Naturfreundehaus, via Obertor bis zur Fehrstraße ist ein Schandfleck, für den man sich als Schweinfurter schämen muss. Der Stadtring, wo Fremde durchfahren, zementiert das Image der grauen Maus-Industriestadt. Aber dem Stadtrat scheint das egal zu sein und man will sich mit einer LGS im Hinterhof profilieren. Im Großraum ums Obertor könnte ein repräsentativer Theater-Neubau viel mehr bewirken.
Die hochriskante Theatersanierung mit den unterirdischen(!) Anbauten und die hochriskante LGS mit den Korrespondenzprojekten(!) werden Millionengräber, die verbrannte Erde hinterlassen.
Den Unterschied zwischen der Ära Grieser/Baureferent Müller und Remele/Baureferent Brettin demonstriert jetzt schon die Westseite der Brückenstraße sehr anschaulich: mit dem Schäfer-Museum neben der Bauruine Stadtkasse.
Aber Brandschutz geht nun mal vor.
"Schweinfurt - Was ist dass? Ist dass Kunst oder kann das weg?" ...