
Eigentlich sollte sie den Beruf attraktiver machen: die verkürzte und neu konzipierte Berufsausbildung für Erzieherinnen und Erzieher, die in Bayern vor zwei Jahren eingeführt wurde. Statt fünf dauert die Ausbildung nur noch vier Jahre, Quereinsteiger mit mittlerem Schulabschluss und einer abgeschlossenen Berufsausbildung können sogar schon nach drei Jahren staatlich anerkannte Erzieher werden.
Doch an der Realität hat sich bis jetzt nichts geändert: Die Personalnot in den Kitas ist weiterhin groß. Es fehlen Erzieher und Erzieherinnen – und zwar massiv. Nicht selten muss eine Fachkraft alleine 25 Kinder betreuen, an Vorschularbeit oder Sprachförderung ist da nicht zu denken. Und es soll noch schlimmer werden. Die Bertelsmann-Stiftung rechnet in Bayern bis 2030 mit einer Personallücke von mindestens 11.000 Fachkräften.
"Wir haben das immer kritisch gesehen", sagt Harald Wildfeuer, seit acht Jahren Leiter der Schweinfurter Fachakademie für Sozialpädagogik. Die Verkürzung der Erzieherausbildung hält er für den falschen Weg, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Zwar habe es im vergangenen Jahr mehr Bewerber an der Fachakademie gegeben, vor allem bei den Quereinsteigern mit Abitur, gleichzeitig habe sich aber auch die Abbrecherquote erhöht.

In jedem Kurs schmeißen zehn Prozent der Studierenden hin. Und bei denen, die durchhalten, geben am Ende noch einmal fünf Prozent auf, weil sie den psychischen Druck nicht aushalten, sagt Wildfeuer. "Von 25 Kursteilnehmenden gehen nur 20 durch die Abschlussprüfung", rechnet er vor.
Höhere Abbrecherquote ab der Fachakademie als in früheren Jahren
Früher sei die Abbrecherquote nicht so hoch gewesen. "Wer an die Fachakademie ging, hat's auch gepackt. Der wusste, was auf ihn zukommt." Warum das heute anders ist? Wildfeuer glaubt, dass die Generation Z mit den Rahmenbedingungen und psychischen Belastungen schlechter zurecht kommt. Manche brechen in der Praxis weg, halten dem Verantwortungsdruck nicht stand, andere in der Theorie.
"Die Erzieherausbildung ist hochanspruchsvoll", sagt Wildfeuer, sie sei vergleichbar mit dem Bachelor im Studium oder dem Meister im Handwerk. "Da muss man mit beiden Beinen im Leben stehen."
Wer frisch von der Schule kommt, ist gerade mal 16 oder 17 Jahre alt. "Da muss man sich erst noch entwickeln, diese Prozesse brauchen Zeit." Manchen Jugendlichen fehle es an Selbstbewusstsein, Corona habe hier Spuren hinterlassen. Gleichzeitig sind laut Wildfeuer die Anforderungen gestiegen. Früher ging's hauptsächlich um Kinderbetreuung, heute ist die Elementarbildung in den Fokus gerückt. "Erzieherinnen und Erzieher haben eine große Verantwortung."
Kritisch sieht Wildfeuer deshalb vor allem die Verkürzung des Praxisanteils in der Ausbildung. Anstelle des bislang zweijährigen Sozialpädagogischen Seminars mit wechselnden Theorie- und Praxisphasen muss seit dem Schuljahr 2021/2022 nur noch das einjährige Sozialpädagogische Einführungsjahr absolviert werden. Im Anschluss daran geht's weiter in die dreijährige Erzieherausbildung mit zwei Studienjahren an der Fachakademie und dem einjährigen Berufspraktikum zum Abschluss.
Rechtsanspruch auf Betreuung erfordert mehr Personal
Den Personalmangel haben auch "die neuen Realitäten" verschärft. "Wir bräuchten ganz andere Betreuungsschlüssel", meint Wildfeuer mit Blick auf den gewachsenen Anteil an Migrationskindern. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert. Es gibt einen Rechtsanspruch auf Betreuung, dieser erfordere ebenfalls mehr Personal. Dem gegenüber stehen aber geburtenschwache Jahrgänge und ein heiß umkämpfter Markt. "Wir haben nicht nur ein Nachwuchsproblem, sondern ein gesellschaftliches Problem", sagt Wildfeuer.
Und dann ist da noch der Verdienst. Dieser habe sich zwar verbessert, sagt Wildfeuer, doch nach wie vor seien Erzieherinnen und Erzieher, aber auch Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger, unterbezahlt. Zumindest bei der Vergütung in der Ausbildung hat sich etwas geändert: Wer den regulären Ausbildungsgang absolviert, kann für die beiden vorschulischen Ausbildungsjahre jetzt einen Zuschuss von 900 Euro im Monat beantragen, der nicht zurückgezahlt werden muss. Für die praxisintegrierte Variante erfolgt eine tariflich festgelegte Vergütung von durchschnittlich rund 1200 Euro pro Monat.
Wie also den Personalmangel lösen? Wildfeuer würde bei der Ausbildung ansetzen: "Schafft die Verkürzung ab." Die kürze Ausbildungszeit bringe dem Markt keine zusätzlichen Fachkräfte, ist er überzeugt, sondern Einbußen bei der Qualität. "Wir, die Fachakademien, setzen aber nach wie vor auf Qualität und fordern diese auch ein."