
Christoph Schüller war in der zweiten Tischtennis-Bundesliga der Amateur unter lauter Profis. Während sich die anderen nur um ihren Sport gekümmert hatten, war das Eigengewächs des TSV Bad Königshofen zusätzlich noch studieren gegangen. Auch im Anschluss nahm der 32-Jährige, der aus Kleinbardorf kommt und heute in Wien lebt, viel auf sich, um am Ball zu bleiben, wie er im Interview erzählt.
Christoph Schüller: Das war kein Steilpass auf dem Spielfeld, sondern ein Vorhand-Topspin übers Netz, geschlagen von Udo Braungart, dem ehemaligen Geschäftsführer des Tischtennis-Bundesligisten TSV Bad Königshofen. Er hat mich in meiner sportlichen Entwicklung unterstützt und war einige Jahre mein Individualcoach, als die Möglichkeiten dort noch begrenzt waren und ich keinen Trainingspartner hatte. Für seine Hilfsbereitschaft bin ich Udo sehr dankbar.
Schüller: Seit ich zehn bin, spiele ich Tischtennis in Bad Königshofen, von der Landesliga bis in die zweite Bundesliga. Als Mannschaft waren wir vier Jahre ungeschlagen und sind dreimal hintereinander aufgestiegen. Mit dem Aufstieg in die erste Bundesliga bin ich in die zweite Mannschaft gegangen, um mich auf mein Studium zu fokussieren. Mein Niveau hätte nicht für die absolute Spitze gereicht. Nach mehr als 20 Jahren wechsele ich nun zum ersten Mal den Verein und setze meine Karriere in der Nähe von Wien bei Benefita Guntramsdorf in der zweiten österreichischen Liga fort. Deren Leistungsniveau ist mit der Regionalliga in Deutschland vergleichbar.
Schüller: Der Stellenwert ist deutlich geringer als in Deutschland. Bei den deutschen Meisterschaften habe ich vor ein paar Tausend Leuten gespielt. Zu den österreichischen Meisterschaften kommen 20 Zuschauende. In Bad Königshofen waren bei meinen Spielen 500 Fans in der Halle. Hier sind es in der Liga gerade mal zwei Dutzend.
Schüller: Ich habe zehn Jahre leistungsorientiert im Nachwuchs des TSV Großbardorf gespielt, zusammen mit Johannes Geis, der heute Profi beim 1. FC Nürnberg ist. Einige Jahre ging das parallel zum Tischtennis. Nach drei Leistenverletzungen innerhalb einer Saison habe ich als Jugendlicher mit dem Fußball aufgehört. Später habe ich ein bisschen in der B-Klasse für die DJK Kleinbardorf und den TSV Bad Königshofen gekickt. Das war ein schöner Ausgleich zum Tischtennis. Ich konnte dabei an meiner Schnelligkeit und Ausdauer arbeiten. Davon habe ich beim Tischtennis profitiert.
Schüller: Spätestens als wir in der zweiten Liga waren, kam das nicht mehr so gut an. Ich habe aber aufgepasst, dass nie etwas passiert ist, bis auf ein paar Schrammen, die auf den schlechten Rasenplatz zurückzuführen waren. Trotzdem bin ich keinem Zweikampf aus dem Weg gegangen. Die Schienbeinschoner haben definitiv geholfen.

Schüller: Glaube ich nicht. Mit Johannes Geis, der ein Ausnahmetalent war, konnte ich nicht mithalten. Mit 15 Jahren habe ich mir überlegt, wo es in beiden Sportarten hingehen kann. Es war aber auch im Tischtennis nicht absehbar, dass ich mal in die zweite Liga komme. Tischtennis hat mir damals einfach mehr Spaß gemacht.
Schüller: Ich war weniger mit Talent gesegnet und musste dafür mehr trainieren als die anderen. Außerdem war ich ein Spätzünder, der viel aufzuholen hatte. Bis ich 15 war, habe ich lediglich zwei, drei Mal in der Woche trainiert. Danach waren es fünf, sechs Stunden täglich. Das hat bei mir zu einem Leistungssprung geführt. Für die individuelle Förderung durch den Tischtennisverband war ich leider schon zu alt. Ich musste mir daher selbst geeignete Trainingspartner in Unterfranken suchen. In Bad Königshofen hatte ich nur Kilian Ort. Die anderen Mitspieler kamen zum Teil aus dem Ausland und sind nur zu den Spielen angereist. Später während meines Studiums in Prag durfte ich kostenlos mit der tschechischen Nationalmannschaft trainieren.
Schüller: Ich bin jedes Mal 400 Kilometer zu den Heimspielen gefahren. Von Wien aus, wo ich seit vier Jahren lebe, waren es 650. Das hätte ich für keinen anderen Verein gemacht: Freitagabend direkt nach der Arbeit ins Auto, nach Mitternacht Ankunft bei meinen Eltern in Kleinbardorf, Samstagvormittag Training, nachmittags der erste Spieltag, am selben Abend oder Sonntag meistens der nächste und anschließend wieder sechs Stunden nach Hause. Acht Jahre ging das so und war extrem anstrengend. Ich musste aufpassen, nicht am Lenkrad einzuschlafen. Durch ein Schneechaos bin ich mal morgens um halb vier in Wien angekommen. Damit ist jetzt Schluss.
Schüller: In dieser Liga muss man wie ein Profi trainieren. Das habe als ich einer von ganz wenigen Amateuren neben dem Studium gemacht, um gegen die Halb- und Vollprofis einigermaßen mithalten zu können. Das war für mich schwierig. Wenn wir nach den Auswärtsspielen spätabends mit dem Bus heimgefahren sind, haben die Teamkollegen geschlafen, während ich für die Uni lernen musste. Es sind zwei Welten aufeinandergeprallt. Ich habe gemerkt: So verrückt nach Tischtennis bin ich nicht, um mein ganzes Leben darauf auszurichten.
Schüller: Ich fand das gut. Er wurde immer besser, wovon ich im Training mit ihm profitiert habe. Wir haben uns über die Jahre gegenseitig hochgeschaukelt, ohne dass ich die Aufmerksamkeit hatte, die Kilian bekam. Neidisch war ich deswegen nie.
Schüller: Ich wurde mit dem ersten Preis ausgezeichnet, weil ich den Schiedsrichter korrigiert und nach einem Netzaufschlag des Gegners auf den Matchball verzichtet habe. Nach der Wiederholung des Ballwechsels habe ich mein Spiel trotzdem gewonnen. Bei einer Fehlentscheidung hätte ich mich nicht über den Sieg freuen können.
Schüller: Tischtennis ist im Mutterland China Volkssport. Überall gibt es Hallen, in denen gespielt wird. Ich war zweimal dort und habe die Begeisterung selbst erlebt. In Peking hat sich während meines Aufenthalts herumgesprochen, dass ein deutscher Spieler in der Stadt ist. Die Besten kamen, um gegen mich anzutreten. In Deutschland hingegen spielt niemand Tischtennis, um berühmt zu werden. Die Leidenschaft für diesen Sport ist der Hauptantrieb.
Schüller: Ich habe in Würzburg und Prag Wirtschaftswissenschaften studiert. Seit vier Jahren arbeite ich in Wien im Immobilieninvestment. Da ich beruflich stark eingespannt bin, habe ich leider nicht viel Zeit, die Schönheit der Stadt zu genießen.
Schüller: Mich würde interessieren, wie es meinem ehemaligen Großbardorfer Fußballkameraden Björn Schönwiesner geht. Beim Studium in Würzburg sind wir uns später wieder begegnet. Ich habe länger nichts mehr von ihm gehört, außer dass er in der Zwischenzeit beruflich in den USA war und nun für Eintracht Bamberg in der Regionalliga spielt.
Das Interview-Format "Steilpass"
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