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Fussball: 3. Liga
Wie Verteidiger Tobias Kraulich die Saison der Würzburger Kickers erlebt hat: "Die Trainer müssen uns leidtun!"
Vor dem Heimspiel des Würzburger Drittligisten gegen Viktoria Köln spricht der 22-Jährige über die vielen Personalwechsel und die Chancen im Abstiegskampf.
Bereits vier Mal durfte Tobias Kraulich (rechts, mit David Kopacz und Fanol Perdedaj beim Gastspiel in Kaiserslautern) in dieser Saison jubeln. Der 22-Jährige ist damit drittbester Torschütze der Kickers und hat so viele Spielminuten absolviert, wie kein anderer Feldspieler der Würzburger.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Bereits vier Mal durfte Tobias Kraulich (rechts, mit David Kopacz und Fanol Perdedaj beim Gastspiel in Kaiserslautern) in dieser Saison jubeln.
Felix Mock
Felix Mock
 |  aktualisiert: 15.02.2024 17:54 Uhr

Wenn ein Erfurter Junge sagt, dass alle in der Kabine wüssten, was auf dem Spiel steht, hat das durchaus eine gewisse Glaubwürdigkeit. Tobias Kraulichs Heimatverein Rot-Weiß Erfurt ist inzwischen seit Jahren dort, wohin die Würzburger Kickers abzustürzen drohen: raus aus dem Profifußball, herumdümpelnd in der vierten und nun sogar fünften Liga. Vor dem Heimspiel der Mannschaft von Trainer Ralf Santelli am Freitagabend (19 Uhr) gegen Viktoria Köln sagt der Innenverteidiger deshalb: "Ich muss niemandem erzählen, wie schwierig es ist, wieder hochzukommen, wenn du einmal in der Regionalliga bist. Wir wissen, worum es geht."

Es ist davon auszugehen, dass Kraulich auch am Freitagabend in der Startelf der Kickers stehen wird. Obwohl der Linksfuß erst 22 Jahre alt ist, hat kein Würzburger Feldspieler in dieser Drittligarunde mehr Spielminuten absolviert als der Abwehrmann. Ob unter Torsten Ziegner, Danny Schwarz oder nun Santelli: Kraulich scheint gesetzt. Persönlich sei er deswegen "schon irgendwie zufrieden. Aber der Teamgedanke steht über allem".

Tobias Kraulichs schwieriger Beginn bei den Würzburger Kickers

Das war in der vergangenen Saison noch anders. Kraulich hatte bei den Kickers unterschrieben, als alle am Dallenberg noch von einer weiteren Drittligasaison ausgingen. Es folgten der unerwartete Aufstieg in die 2. Bundesliga – und nach dem Rauswurf von Michael Schiele mit Marco Antwerpen und Bernhard Trares zwei Trainer, die nicht auf den Erfurter setzten. Eine Phase, die er heute "sehr schwer" nennt. Bis Ralf Santelli in seinem ersten Einsatz als Feuerwehrmann bei den Kickers das Ruder übernahm und Kraulich aus der Versenkung holte. "Das ist eine Floskel, aber ich werde ihm ewig dafür dankbar sein. Er war der erste Trainer, der mir in einer Profiliga so richtig Vertrauen geschenkt hat", sagt Kraulich heute. Am Ende der Saison hatte er 15 Zweitligaspiele absolviert.

Verhindern konnte Santelli den Abstieg nicht. Die trostlose Zweitligasaison ohne Zuschauer und nur wenigen Erfolgen endete so trist, wie sie begonnen hatte. Ein mental zu großes Paket für die Spieler? "Ich habe zum Saisonstart in der Mannschaft eine gewisse Euphorie wahrgenommen und dachte, das letzte Jahr sei abgehakt", sagt Kraulich, der noch bis 2023 bei den Kickers unter Vertrag steht. "Viele Spieler, die der Mannschaft intern nicht so gut getan haben, sind gegangen. Aber man kann eben nicht alles so einfach vergessen. Im Kopf bleibt immer etwas hängen."

Kickers-Verteidiger Tobias Kraulich: "Unser Trainerverschleiß war rekordverdächtig"

Und so drehte sich die Negativspirale weiter. Die Erfolge blieben auch in der 3. Liga aus, das Trainerkarussell drehte sich munter weiter. Mit Ziegner und Schwarz sind zwei weitere Übungsleiter inzwischen schon wieder Geschichte. Auch das nagt laut Kraulich an den Spielern: "Wenn alle drei Monate ein neuer Trainer kommt, hinterfragst du dich. Liegt es nicht am Trainer, liegt es an uns? Die Trainer müssen uns leidtun, weil wir sie ins schlechte Licht rücken durch unsere schlechte Leistung. Unser Trainerverschleiß in den letzten beiden Jahren war schon rekordverdächtig."

Zudem habe die Pandemie ihr Übriges zur Misere getan. Vor seinem Wechsel zu den Kickers, erzählt "Kraule", habe er häufig mit Simon Rhein, der inzwischen beim FC Hansa Rostock unter Vertrag steht, telefoniert. Die beiden kannten sich noch aus Nürnberger Zeiten, spielten für die U23 des FCN. Rhein habe geschwärmt vom Würzburger Stadt- und auch Nachtleben. Wirklich erlebt hat Kraulich, der offen zugibt, gerne feiern zu gehen und nach Siegen für die Ballermann-Musik in der Kabine verantwortlich ist, das alles nur bedingt: "Zusammen Spaß zu haben ist für eine Mannschaft sehr wichtig. Das hat seit Beginn der Pandemie komplett gefehlt. Das war kein Grund für unsere schlechten Leistungen. Aber ich glaube schon, dass es wichtig gewesen wäre."

Ein Bild, das es in dieser Saison bei den Kickers schon häufiger gegeben hat: Tobias Kraulich nach der Niederlage gegen den TSV 1860 München im letzten Spiel des Jahres 2021 alleine und bedient auf dem Rasen.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Ein Bild, das es in dieser Saison bei den Kickers schon häufiger gegeben hat: Tobias Kraulich nach der Niederlage gegen den TSV 1860 München im letzten Spiel des Jahres 2021 alleine und bedient auf dem Rasen.

Nun, wieder unter Santelli, soll es aufwärts gehen. Und das tut es seit dessen Übernahme auch. Dementsprechend gut sei die Stimmung im Team. "Es ist ein bisschen ungewohnt zu gewinnen. Deswegen weiß keiner so richtig, wie er damit umgehen soll", erzählt Kraulich und muss dabei lachen, um wieder im ernsten Ton hinterher zu schieben: "Keiner aus unserer Mannschaft hatte in den letzten zwei Jahren so richtig Erfolg."

Kraulich erklärt den Erfolg von Ralf Santelli bei den Würzburger Kickers

Wie ist das zu erklären, dass es nach einer derart katastrophalen Saison tatsächlich wieder einen Hoffnungsschimmer gibt? "Wir spielen sehr einfachen Fußball unter ihm. Seine Stärke ist, durch seine emotionale Art alle mitzuziehen", sagt Kraulich. "Diese Energie überträgt sich aufs Spielfeld." Doch wird das genügen, um am Ende die Klasse zu halten? Hoffnung habe die Mannschaft zwar immer gehabt: "Aber vom Kopf her waren wir am Ende."

Dass es Santelli geschafft hat, der Mannschaft wieder Leben einzuhauchen, ist unabhängig davon, ob der Klassenerhalt gelingt oder nicht, schon eine kleine Sensation. Auch, dass seine Spieler wie Kraulich nun derlei angriffslustige Sätze äußern, die vor Selbstvertrauen strotzen: "Es ist wieder brutal spannend. Jetzt ist alles drin." Um weiter in der Verlosung für ein weiteres Jahr in der 3. Liga zu bleiben, braucht es jedoch einen Sieg gegen die Viktoria.

 
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