Rund 600.000 Arbeitskräfte könnten 2035 in Bayern fehlen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Forschungsunternehmens Prognos im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Betroffen sind vor allem die Textilbranche, versorgungstechnische Berufe, der Sicherheits- sowie Überwachungsbereich sowie Transportfahrberufe. Deutschlandweit fehlt es besonders an Arbeitskräften im Gesundheitssektor und im Handwerk, aber auch im Ingenieurwesen. Gelingt es nicht, diesen Bedarf zu decken, wird es nach den Worten von Bertram Brossardt, dem Hauptgeschäftsführer der vbw, zu Wohlstandsverlusten kommen.
Doch das Ausmaß unterscheidet sich von Region zu Region. In Bayern zeigt sich ein Nord-Süd-Gefälle. So fehlen in den ländlichen Kreisen Unter-, Ober- und Mittelfrankens sowie in der Oberpfalz besonders viele Fachkräfte. Im Süden sind es weniger. Besonders gering ist der Fachkräftemangel in den städtischen Regionen Nürnberg, Würzburg oder München. Hier steigt das Arbeitskräfteangebot gar.
Neue Umfrage der DIHK: So viele Ausbildungsplätze unbesetzt wie nie
Auch Augsburg steht laut Studie verhältnismäßig gut da. Das Arbeitskräfteangebot wird nur 5,5 Prozent unter der Nachfrage liegen. Im Augsburger Umland werden in Dillingen die meisten Kräfte fehlen: 11,5 Prozent unter der Arbeitskraftnachfrage. Zum Vergleich: Am gravierendsten wird es den Kreis Kronach im Norden Bayerns mit einem Minus von knapp 22 Prozent treffen. Auch im Allgäu werden Stellen unbesetzt bleiben. Im Unterallgäu wird das Arbeitskräfteangebot 10,8 Prozent unter der Nachfrage liegen. Im Ostallgäu werden es acht Prozent sein, im Oberallgäu knapp neun Prozent.
Doch der Fachkräftemangel ist kein Problem der Zukunft, er trifft die Betriebe heute schon. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer verzeichnet in ihrer aktuellen Ausbildungsumfrage ein neues Allzeithoch bei unbesetzten Ausbildungsplätzen. So konnte fast jeder zweite Ausbildungsbetrieb nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. 37 Prozent der Betriebe mit unbesetzten Plätzen erhielten keine einzige Bewerbung.
Demografischer Wandel: Die Bevölkerung in Bayern wird immer älter
Bayerns Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf (CSU), warnt gegenüber unserer Redaktion vor den Folgen. "Die Bevölkerung Bayerns wächst weiter, und wir haben eine hohe Geburtenrate. Trotzdem stehen immer weniger Menschen für den Ausbildungsmarkt zur Verfügung", sagt sie. "Unser Ziel muss es sein, mehr junge Menschen für Ausbildungsberufe zu begeistern." Ein Problem ist der demografische Wandel: Es gibt immer weniger junge und immer mehr ältere Menschen. Während also immer mehr Menschen in Rente gehen, rücken immer weniger für den Arbeitsmarkt nach.
Um trotzdem genügend Fachkräfte zu gewinnen, brauche man nicht nur Menschen aus dem Inland, sondern auch aus dem Ausland, so Scharf. Seit Juli ist das Anerkennungsverfahren im Bereich der Pflegefachkräfte zentralisiert. Das soll die Beschäftigung von Pflegefachkräften aus dem Ausland beschleunigen. Innerhalb Bayerns müsse man ein besonderes Augenmerk auf Langzeitarbeitslose und ältere Beschäftigte legen, so Scharf. Und auch bei erwerbstätigen Frauen – die oft in Teilzeit arbeiten – liege viel Potenzial.
SPD-Abgeordnete Diana Stachowitz kritisiert die Aussagen Scharfs: "Die CSU betreibt eine Kultur der Ausgrenzung. Gegen Migration und gegen Arbeitskräfte aus dem Ausland", sagt Stachowitz. Man habe es in Bayern in vielerlei Hinsicht verpasst, sich vorzubereiten. Dieser Meinung ist auch FDP-Abgeordnete Julika Sandt: "Viel zu wenig" kümmere sich die Bayerische Staatsregierung um den Arbeitskräftemangel, sagt sie. Eine Schlüsselfunktion sieht sie beim Erzieherberuf, weil jeder Kita- und Ganztagsplatz beiden Eltern ermögliche, zu arbeiten. "Deshalb muss die Erzieher-Ausbildung vergütet und das Zuständigkeits-Wirrwarr bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse beendet werden", findet Sandt.