Es war bestimmt der bewegendste Moment der gesamten jüngsten Saison, wahrscheinlich einer der bewegendsten der letzten Jahre an diesem Ort. Als am Freitagabend des 10. Mai so um Viertel Neun sich Steffen Liebler das Hallenmikrophon schnappte und Kresimir Loncar zu sich aufs Parkett bat, während sich die Spieler von Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg außenrum warmmachten für ihr letztes Saisonheimspiel gegen Bonn, war der 36-Jährige sichtlich überrascht. Liebler, gut 13 Monate jünger als Loncar und Geschäftsführer der Baskets, wollte den verletzten Kapitän der Mannschaft gebührend verabschieden. Die eingefleischtesten der eingefleischten Fans skandierten Loncars Namen, die meisten in der Halle standen und applaudierten, und als Liebler dann dem Würzburger Spieler Felix Hoffmann das Mikro in die Hand drückte, damit auch der langjährige Kollege sich mit einer kurzen Ansprache verabschiedet, kämpften plötzlich sowohl Hoffmann als auch Loncar mit den Tränen. Seine aus Rimpar stammende Frau Hanna hatte hinter den Kulissen mitgeholfen, ihrem Gatten diesen Abschied zu ermöglichen.
Von der Anzeigetafel aus wünschte ihm nationale und internationale Basketball-Prominenz alles Gute und bedankte sich, und nachdem dann jeder Baskets-Spieler am Ende des Warmmachens ihn mal gedrückt hatte, durfte Loncar sich auch noch aufreihen und bei der Spielervorstellung die ehemaligen Teamkollegen abklatschen. Die liefen mit einem besonderen T-Shirt ein, auf dem unter einem aufgedruckten Foto des Deutsch-Kroaten in Versalien stand: "DANKE KRESO".
Seine Karriere nahm den Anfang in Würzburg
Das sagt ziemlich viel aus über den Stellenwert des ehemaligen kroatischen Nationalspielers in Würzburg und über die Wertschätzung für ihn, dessen internationale Karriere Anfang des Jahrtausends in der Domstadt begonnen hatte. An jenem Freitagabend gab es in der s.Oliver Arena sicherlich viele, die ihm gewünscht hätten, seine letzte Saison als Profi-Basketballer im Trikot beenden zu können. Loncar aber hatte sich letztlich von einer in der Endphase der vorvergangenen Saison zugezogenen Handverletzung nie mehr richtig erholt. Seine letzte Partie für die Baskets bestritt er am 5. Januar in Vechta - es war der gefühlte Tiefpunkt einer summa summarum wechselvollen, aber nicht unerfolgreichen Spielzeit der Würzburger, die sie ins Finale um den Europe-Cup-Wettbewerb führte, aber als Liga-Neunter eben nicht in die anvisierten Play-offs.
Sitzt man dann ein paar Wochen nach seiner Verabschiedung Kresimir Loncar an seinem neuen Arbeitsplatz in der Geschäftsstelle der Baskets gegenüber, fühlt sich das erst einmal etwas seltsam an, wenn man daran gewohnt war, ihn in der Halle oder im Trainingszentrum zu beobachten und dort mit ihm zu sprechen. Froh ist er, dass er endlich mal wieder schmerzfrei ist. Neben dem Handgelenk machten auch die Knie, Knochen und Bänder gegen Ende immer wieder Probleme. "Ich versuche, mich fit zu halten", meint Loncar und lächelt. Mit Tennis und ein wenig individuellem Training. Wenn ein Körper 20 Jahre lang Hochleistungssport gewöhnt war, sollte man ihn nicht gleich auf kalten Entzug setzen.
Meister in Italien und Ukraine und Europapokalgewinner
Es war eine ziemliche Überraschung, als die Baskets, die damals auch offiziell noch so hießen, 2016 bekanntgaben, den - inzwischen auch mit deutschem Pass ausgestatteten - verlorenen Sohn erneut verpflichtet zu haben. Loncar startete seine internationale Karriere 2000 in Würzburg, nachdem er ein Jahr in seiner Heimatstadt Split gespielt hatte. Zwei Jahre warf der 2,10-Meter-Mann für Würzburg Körbe, ehe er in Italien und in der Ukraine Meisterschaften feierte, in Russland den Pokal gewann und am All-Star-Spiel teilnehmen durfte, mit Chimki den Eurocup gewann, mit Kroatien bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 und bei der EM 2009 teilnahm, und als letzten Titel mit Alba Berlin den deutschen Pokal holte.
"Beim Start meiner Karriere hätte ich nie gedacht, dass ich einmal so weit komme", sagt Loncar ziemlich unvermittelt. Weil 99,999999 Prozent aller Basketballer internationalen Formats ja systemimmanent auch Globetrotter sind oder eben sein müssen, weiß Loncar, wie wichtig Sprachen sind. "In Deutschland sprechen viele sehr gut Englisch, da hat man nicht so das Bedürfnis, auch noch Deutsch zu lernen", sagt er und gibt freimütig zu, mit dem Deutschen noch immer so seine Probleme zu haben. Außer seiner Muttersprache spricht er natürlich Englisch fließend, Russisch perfekt ("fast so wie Kroatisch"), Italienisch sehr gut, und Spanisch versteht er auch. Im Hause Loncar gibt's dann einen Kauderwelsch: Die siebenjährige Tochter und der vierjährige Sohn hören vor allem Kroatisch, Deutsch und Englisch.
Er sieht eine große Chance
"Manager Sport und Scouting" jetzt also. So jedenfalls lautet der vom Klub umschriebene Titel der Stelle, die für Loncar geschaffen wurde. Er umschreibt sein Aufgabengebiet praxisnäher: Gemeinsam mit Liebler und Cheftrainer Denis Wucherer "planen wir die Mannschaft". Weiteres Ziel: "Bis die neue Halle steht, müssen wir eine Struktur schaffen, damit wir auch dauerhaft in die Play-offs einziehen können. Das ist verdammt viel Arbeit, weil wir nicht das Budget wie andere Mannschaften haben." Deswegen will Loncar auch verstärkt den Nachwuchs fördern.
"Gute und harte Arbeit" sind vier Worte, die häufig fallen in diesem Gespräch. "Wenn es heißt, morgen Früh um sechs ist Training, dann hast du in der Halle zu sein", sagt Loncar, der glaubt, dass nicht nur bei deutschen Talenten, sondern auch bei manchem Importspieler genau diese Arbeitseinstellung optimierbar ist. "Da muss schon auch ganz alleine von sich aus was kommen", sagt Loncar und meint Extraschichten. Erfolg im Basketball hat seiner Meinung nach vielleicht zehn, maximal 20 Prozent mit Talent zu tun - der Rest sei "harte Arbeit". Er hat als 17-Jähriger bereits 20 Minuten gespielt in Würzburgs Bundesligateam - heute ist so etwas die große Ausnahme.
Loncar kann nach dieser Karriere und mit seinen internationalen Kontakten den Baskets gewiss helfen. "Es ist eine große Chance für mich", sagt er und bedankt sich dafür auch beim Verein. Die Alternativen nach einer langen Laufbahn: Scout, Agent oder Trainer: "Da sitzt du doch immer auf gepackten Koffern. Das hatte ich lange genug. Musst vier Tage die Woche in die USA oder nach China. Danke! Ich will jetzt erst einmal Familie genießen, und wenn die Kinder aus dem Haus sind, wird man sehen, was wird." Klingt ganz danach, als habe ein Weltreisender eine Heimat gefunden. Die Loncars bauen jetzt erst einmal ein Haus in Würzburg.