Ralf Santelli heißt nach Torsten Ziegner und Danny Schwarz der inzwischen dritte Cheftrainer der Würzburger Kickers in dieser Saison. Eigentlich ist der 53-jährige Deutsch-Italiener Cheftrainer und Leiter des Leistungszentrums des Vereins. Seit drei Partien ist Santelli aber - wie schon in der Vorsaison - interimsweise für die Profimannschaft der Kickers verantwortlich und soll den Abstieg aus der 3. Liga verhindern. Im telefonisch geführten Interview spricht der Schwabe über den Abstiegskampf, seine mögliche Zukunft als Kickers-Trainer und seine Verbindung zu Ralf Rangnick.
Ralf Santelli: Auf der Autobahn. Ich fahre hier auf der rechten Spur entspannt mit 90 Kilometern pro Stunde hinter einem Lkw her. Perfekt also, um fällige Telefonate zu führen.
Santelli: ... zuverlässigen Mercedes, Baujahr 2003. Aktuell hat der 297 000 Kilometer drauf. Verbrauch: 5,2 Liter Diesel. Was willst du mehr?
Santelli: Ich will nicht sagen, dass ich Schwabe bin. Mein Auto bringt mich von A nach B. Außerdem ist es scheinbar unkaputtbar. Laut Händler hält das nochmal hunderttausend Kilometer durch. Ich brauche keinen Neuwagen.
Santelli: Das mag sein. Aber das sind Dinge, die ich nicht brauche. Da bin ich einfach Pragmatiker.
Santelli: Ich bin ein ganz bodenständiger Mensch. Mein Vater kam 1960 als Gastarbeiter nach Deutschland. Er hat, genau wie meine Mama, immer gearbeitet, um seine drei Jungs zu ernähren. Da habe ich gelernt, was es bedeutet, mit Geld umzugehen. Dementsprechend bin ich auch erzogen worden. Luxus ist für mich nicht entscheidend.
Santelli: Luxus wäre für mich eine größere Wohnung. Ich habe zwar Kinder, aber ich wohne alleine hier in Würzburg. Ich habe eine 1,5-Zimmer-Wohnung, die reicht mir eigentlich auch. Ich gehe gerne Essen, statt nur für mich zu kochen. Das tun zu können, ist für mich Luxus.
Santelli: Die Art und Weise, wie wir spielen. Wir sind ideenreicher und flüssiger im Spielaufbau, das zeigen auch die sechs Tore in drei Spielen. Und ich finde, dass unsere Mentalität besser geworden ist. Das zeigen wir auch, nur noch nicht kontinuierlich über 90 Minuten. In der Schlussphase gegen Magdeburg haben wir diese Mentalität gesehen, als wir durch Marco Hausjell noch eine Riesenchance hatten und uns ein Tor aberkannt wurde. In der Außendarstellung kann ich mit dem 2:4 leben.
Santelli: Ich kann als Trainer nur analysieren und unterstützen. Klar, es gibt gewisse Abläufe im Training und einen Matchplan. Aber das Handeln auf dem Platz, das moniere ich noch. Die Abläufe müssen intuitiver laufen. Das bedingungslose Umsetzen fehlt mir noch.
Santelli: Das sind Gewohnheiten. Wenn du immer abstoppst und den Ball nach hinten statt nach vorne spielst, weil du dich so wohler fühlst. Weil du Sicherheit haben willst. Wir wollen aber nach vorne spielen, in die Tiefe spielen. Dazu musst du deine Gewohnheiten durchbrechen. Das hat etwas mit Mut zu tun. Sowas traust du dich eher, wenn du auf einem anderen Tabellenplatz stehst. Die Gewohnheiten eines Menschen zu verändern, ist schwer und funktioniert nicht immer.
Santelli: Die Jungs sind Profis und haben so gut wie alles im Repertoire. Aber es werden zu oft falsche Entscheidungen auf dem Platz getroffen. Wenn beispielsweise statt eines Dribblings der Pass gefordert wäre.
Santelli: Ich versuche es mit einer Metapher: Bei Kindern in der Pubertät zählt das, was der Vater sagt, gar nichts. Dann musst du sagen: Okay, hol' dir eine blutige Nase - aber so, dass sie nicht bricht. Die Spieler wollen sich genau wie Pubertierende selbst ausprobieren. Wenn sie deinen Ratschlag nicht befolgen, ist das okay. Wenn sie aber das zweite und dritte Mal gegen eine Wand rennen, muss es heißen: Jetzt mache es aber so, wie ich es vorgeschlagen habe. Und bei dieser Umsetzung sind wir noch zu langsam.
Santelli: Seit ich hier bin, haben wir etwa die Hälfte der Spieler erreicht. Aber wenn sich die andere Hälfte noch immer ausprobiert, passt das Gesamtbild noch nicht ganz. Deswegen haben wir immer wieder gute Phasen im Spiel, dann aber wieder schlechtere.
Santelli: Die Mannschaftsteile sind noch nicht sauber miteinander eingespielt, weil die individuellen Entscheidungen oft nicht die richtigen sind. Spiele ich nach rechts oder nach links? Die weiterführende Handlung wird oft noch nicht erkannt. Vielleicht fehlt es da manchmal an Weitblick, das Verständnis für den zweiten und dritten Ball nach deiner Entscheidung. Das ist schwer reinzukriegen bei den Spielern.
Santelli: Ich glaube schon. Ich war zwar nicht ganz zufrieden mit der Darstellung der Mannschaft. Abstiegskampf heißt aber auch nicht, in jedem Spiel fünf Gelbe und eine Rote Karte zu bekommen. Das Mittelmaß muss gefunden werden. Wir haben Spieler, die mit dem Ball unheimliche Qualität haben, aber gegen den Ball nicht gut genug oder zu spät in Zweikämpfe gehen. Dadurch wirkt es so, als würde man den Kampf nicht annehmen.
Santelli: Fakt ist: Ende März wird es noch spannender. Wenn du dann noch unten drin stehst, greifen die typischen Marktmechanismen und die Berater werden wieder fleißig. Spieler wollen liefern, aber die Berater im Hintergrund suchen schon nach einem neuen Arbeitgeber. Dadurch kommt Unruhe rein, aber das ist in jeder Liga so. Deswegen müssen wir jetzt im März unsere Punkte holen, sonst wird es immer schwieriger.
Santelli: Sebastian arbeitet für beide Szenarien (Klassenerhalt und Abstieg, Anm. d. Red.) und muss im Prinzip zwei komplette Mannschaften für die jeweilige Liga zusammensuchen. Je weiter die Saison fortschreitet, kann es natürlich sein, dass ein neuer Trainer dazukommt und seine Vorstellungen einbringt.
Santelli: Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Ich habe auch nächstes Jahr noch Vertrag im Leistungszentrum.
Santelli: Die Arbeit im LZ macht unheimlich viel Spaß, genauso wie das Trainieren einer Mannschaft. Der Vorteil ist, dass du weniger erfolgsabhängig bist. Ich spiele jetzt zum zweiten Mal den Feuerwehrmann. Das mache ich, weil ich mich hier sehr wohl fühle. Ich bin das dritte Jahr hier in Würzburg und spüre unheimlich viel Vertrauen. Ich mache beides mit Freude. Natürlich ist es schwierig, während der Saison dazustoßen und Situationen vorzufinden, die korrigiert werden müssen.
Santelli: Als Trainer hast du immer den Wunsch, von Beginn an mitzuwirken. Es klingt vielleicht komisch, aber: Ich stelle dem Verein meine Arbeitskraft zur Verfügung. Wenn man mich eher im LZ sieht, dann bin ich im LZ. Wenn man mich eher bei den Profis sieht, würde ich auch das machen. Da geht es mir um den Verein. Ich arbeite sehr gerne hier und mag die Stadt. Im Übrigen schon seit 1988, als ich meinen Wehrdienst in Veitshöchheim absolviert habe.
Santelli: In der Fußballbranche ist es nicht unüblich, ein Jahr hier und im nächsten wieder dort zu arbeiten. Das macht nicht wirklich Spaß. Das ist aus familiärer und persönlicher Sicht eine hohe Belastung. Kontinuität ist im LZ eher gegeben – oder in einem Verein, der deine Qualitäten nutzt und dich auf den Positionen hin- und herschiebt. Ich bin jemand, der das kann und auch mitmacht.
Santelli: Fußball mit hohen Spielanteilen und schnellem Passspiel. Fußball, der durchaus kreativ sein darf und sehr mutig und offensiv ausgerichtet ist.
Santelli: Ich bin stark von Ralf Rangnick geprägt worden. Mit ihm habe ich drei Jahre lang zusammengearbeitet. Früher durfte ich mich auch viel mit Jürgen Klopp austauschen.
Santelli: Wir haben uns immer wieder am Spielfeldrand gesehen, wir haben immer wieder gegeneinander gespielt. Er war auch mit Ralf Rangnick bekannt, und so hat man sich eben kennengelernt und immer wieder ausgetauscht. Er kommt aus dieser Riege des württembergischen Fußballs. Die Arbeit von Thomas Tuchel lässt sich sicher auch dazuzählen.
Santelli: Ich hoffe es. Ich bin mir bewusst, dass wir mehr Punkte holen müssen. Momentan haben wir einen Ein-Punkte-Schnitt. Das ist natürlich zu wenig.
Santelli: Wir müssen die Räume vor unserer Box besser besetzen und den Gegner mehr auf die Seiten drängen. Da waren wir gegen Magdeburg nicht gut genug. Außerdem müssen wir unsere Chancen besser nutzen. Letztendlich musst du einfach die Tore machen.
Santelli: Es ist beängstigend und bestürzend. Ich kann den Krieg ausblenden, wenn ich arbeite. Ich bin froh, in diesem Land zu sein, einen Job zu haben. Passend zur Frage von vorhin: Wirklich Luxus ist es wahrscheinlich, sich um Leib und Leben nicht sorgen zu müssen.