
Für fast ein halbes Jahrhundert lang haben die Kühltürme des AKW Grafenrheinfeld den Blick über das Maintal bei Schweinfurt geprägt. Am Abend des 16. August 2024 wird sich dieser Blick wieder verändern: Dann werden die 143 Meter hohen Bauwerke nach zwei Detonationen in einer riesigen Staubwolke zu Boden sinken.
Zurück ins Jahr 1969. In einem eher unscheinbaren Bericht informiert das Schweinfurter Tagblatt am 12. August, dass der Gemeinderat Grafenrheinfeld dem Bau des Werks zugestimmt hat und darin große Vorteile für die Kommune sieht. Sie treffen später in hohe Gewerbesteuereinnahmen ein, die das 3000-Einwohner-Dorf zu einer prosperierenden Gemeinde machen.



Aus breiten Schichten der Bevölkerung gibt es aber auch massiven Protest gegen das AKW. Gewalttätige Züge allerdings, wie später etwa in Brokdorf an der Elbe, nimmt er nie an. Während der gesamten Laufzeit schläft der Widerstand nicht ein.
Demonstrationen und Gerichtsverfahren können das Projekt indes nicht aufhalten: 1975 geht es auf der größten Baustelle der Region los.


Im Dezember 1981 ist das damalige Bayernwerk am Ziel: Der Reaktor wird hochgefahren, die Stromproduktion startet.
Bayernwerk ist stolz auf "Weltmeister" der Stromproduktion
Stolz ist man beim Betreiber, dass die Anlage vor den Toren Schweinfurts zweimal "Weltmeister" aller bestehenden AKW wird: Sie erzeugt den meisten Strom eines Jahres. Insgesamt wird das Werk bis zur Abschaltung 333 Milliarden Kilowattstunden produzieren.
Ebenfalls mit Zufriedenheit weist man im Bayernwerk und später bei Eon darauf hin, dass man zu den sichersten Anlagen zähle. 242 meldepflichtigen Ereignisse sind für das AKW beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung gelistet, alle in den untersten Kategorien der internationalen Stufenliste.
Ein Ereignis ragt allerdings heraus: Im Juni 2010 wird ein Riss an einem Rohr des Primärkreislaufes bekannt. Bundesweite Schlagzeilen löst er auch deswegen aus, weil Eon die Anlage nicht sofort abschaltet, sondern das betroffene Teil erst bei der nächsten Revision austauscht.
Atommülltransporte der besonderen Art
Wie fast überall an AKW-Standorten stehen die Atommülltransporte im Fokus. Die Besonderheit in Grafenrheinfeld: Die Behälter werden am Bahnhof im benachbarten Gochsheim von Lkw auf die Schiene verladen. In der Nähe von Wohngebäuden. Der Bau des Zwischenlagers BZR beendet diese Praxis 2006.



Das Hin und Her der deutschen Atompolitik zwischen Abschaltung und Stilllegung trifft dann auch Grafenrheinfeld: Am 27. Juni 2015 wird der Reaktor endgültig vom Netz genommen, vor Ort feiern seine Gegner.
Die Zwischenlager werden bleiben
Stück für Stück wird das Kraftwerk seit 2018 zurückgebaut. Bis 2035 soll das dauern. Die Geschichte der Atomkraft rund um Schweinfurt wird dann nicht beendet sein: Die beiden Zwischenlager bleiben.