Wie geht es weiter im Fall des insolventen Fußball-Drittligisten Türkgücü München? Die Frage, ob und wann der zahlungsunfähige Klub den Spielbetrieb einstellt, beschäftigt zwangsläufig auch die Würzburger Kickers. Denn sie würden die drei Punkte für den im Oktober 2021 errungen 2:1-Sieg gegen die Oberbayern verlieren, wenn Türkgücü nach der Partie am Samstag beim SV Wehen Wiesbaden nicht mehr antreten kann, weil die Gehälter der Spieler nur noch im März im Rahmen des Insolvenzverfahrens bezahlt werden. Die Kontrahenten im Abstiegskampf Viktoria Berlin und SC Verl müssten hingegen weniger Zähler abgeben als die Kickers.
Und auch im Aufstiegsrennen gäbe es bei einem Türkgücü-Rückzug Gewinner und Verlierer. Speziell der 1. FC Saarbrücken würde leiden, weil er gar sechs Zähler weniger auf dem Konto hätte. So klang das Gedankenspiel, das die "Bild"-Zeitung veröffentlichte, auch gar nicht abwegig: Saarbrückens Präsident Hartmut Ostermann, ein steinreicher Hotelier, hieß es da, sei bereit, mit 500.000 Euro den Spielbetrieb der Münchner für drei weitere Partien, darunter das Heimspiel gegen die Kickers am 3. April, am laufen zu halten. Wenn Türkgücü dann sein Team zurückzieht, blieben die bisherigen Spiele in der Wertung. Die restlichen fünf Partien würden in diesem Fall für den Gegner gewertet.
Ein Vorgehen, dem Kickers-Trainer Ralf Santelli wenig abgewinnen könnte. "Wenn du genau weißt, warum jemand so etwas tut. Dann weiß ich nicht, ob es rechtliche Möglichkeiten gibt, so etwas zu verhindern." Ob die Kickers in diesem Fall tatsächlich profitieren würden, ist ohnehin fraglich. Denn Abstiegskampf-Rivale Viktoria Berlin würde am vorletzten Spieltag kampflos einen Dreier gutgeschrieben bekommen. "Die Verzerrung des Wettbewerbs ist ohnehin da", so Santelli.
1. FC Saarbrücken sieht DFB in der Pflicht
Aus Saarbrücken war am Mittwoch dann auch ein Dementi zu vernehmen. Ostermann selbst, ein Hotelier, meldete sich zwar nicht zu Wort. Der Klub aber betonte, dass er vielmehr den Deutschen Fußball-Bund (DFB) in der Pflicht sehe, "für einen geordneten Spielbetrieb zu sorgen".
Die Kickers beobachten vor ihrem Heimspiel gegen Viktoria Köln am Freitag (19 Uhr) die Lage und setzen erst einmal darauf, aus eigener Kraft dem Abstiegssumpf zu entkommen, egal wie die Geschichte um den Münchner Pleite-Klub auch ausgehen mag. "60 Prozent" ihrer verbleibenden Spiele müssten die Kickers gewinnen, rechnete Trainer Santelli am Mittwoch vor: "Die müssen wir, wann immer, einfahren. Dann kann es noch einmal richtig spannend werden."
Nach der erfolgreichen Englischen Woche mit Liga-Siegen in Wiesbaden (1:0) und gegen Dortmund II (3:1) sowie dem Pokalsieg beim FC 05 Schweinfurt (4:1) dazwischen, fühlen sich die Kickers im Aufwind. "Wir haben ein bisschen Euphorie geweckt", so Santelli, den aber weiterhin Personal-Probleme plagen.
Corona: Auch Louis Breunig fällt aus
Schon gegen Dortmund war der Kader erheblich ausgedünnt, weil es neben Verletzungen auch noch einige Corona-Fälle innerhalb des Teams gab. Nach der kurzen Woche hat sich auch keiner der Infizierten zurückgemeldet. Sprich mit Winter-Neuzugang Marvin Stefaniak wird einer der Schlüsselspieler auch gegen Viktoria Köln fehlen. Mit Louis Breunig, der noch am Sonntag gegen Dortmund seine Profi-Torpremiere feierte, ist ein weiterer Corona-Fall hinzugekommen. Für ihn könnte Peter Kurzweg in die Mannschaft zurückkehren. der nach überstandener Infektion wieder mit dem Team trainiert.
Die Rheinländer hatten nach der Winterpause bei ihren Siegen gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte (Mannheim, Saarbrücken, Wiesbaden) deutlich besser ausgesehen als in den Duellen mit den Kellerkindern aus Zwickau, Havelse und Duisburg, in denen die Viktoria nur einen Punkt sammelte und kein einziges Tor erzielte. "In der 3. Liga kann Jeder Jeden schlagen", stellt Santelli denn auch fest.
Unter Ralf Santelli treffen die Kickers in der Schlussphase
Dass die Kickers in nur fünf Partien unter Santelli drei Siege und damit mehr als unter seinen Vorgängern Danny Schwarz (zwei Siege) und Torsten Ziegner (ein Sieg) sammelten, hat auch mit der neu gewonnen Stärke in den Schlussminuten zu tun. Es ist noch nicht lange her, da waren die vielen späten Gegentreffer noch ein bestimmendes Thema am Dallenberg. Unter Santelli erzielten die Kickers in Liga und Pokal ihrerseits bereits sechs Tore nach der 80. Minute. Ein deutlicher Trend. "Das kann man trainieren", so Santelli: "Diese Situationen kann man simulieren. Das haben wir getan. Jetzt greifen gewisse Mechanismen."