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München/Würzburg
Freistaat will Kinderbetreuung bis 2028 massiv ausbauen: Einrichtungsträger sind skeptisch bei Umsetzung
Ab 2026 wird es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung geben. Um den erfüllen zu können, braucht es mehr Betreuungsplätze. Und damit auch mehr Personal.
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, will mit seiner neuen Regierung 180.000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze bis 2028 schaffen. (Archivfoto)
Foto: Sven Hoppe (dpa) | Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, will mit seiner neuen Regierung 180.000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze bis 2028 schaffen. (Archivfoto)
Marius Flegler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:16 Uhr

Bayerns Kinderbetreuung steckt in der Krise. Die Staatsregierung scheint das auf dem Schirm zu haben und gibt sich für die neue Legislaturperiode ambitioniert: 180.000 zusätzliche Betreuungsplätze sollen bis 2028 geschaffen werden - davon 130.000 für Grundschulkinder und 50.000 für die unter Sechsjährigen. Ein ehrgeiziges Ziel, für das gewiss viel Personal benötigt wird. Doch, wo soll das hergenommen werden?

Was sich die Regierung vorgenommen hat, nennt Michael Deckert, Fachbereichsleiter der katholischen Kindertageseinrichtungen im Caritasverband Würzburg, "sportlich". Die Frage, woher das zusätzliche Personal kommen soll, stelle sich sein Fachbereich seit geraumer Zeit, ohne eine Antwort darauf gefunden zu haben. Der demografische Wandel verstärke zudem die Not – immer weniger Menschen kämen aufgrund der Bevölkerungsstruktur überhaupt für eine Fachausbildung infrage.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatten sich CSU und Freie Wähler im Koalitionsvertrag die Schaffung von mehr als 40.000 neuen Betreuungsplätzen vorgenommen. Und diesen Vorsatz sogar mehr als nur erfüllt: Über 80.000 neue Plätze waren es bis 2023. Doch 180.000 Plätze sind noch einmal eine andere Hausnummer.

Ministerium gibt sich optimistisch, Träger bleiben mit Fragen zurück

Die Plätze seien dringend notwendig, sagt Cornelia Staab, Bereichsleiterin für Kinder, Jugend und Familie bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Unterfranken. Doch auch bei der AWO sei man sich völlig im Unklaren darüber, wie der damit einhergehende Personalbedarf gedeckt werden soll.

Das System kollabiere aktuell. Und auch, wenn sich niemand über einen Crash freuen dürfte – vielleicht brauche es eben den, damit eine Umkehr überhaupt stattfinden kann, so Staab. Denn eigentlich müsse an zahlreichen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden: Schon bei der Ausbildung selbst brauche es neue Ansätze. In ihrer Zeit an der Fachschule verdienen die Auszubildenden kein Geld: "Das ist in keinem anderen Ausbildungsberuf so", sagt Staab.

Das bayerische Sozialministerium hält dagegen: Derzeit gehe man dort von weiteren 4400 benötigten Fachkräften in den Kinderhorten, und 14.400 für die Betreuung von Kindern unter sechs Jahren – also etwa in Kitas und Krippen – bis 2028 aus, heißt es auf Anfrage. Dieser Bedarf könne bis zum Jahr 2026, spätestens jedoch bis 2028 gedeckt werden.

Bei der konkreten Umsetzung bleiben Fragen offen

Für die 80.000 neu geschaffenen Plätze in den vergangenen fünf Jahren seien laut Ministerium von den Kommunen und Trägereinrichtungen rund 22.000 Fach- und Ergänzungskräfte eingestellt worden. Wie nun aber rund 19.000 zusätzliche Kräfte weitere 180.000 Betreuungsplätze wuppen sollen – fraglich.

Ausbildungsstellen sollen ausgebaut und Qualifizierungsmaßnahmen für Quereinsteiger verbessert werden, verspricht das Ministerium. Weiterhin spiele außerdem die Gewinnung von Fachpersonal aus dem Ausland und der Ausbau der Ausbildung an Hochschulen und Akademien eine wichtige Rolle.

Damit Erzieherinnen und Kinderpfleger sich stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, will der Freistaat zudem auf deutlich mehr Assistenz und Teamkräfte setzen. Auch die Bezahlung in der Ausbildung soll verbessert werden, verspricht das Ministerium. Welche Qualifikation das benötigte Personal in der Mittagsbetreuung an Grundschulen haben soll, darauf gibt es aus dem Ministerium keine klare Antwort.

Zwingender Handlungsbedarf beim Ausbau von Betreuungsplätzen

Auch bleibt bisher die Finanzierung unklar. Im vergangenen Sommer hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Kosten auf rund eine Milliarde Euro beziffert. Aus dem Sozialministerium heißt es nun, dass aktuell noch keine Zahl genannt werden könne.

In Hinblick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter, der ab 2026 schrittweise eingeführt werden soll, ist der massive Ausbau von Betreuungsplätzen auch kein bayerisches Prestigeprojekt. Mit rund zwei Jahren bleibt der Staatsregierung nicht viel Zeit, um hier wenigstens das gesetzliche Mindestmaß zu erfüllen. 

 
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