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Basketball: Bundesliga
Baskets: Wie Desi Rodriguez gerade zurückzahlt
Nach der zehnten Auswärtsniederlage: Was der 25-jährige US-Amerikaner zu seinem Gala-Auftritt sagt und was er für die Zukunft von s.Oliver Würzburg erwartet.
Desi allein in Ulm: Rodriguez (mit dem Ball) warf zwar fast die Hälfte aller Punkte der Baskets, konnte die 86:92-Niederlage der Baskets aber auch nicht verhindern.
Foto: HMB Media/Sascha Walther | Desi allein in Ulm: Rodriguez (mit dem Ball) warf zwar fast die Hälfte aller Punkte der Baskets, konnte die 86:92-Niederlage der Baskets aber auch nicht verhindern.
Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:00 Uhr

Womöglich ist es ein wenig überhöht, aber der Gedanke ist viel zu naheliegend, um ihn zu verschweigen: Vielleicht kann ein in der wegen ihrer Multikulturalität genauso  wie wegen ihrer Kriminalität berüchtigten Bronx aufgewachsener Mensch doch ein wenig mehr auf die Zähne beißen als anderswo Geborene. Eventuell hat es etwas mit den Erfahrungen auf den Straßen dieses New Yorker Stadtteils zu tun. Oder eben einfach auch nur mit professionellem Willen.

Desi Rodriguez sagte Mitte Oktober vergangenen Jahres, nachdem er die ersten bemerkenswerten Auftritte für Würzburg hingelegt hatte, über seine Herkunft: "Ich habe dort viel gelernt, auch fürs Leben." Ohne näher auf Details einzugehen. Er lächelte dabei, und sein Lächeln wirkte ein wenig süffisant, ein bisschen so, als ob er sich dabei dachte: Mann, Du hast ja echt keine Ahnung, was es heißt, dort groß zu werden.

Das Leben und sein Beruf haben den New Yorker nach Europa verschlagen, inzwischen nach Würzburg. Und dort, beim Basketball-Bundesligisten s.Oliver  fühlt er sich wohl. Sagt er jedenfalls heute: "Ich mag Deutschland sehr", wenngleich er natürlich auch nicht ausschließen mag und kann, in Zukunft woanders zu arbeiten. Bereits während dieser Saison flatterten den Baskets Angebote für Rodriguez aus dem Ausland auf den Tisch: Der Klub ließ ihn aus verständlichen Gründen nicht ziehen. Dass er auch in der kommenden Saison noch für Würzburg auflaufen wird, erscheint nach seinen zuletzt gezeigten Auftritten freilich als ziemlich realitätsfremd.

23 Punkte. In 27einhalb Minuten. Damit hatte Desi Rodriguez am zweiten Spieltag beim 90:88-Sieg der Baskets gegen Oldenburg Mitte Oktober seinen Bundesliga-Bestwert aufgestellt. Am vergangenen Freitag in Ulm pulverisierte er diese Marken: 41 Punkte in fast 30 Minuten. Also fast die Hälfte aller Baskets-Zähler bei der 86:92-Niederlage. Und das, obwohl sein Trainer Sasa Filipovski zuletzt immer wieder behauptete, Rodriguez sei wegen seiner Achillessehnenreizung bei gerade einmal 50 Prozent. Rodriguez sagt, er sei aktuell bei zirka 80 Prozent und fühle sich gerade auch viel besser als noch vor zwei, drei Wochen.

Plaudert man zwei Tage nach der zehnten Auswärtsniederlage der Baskets im zehnten Spiel in der Fremde mit dem 25-Jährigen und spricht ihn darauf an, dass die Gegner ja eigentlich fürchterlich Angst bekommen müssten, wenn er mit seinen 80 Prozent derart spielt und was wohl geschehen könnte, wenn er wieder bei 100 Prozent angelangt ist, dann lacht Desi Rodriguez herzerwärmend. Und meint: "It was the biggest game in my career, for sure." Also das größtes Spiel in seiner Laufbahn. Eine Leistung, die natürlich nicht jederzeit zu wiederholen sei.

Dann betont Rodriguez den Wert der Mannschaft, die ihn im Training immer fordere. Und lobt den Trainer über den grünen Klee. Und hebt die Entwicklung des Teams in der jüngeren Vergangenheit hervor. Es scheint, als spreche Desi Rodriguez nicht so gerne über sich, er macht den Eindruck, dass er auch nicht gerne im Mittelpunkt steht. Fast schon im Widerspruch zu seinem dominanten Auftreten auf dem Parkett: angenehm zurückhaltend. "Ich versuche, nicht an meine Verletzung zu denken, und sie darf auch keine Entschuldigung sein", sagt Rodriguez noch, und dass er es liebe, "wie die Mannschaft gerade spielt".

So gut der Aufwärtstrend der Baskets erscheinen mag: Nach dem Ausraster von Trainer Sasa Filipovski, der gut fünf Minuten vor Schluss einen Schiedsrichter beleidigte und deshalb aus dem Innenraum der Halle verwiesen wurde, wird er mit einer mindestens ein Spiel dauernden Sperre rechnen müssen. Die Würzburger verloren die Partie letztlich mal wieder vor allem wegen ihrer Schwäche unter dem eigenen Korb. "Wir müssen einfach lernen, noch besser zu verteidigen", sagt Rodriguez. Nach drei freien Tagen wird ab Dienstag wieder daran gearbeitet.

So mutmachend die Entwicklung zuletzt erscheinen mag – vor der nun anstehenden zweiwöchigen Länderspielpause ist tabellarische Tatsache: Die Baskets stehen mit nur fünf Saisonsiegen hauchdünn und punktgleich mit den auf Abstiegsrang 17 logierenden Oldenburgern im Keller. Gießen ist mit vier Siegen Letzter. Die derzeit, kurz nach Saisonhalbzeit, noch in realistischer Schlagdistanz liegende Konkurrenz: Frankfurt (ebenfalls fünf Siege), MBC (sechs) und Aufsteiger Heidelberg (sieben) als Dreizehnter. Gegen alle fünf Konkurrenten im Kampf gegen den Abstieg spielen die Baskets noch einmal.

Vielleicht darf dann auch Desi Rodriguez auf einer Position spielen, die er mehr mag als die, auf der er aktuell aushelfen muss: Filipovskis Vorgänger Denis Wucherer hatte es zum Ende seiner Zeit mal ausprobiert, Rodriguez, der sich auf dem Flügel wohler fühlt, als Center einzusetzen. Es funktionierte damals schon ziemlich gut – auch wenn die Siege ausblieben. Den Vielseitigen darf man ungestraft als das für die Baskets beste Gesamtpaket im Kader bezeichnen. Vielleicht sogar, ohne zu despektierlich sein zu wollen, als eine Art eierlegende Wollmilchsau, wie sie die Berliner in Luke Sikma gefunden haben.

Wucherer bezeichnete den Modellathleten, bei dem sich angeblich knapp 100 Kilo auf 1,98 Meter Körpergröße verteilen, einmal als "Instinktspieler". Also als einen, der auch nicht immer in jedem Spielzug darauf hört, was die Trainer vorgeben. Einer, der bisweilen situationsabhängig eigene Entscheidungen trifft auf dem Parkett. Rodriguez, der auch immer wieder für gute Laune in der Mannschaft sorgt, hat zuletzt reichlich viele richtige Entscheidungen getroffen. "Ich bin mit so offenen Armen hier empfangen worden. Da möchte ich gerne auch etwas zurückgeben", hatte Rodriguez im vergangenen Oktober gesagt. Das tut er gerade ziemlich eindrucksvoll.

 
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  • J. L.
    Wenn schon über das Spiel, Rod und den Trainer berichtet wird, könnte man auch über die Leistung der Schiedsrichter berichten. Die war unterirdisch. Klare Fouls die nicht gegeben wurden zum Beispiel. Das man ohne Sieg nach Hause kommt, lag dennoch an der „Atempause“ die sich die Würzburger nahmen und die Ulm nutzte.

    Trotzdem: die Mannschaft zeigt Biss. Das Spiel war sensationell anzusehen.
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