Als Schiedsrichter Adriano Ravalli am Sonntag, 12. Mai, um 16.56 Uhr das Spiel der Fußball-Kreisliga Würzburg 2 zwischen dem TSV Duttenbrunn und dem FV Karlstadt beim Stand 1:2 abpfiff, schlug Philipp Knorr die Hände vors Gesicht. Die Enttäuschung war dem Mittelfeldspieler der Heimelf, der auch gleichzeitig Sportleiter des Vereins ist, anzusehen. Droht doch den Duttenbrunnern nach der Niederlage der Gang in die Abstiegsrelegation.
Angesichts der wenig erbaulichen sportlichen Situation trat etwas anderes in den Hintergrund: Die Partie gegen den FV Karlstadt war nach mehr als fünf Jahrzehnten im Spielbetrieb das letzte Heimspiel für den TSV Duttenbrunn als selbstständiger Verein. Kommende Saison wird es eine Spielgemeinschaft mit den Nachbarvereinen FC Karbach und TSV Urspringen geben, die bereits seit dem Jahr 2018 miteinander kooperieren.
In den Dörfern der im Zentrum des Landkreises Main-Spessart gelegenen Fränkischen Platte ist der TSV Duttenbrunn gegenwärtig der letzte Fußball-Verein, der noch selbstständig am Spielbetrieb teilnimmt. Drumherum spielen der FV Steinfeld/Hausen-Rohrbach, der FC Wiesenfeld-Halsbach, die (SG) TSV Urspringen/FC Karbach und die SpVgg Waldzell-Ansbach/FC Roden – alles Zusammenschlüsse mehrerer Ortschaften. Dass jedes Dorf auch seine eigene Fußballmannschaft stellt, das gibt es vielerorts schon seit Jahren nicht mehr.
"Wir sind stolz drauf, dass wir so lange allein durchgehalten haben, aber jetzt ging es nicht mehr", betont Thomas Fuchs und fügt an, dass der Mannschaft in den kommenden Jahren die Fußballer ausgegangen wären. Der 63-Jährige mit der Schirmmütze und dem Polo-Shirt in den blauen Vereinsfarben war 23 Jahre lang – von 1999 bis 2022 – Vorsitzender des TSV, ferner auch Jugendtrainer, Spieler, Sportleiter und Archivar des Klubs. Er besitzt eine Urkunde, die die Anmeldung des 1948 gegründeten TSV Duttenbrunn zum Spielbetrieb des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) auf das Jahr 1961 datiert.
Der Sportplatz ist ein wichtiger Treffpunkt
Künftig wird es auf dem außerhalb des Dorfs an der Straße nach Stadelhofen gelegenen Sportplatz nicht mehr alle zwei Wochen, sondern nur noch alle sechs Wochen Heimspiele geben, weil ja auch in Karbach und Urspringen gespielt werden soll. "Das tut schon weh. Für die Leute ist der Sportplatz ein Treffpunkt, wo sie jeden zweiten Sonntag zusammenkommen. Es gibt ja hier keine Kneipe mehr", sagt Fuchs.
Was der frühere Vorsitzende beschreibt, ist eine Entwicklung, die auf dem Land nicht untypisch ist. Viele Institutionen, die es einst gab, existieren nicht mehr. Die Duttenbrunner Dorfchronik vermerkt die Auflösung der Grund- und Hauptschule im Jahr 1968, nach der Gebietsreform trat mit Horst Charne 1978 der letzte Bürgermeister ab, seitdem gehört das Dorf politisch und verwaltungstechnisch zur Marktgemeinde Zellingen. Die letzte Bäckerei schloss um 1980, das Gasthaus "Zur Krone" um die Jahrtausendwende.
Gleichwohl ist Duttenbrunn kein sterbendes Dorf, die Einwohnerzahl ist mit knapp unter 500 seit 20 Jahren stabil. Bauplätze im Neubaugebiet "Dürre Wiese-Neubrunn" sind gefragt – gerade in Zeiten steigender Zinsen, in denen der Erwerb von Wohneigentum im städtischen Raum für viele schwierig ist. Mit Georg Hartmann hält ein Ruhestandspfarrer sogar noch regelmäßig katholische Messen, unter der Woche fährt neunmal täglich der Linienbus in die Kreisstadt Karlstadt.
Trotz der stabilen Einwohnerzahl ist der Nachwuchs an potenziellen Fußballern in dem von Feldern umgebenen Dorf spärlich. "Die Kinder sind weniger geworden, obwohl die Einwohnerzahl kaum zurückgegangen ist. Es gibt nur noch drei oder vier pro Schuljahrgang. Und von denen spielen eben auch nicht alle Fußball", beschreibt Fuchs. "Es sind weniger Familien im Ort, die Kinder haben. Die Bevölkerung ist älter geworden."
Durchgängige Jugendarbeit, in der alle Altersklassen besetzt waren, gab es in Duttenbrunn ohnehin nie. Dafür war das Dorf schlichtweg zu klein. Nachwuchsteams gab es immer nur sporadisch, wenn einmal genügend Fußballer einer Altersklasse da waren, um eine Mannschaft zu bilden. Eine Gründung datiert aus dem Jahr 1968, zwei Jahre später errang eine Duttenbrunner Mannschaft den einzigen Jugend-Meistertitel der Vereinsgeschichte. Danach herrschte längere Zeit Flaute, bevor sich 1988 wieder ein Jugendteam formierte. Dessen Trainer war übrigens Thomas Fuchs. "Von den Jungs, die ich damals trainiert habe, hat dann die erste Mannschaft lange Zeit profitiert", berichtet er.
Jugendliche spielen in anderen Vereinen
Die meiste Zeit spielten Duttenbrunner Nachwuchskicker in benachbarten Orten – sei es in Retzbach, Zellingen, Urspringen oder Birkenfeld. "Gegenwärtig spielen zwei oder drei Jugendliche in anderen Vereinen", sagt Fuchs. Selbst wenn die irgendwann zurückkehren würden, würde das nicht reichen, um die personellen Lücken zu schließen, die sich in den kommenden Jahren im Männerbereich auftun werden. Auch deshalb haben sie sich in Duttenbrunn nun dafür entschieden, die Spielgemeinschaft mit Karbach und Urspringen einzugehen.
"Einige Spieler sind 30 oder schon darüber, die werden nicht mehr ewig spielen. Und es kommt eben nichts nach", erklärt Fuchs. Externe Neuzugänge seien schwer für die Mannschaft zu gewinnen. Zudem spielt der derzeit beste Fußballer aus Duttenbrunn, Jonas Leibold, beim TSV Karlburg und ist da gerade mit seiner Mannschaft in die Bayernliga aufgestiegen. "Wir können nicht viel mehr bieten als die Kameradschaft", macht der frühere Vorsitzende klar. Konsequenz ist, dass in der gegenwärtigen Mannschaft außer Torwart Patrick Luger und Spielertrainer Johannes Gold alle Fußballer aus Duttenbrunn stammen.
Ein Kreisliga-Spiel wird der TSV Duttenbrunn noch bestreiten, am Freitag, 17. Mai, ist um 18.30 Uhr Anpfiff im knapp acht Kilometer entfernten Zellingen. Sollte es anschließend in ein Relegationsspiel gehen, fände dieses auf neutralem Platz statt. Und wenn im Sommer 2024 – sei es in der Kreisliga oder in der Kreisklasse – wieder ein Heimspiel ansteht, dann wird eine neue Zeitrechnung begonnen haben und nicht mehr der TSV Duttenbrunn, sondern die SG Urspringen/Karbach/Duttenbrunn auf dem Rasen stehen.