Sein Trainer bezeichnete ihn in der vergangenen Saison mehr als einmal als "einen meiner Lieblingsspieler". Aber wie das bei Denis Wucherer und den ihm eigenen manchmal süffisanten und bisweilen lakonischen, oft ironischen und fast immer auch humorvollen Einschätzungen ist: Auch dieses Kompliment für Johannes Richter hatte einen Wucherer'schen Hintergrund. Einmal sprach der Trainer es aus nach einer Partie von s.Oliver Würzburg, in der er seinen Power Forward und Center mehrfach an der Bande verbal derart zusammengefaltet hatte, dass auch meterweit entfernt sitzende Zuschauer des Basketball-Bundesligaspiels trotz des Lärms in der Halle problemlos mitbekommen hatten, was dem Coach nicht passte und welche Fehler Richter gemacht hatte. Auch deshalb, erklärte Wucherer mal, sei Richter einer seiner Lieblinge: Er kann an ihm auch mal Dampf ablassen. Und Richter ist keine Mimose.
Hat man sich mit Johannes Richter auch ein paar mal abseits des Parketts ein wenig unterhalten, kann man leicht zu der Einschätzung kommen, dass der in Neustadt an der Aisch geborene Mittelfranke tatsächlich ein ziemlich sonniges Gemüt hat, und er erscheint auch nicht sehr nachtragend. Manch anderer Spieler wäre bestimmt beleidigt gewesen. "Ach, natürlich ist es für keinen schön, wenn er in der Öffenlichkeit angepflaumt wird. Aber ich bin nun ja auch schon relativ erfahren und kann das ganz gut ab", sagt der 2,05-Meter-Hüne, der an Nikolaus 26 wird. Bei allem Tacheles reden - der respektvolle Umgang miteinander ist Richter auch wichtig, und der sei stets gegeben: "Nur dann kann man auch erfolgreich sein."
Angefangen in der NBBL bei den Franken Hexern in Nürnberg, wurde Richter im Nachwuchsprogramm von Brose Bamberg ausgebildet. Für die Oberfranken bestritt er mit 18 auch seine erste Partie in Deutschlands Premiumklasse. Er spielte damals in drei Mannschaften gleichzeitig: In der U 19 in der Nachwuchsbundesliga und in der ProB-Männermannschaft von Bambergs Kooperationspartner TSV Tröster Breitengüßbach sowie eben in der Bundesliga bei Brose. Johannes Richter darf sich auch gleich dreifacher deutscher Meister nennen, weil er 2012 und 2013 für die Bamberger - zumindest in Kurzeinsätzen - auf dem Parkett stand und 2012 mit den Junioren auch NBBL-Meister wurde. Wirklich wichtig erscheint ihm das aber nicht.
Im Oktober 2013 wechselte Richter dann zu den Fraport Skyliners Frankfurt, wo er 2016 mit dem Gewinn des Europe Cups seinen größten sportlichen Erfolg feierte. Den er im Mai diesen Jahres nur mittelbar hätte wiederholen können, weil er sich vor den Europapokal-Finalspielen, die die Baskets gegen Sassari knapp verloren, am Ellenbogen verletzt hatte. Was ihn besonders wurmte, "weil ich zu dem Zeitpunkt gut drauf war". Er hatte nach einer sicherlich nicht einfachen Eingewöhnungsphase, in der er häufig zwischen den Positionen 4 und 5 wechseln musste, seinen Rhythmus gefunden und durfte auch häufiger starten. "Richtig beschissen" empfand er deshalb die Verletzung, die ihn zu einer wochenlangen Pause zwang, die er aber in der Sommerpause auch gut auskurieren konnte.
"Eine sehr sehr schöne Zeit" nennt Richter seine drei Frankfurter Jahre, 2016 wechselte er nach Bonn, wo er aber nicht wirklich glücklich wurde. Über die Eine-Saison-Station Gotha gelangte Richter im Sommer vergangenen Jahres dann nach dem Abstieg der Rockets nach Würzburg. Er sagt, seine Frau und er fühlten sich sehr wohl in der Domstadt und dass er sich auf das Wiedersehen am Sonntag (15 Uhr, s.Oliver Arena) mit seinem ehemaligen Arbeitgeber aus Hessen freue: "Ich habe damals viele Freundschaften geschlossen." Die Skyliners, als Zehnter mit drei Siegen in sieben Spielen, sind Tabellennachbar der in ebenfalls sieben Partien viermal erfolgreichen Baskets. Einen "sehr erfahrenen und sehr physisch" spielenden Kontrahenten erwartet der Fan des Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg, dessen 1:1 gegen den Karlsruher SC im September er sich mit seinen Würzburger Mannschaftskameraden im Max-Morlock-Stadion beaugenzeugte.
In dieselbe Kerbe haut auch Wucherer, der "wie in den letzten Jahren auch immer einen harten Kampf" erwartet gegen die Frankfurter, die sich durch "eine harte Defense und körperliches Spiel" auszeichnen würden. Und deren Spiel vom aktuell besten Schützen der Liga angetrieben wird: Lamont Jones erzielte in den sieben Partien durchschnittlich jedes Mal 20,4 Punkte und gab 5,7 Vorlagen, er wieselte mit über 32 Minuten sogar noch vier Minuten länger pro Partie übers Parkett als sein Würzburger Pendant Cameron Wells (durchschnittlich 15,7 Partien pro Partie und 6,3 Vorlagen).
Auch für einen Frankfurter gibt es ein Wiedersehen mit einem Ex-Arbeitgeber. Leon Kratzer, 2017 für eine Saison von Brose Bamberg nach Würzburg verliehen, wurde bei seinem Heimatklub nicht so recht glücklich - und machte in Frankfurt in der vergangenen Saison einen kräftigen Entwicklungssprung. Als fester Bestandteil der Rotation mit knapp 20 Minuten durchschnittlicher Spielzeit erzielte der Center immerhin gut neun Zähler pro Partie und war der beste Rebounder seines Teams (im Schnitt schnappte er sich sechseinhalb Abpraller). In dieser Saison konnte er seine Einsatzzeit sogar weiter steigern, und er ist hinter Jones mit zehn Punkten pro Spiel zweitbester Werfer seines Teams.
Es wartet also für Johannes Richter, der auch dabei ist, im Vergleich zur Vorsaison einen Sprung nach vorne zu machen, eine interessante, sechs Zentimeter größere und zwölf Kilo schwerere Aufgabe an den Brettern. Auch wenn sie nie gemeinsam in einer Mannschaft aufliefen: "Wir kennen uns ja aus unserer Bamberger Zeit", sagt der vier Jahre ältere Richter über Kratzer. Als "Wochen der Wahrheit" bezeichnet der Würzburger die aktuelle Zeit, in der die Baskets nach dem Sieg in Ulm nun gegen Frankfurt und die Woche darauf gegen Ludwigsburg zumindest andeuten können, ob sie ein ernsthafter oder sogar ein heißer Play-off-Kandidat werden.
Dabei mithelfen soll auch "Junior" Etou, der am Sonntag wohl erstmals im Kader stehen wird. Als "sehr uneigennützig" hat Wucherer den Neuzugang in den ersten Trainingstagen erlebt, der erwartet, dass er "uns gerade in der Verteidigung helfen wird. Mit ihm haben wir mehr Möglichkeiten zu variieren". Wenngleich der 25-jährige Kongolese natürlich noch ein paar Wochen Zeit brauchen wird, sich an die neuen Spielsysteme zu gewöhnen. Wucherer ist überzeugt: "Wir werden viel Spaß mit ihm haben."