Wenn es eine Szene gibt, die für diese Begegnung am Samstagabend und vor allem für den Auftritt der Hausherren symbolhaft stehen darf, dann diese: 103 Sekunden sind im Schlussviertel gespielt, als Darius Perry vom Ulmer Nicolas Bretzel unsportlich gefoult wird, bedeutet: Nach zwei Freiwürfen bleiben die Baskets im Ballbesitz. Der 24-jährige US-Amerikaner in Diensten des Würzburger Basketball-Bundesligisten verwirft beide Freiwürfe, und kurz nach dem folgenden Einwurf klaut Ulms Spielmacher Juan Nunez Perry auch noch die Kugel und schickt Lionel Jr. "L. J." Figueroa zum Fastbreak auf die Reise. Der Flügelspieler stopft das Spielgerät zur 67:53-Führung durch die Würzburger Reuse. Viel weniger kann eine Mannschaft aus so einer vorteilhaften Situation wahrlich kaum vollbringen, und es scheint also, als sei dieses ganz bestimmt nicht sonderlich hochklassige Pokal-Achtelfinale knapp acht Minuten vor Schluss entschieden.
Dass die Baskets dann in der Schlussminute sogar noch zweimal die Chance hatten, das Spiel gegen den deutschen Überraschungsmeister komplett auf den Kopf zu stellen und am Ende dann ein 72:76 (32:44) von der Anzeigetafel leuchtete, waren nur zwei der doch etwas mysteriösen Merkwürdigkeiten dieses Abends. Und vermutlich einzig der Tatsache geschuldet, dass die Ulmer, die zu Beginn von Hälfte zwei bereits zweimal mit 15 Punkten Differenz geführt hatten (48:33, 50:35), nach Figueroas Dunking ihr Abendwerk gedanklich bereits abgehakt hatten.
Die Undiszipliniertheiten der Gäste
Entsprechend haderte Ulms Trainer Anton Gavel mit dem Auftritt seiner Schützlinge gegen Ende: "Da müssen wir klüger werden, das darf uns nicht passieren. Wir hatten die Möglichkeit, das Spiel früher zu entscheiden, wir waren dann viel zu undiszipliniert." Seine Spieler kassierten noch ein technisches Foul und ein weiteres unsportliches – was die Baskets aber an der Linie auch nicht wirklich zu nutzen wussten.
Einsatz und Leidenschaft kann man den Gastgebern auch für diesen Abend bestimmt nicht absprechen, sonst hätten sie sich nicht bis 61 Sekunden vor Ultimo zum 72:72-Ausgleich durch einen Freiwurf von Zac Seljaas wieder herangekämpft. Der überragende US-Amerikaner, der mit 15 Punkten und 15 (!) Rebounds ein reichlich beeindruckendes Double-Double auflegte, das er mit je vier Vorlagen und Ballgewinnen noch veredelte, verpasste in diesem Moment von der Linie aber auch die Führung. Was auch wieder reichlich symbolhaft war.
"Mit einer besseren Freiwurf- und Dreierquote hätten wir das Spiel locker gewonnen, denn mehr als 76 Punkte traue ich unserer Mannschaft auf jeden Fall zu", analysierte Baskets' Center Maximilian Ugrai sehr treffsicher. Die Wurfquoten der Baskets waren mindestens mysteriös, eigentlich desaströs, und, mit Verlaub, nicht erstligatauglich: Lediglich 13 von 23 Freiwürfen fanden das Ziel (57 Prozent). Nur fünf von 29 Dreiern (17 %). Und gerade einmal 27 von 71 Versuchen aus dem Feld (38 %). Dazu kamen 22 Ballverluste. Die nannte Trainer Sasa Filipovski "ein Desaster".
Mit derart miserablen statistischen Werten gewinnt kaum eine Basketball-Mannschaft mal ein Spiel – selbst dann nicht, wenn sie sich sogar 22 (!) Abpraller am gegnerischen Brett schnappt wie die Baskets an diesem Abend und das Reboundduell deklassierend hoch gewinnt (46:32). Filipovski meinte, die Mehrheit seiner Spieler sei erneut unter ihren Möglichkeiten geblieben. Gefallen hat dem Slowenen, "dass wir nicht aufgegeben und bis zum Schluss gekämpft haben". Was freilich die Mindestanforderung an den Berufsethos von Profisportlern sein sollte.
Die nackten Zahlen untermauern also das Gefühl, wo das aktuelle Kardinalproblem der Würzburger liegt: in der Offensive. Wie bei der Schlappe gegen Ludwigsburg im ersten Saisonheimspiel gelang es den Baskets, einen wurffreudigen und üblicherweise sehr treffsicheren Gegner durch eine weitgehend intensive Verteidigung unter 80 Punkten zu halten. Ulm hatte in den drei Ligaspielen zuvor im Schnitt 96 Zähler gemacht. Gegen Ludwigsburg gelangen den Würzburgern gerade einmal mickrige 60 Punkte, nun eben nur 72.
Vor dem richtungsweisenden Heimspiel gegen Braunschweig
Was durchaus Staunen machen kann nach guten Testspielergebnissen, dem Pokalerfolg in Karlsruhe und dem überraschenden 88:58-Kantersieg zum Saisonauftakt in Hamburg. Es erschien, als könne die mal wieder runderneuerte Mannschaft, die ihre wichtigsten Leistungsträger hatte abgeben müssen, an die mitunter verblüffend erfolgreichen Vorstellungen der Vorsaison anknüpfen. Die Play-off-Teilnahme ist das von der Mannschaft ausgerufene Saisonziel. Aktuell erscheint es eher so, als seien die Baskets vor dem ziemlich richtungsweisenden Heimspiel gegen Braunschweig am Samstag (18.30 Uhr) auf dem Boden der Realität angekommen: Um das hochambitionierte Ziel zu erreichen, ist jedenfalls noch verdammt viel Arbeit nötig. Und da wird nicht nur auf dem Parkett mehr Kreativität gefragt sein.