
In die nächste Runde geht die Auseinandersetzung an diesem Dienstag in der Schweinfurter Stadthalle. Unter Moderation des Oberbürgermeisters Sebastian Remelé diskutieren die E.ON-Kernkraft-Pressesprecherin Petra Uhlmann, der Amtschef des Bayerischen Umweltministeriums, Wolfgang Lazik, und Stephan Kurth vom Ökoinstitut Darmstadt über den Fall.
Hier eine Chronologie der Ereignisse und der Diskussion:
Das KKG wird für die Jahresrevision abgeschaltet. Mit 16 Wochen wird es die längste in der Geschichte des Kraftwerks.
Am Thermoschutzrohr, das an der Verbindung zwischen Druckhalter und Primärkreislauf sitzt, werden auffällige Messwerte ermittelt – wie schon 2001. TÜV und E.ON gehen nach Berechnungen und Analysen davon aus, dass es sich um kein sicherheitsrelevantes Problem handelt. Am 27. Juni geht das KKG wieder ans Netz.
Die Reaktor-Sicherheits-Kommission (RSK) berät über den Fall und sieht keinen sofortigen Handlungsbedarf. E.ON hält es für wahrscheinlich, dass es sich um Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung, etwa eine unebene Stelle, und nicht um einen Riss handelt. Das Bauteil soll bei der nächsten Revision im März 2011 ausgetauscht und untersucht werden.
Acht Gemeinden im Landkreis Schweinfurt sowie die Städte Schweinfurt und Würzburg wenden sich in Resolutionen gegen die geplante Laufzeitverlängerung für Grafenrheinfeld.
Die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag stimmt der Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke zu. Damit darf Grafenrheinfeld statt bis 2014 nun bis etwa 2028 weiterlaufen.
Bundespräsident Christian Wulff unterzeichnet das schwarz-gelbe Atomgesetz. Einige Bundesländer kündigen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht an.
Erneut diskutiert die RSK über die Messwerte.
Der mögliche Riss wird zum meldepflichtigen Ereignis, wie das bayerische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde im Internet ausführt. Der Betreiber habe dies „vorsorglich und vorläufig“ gemeldet.
E.ON geht mit einer schwer verständlichen Pressemitteilung an die Öffentlichkeit; Rückfragen sind in der Pressestelle vor Weihnachten nicht mehr möglich. Eine entsprechende Meldung veröffentlicht diese Zeitung.
Der „Spiegel“ veröffentlicht im Internet einen Vorabbericht des Magazins, wonach es unter Atomexperten einen Streit gebe, ob Grafenrheinfeld wegen des „Mini-Risses“ sicher sei. Die bundesweite Debatte ist damit eröffnet.
E.ON reagiert mit einer ausführlichen Pressemitteilung; nach den Befunden lägen keine Kriterien vor, die den offiziellen Meldekategorien entsprächen. Der damalige RSK-Vorsitzende äußert in einem Brief: Bedenken über die Sicherheit des KKG, wie sie im „Spiegel“ aus RSK-Kreisen zitiert worden sind, seien in den Sitzungen des Gremiums nicht geäußert worden. Es handle sich allenfalls „um einen persönlichen Kommentar“.
Politiker von SPD, Grünen und Linken – vor allem aus der Region – fordern die sofortige Abschaltung des KKG und den Austausch des Rohrs. Sie kritisieren eine mangelnde Informationspolitik von E.ON.
Ins Visier der Oppositionskritik gerät auch das bayerische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde.
Grüne und Linke machen die Messwerte und den möglichen Riss zum Thema im Bundestag. Eine Staatssekretärin des Bundesumweltministeriums verteidigt die Entscheidung, bis März zu warten.
Der „Tagesspiegel“ berichtet, dass gleichartige Ultraschallmessungen wie im Juni 2010 im KKG auf Geheiß des Bundesumweltministeriums in allen deutschen Atommeilern vorgenommen werden sollen.
Atomexperte Wolfgang Renneberg warnt vor einem großen Sicherheitsrisiko: Er kenne kein deutsches AKW, das nach einem solchen Befund weiterlaufen dürfe. Einige Tage später spricht daher MdB Hans–Josef Fell (Grüne) von einem „Tabubruch“. Auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) gerät unter Druck.
KKG-Chef Reinhold Scheuring meldet sich zu Wort. Das Kraftwerk sei sicher, Gegner versuchten Ängste in der Bevölkerung zu schüren.
Wie diese Zeitung exklusiv berichtet, hält der Schweinfurter FH-Professor Johannes Paulus einen Riss aus technischer Sicht für unproblematisch; vor allem weil er in den vergangenen zehn Jahren nur minimal gewachsen sein könne. Die Diskussion ist für ihn ein „Sturm im Wasserglas“. Mit knapper Mehrheit lehnt der Schweinfurter Stadtrat eine Dringlichkeitssitzung zu diesem Thema ab.
Das KKG ist Thema im Landtag: Laut Umweltministerium könne es wegen des Befunds nicht zu einem Störfall kommen. Dennoch sorgen sich viele Bürger in Leserbriefen an diese Zeitung um die Sicherheit im KKG.
Wie vergiftet die Atmosphäre zwischen KKG-Leitung und Kernkraftgegnern ist, zeigt das Aufeinandertreffen beider Seiten bei einer Live-Schaltung des Bayerischen Fernsehens in Garstadt.
Erstmals diskutieren führende Vertreter von E.ON, Umweltministerium und Ökoinstitut öffentlich über den Fall. Beginn ist um 19.30 Uhr in der Schweinfurter Stadthalle.
Chronologie und Hintergründe technisch/offiziell/ökonomisch/politisch
Die offizielle Geschichte und ein bisschen
[mehr]