Ein knappes Jahr ist es her, dass die Kommission zur Untersuchung Würzburger Straßennamen ihren Abschlussbericht vorlegte. Über vier Jahre lang hatte sich die elfköpfige Fachkommission mit der Frage beschäftigt, welche Würzburger Straßen und Plätze Namen von Menschen tragen, deren Rolle in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur eine problematische war. Konkret ging es um Personen, "deren aktive Lebensphase in die NS-Zeit fällt und von denen anzunehmen ist, dass sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen", so hieß es seinerzeit in der Aufgabenstellung der Stadtrates an die Kommission.
Kommission sah Handlungsbedarf bei neun Namensgebern
Bei neun Namensgebern sah die Kommission, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Stadtratsmitglieder angehörten, Handlungsbedarf. Einige Straßen sollen laut Kommissionsempfehlung umbenannt werden (siehe Infobox). Vor allem einer der Namen dürfte bis zur Stadtratsentscheidung für Diskussionen sorgen – der von Hermann Zilcher (1881-1948), Begründer des Würzburger Mozartfests. Der Name des Musikers, Komponisten und Musikpädagogen steht auf einem Straßenschild im Frauenland, und das soll nach Empfehlung der Kommission demnächst nicht mehr der Fall sein.
Laut Kommissionsbericht hat sich Zilcher "mit mehreren seiner Kompositionen in den Dienst der NS-Propaganda" gestellt und verfügte über intensive Kontakte zur regionalen NS-Prominenz. Zudem habe er Eugen Vinnai, einen Vertreter der Bewegung der "Christlichen Wissenschaft", aus privaten Motiven bei der Gestapo angezeigt und Vinnai als "Volksschädling" bezeichnet, der "Wehrkraftzersetzung" betreibe.
Dass sich um Hermann Zilcher eine Debatte entzünden würde, hatte sich im Lauf dieses Jahres bereits abgezeichnet, deutlich wurde es am Dienstag bei einer öffentlichen Anhörung, zu der die Stadt Anwohnerinnen und Anwohner der betroffenen Straßen sowie die Öffentlichkeit eingeladen hatte. Bei der von rund 70 Menschen besuchten Veranstaltung im CCW ging es in Wortmeldungen der Besucherinnen und Besucher zwar auch um weitere der neun Namensgeber, die umfangreichsten Beiträge gab es jedoch zu Hermann Zilcher.
Name Hermann Zilchers ist im kulturellen Leben Würzburgs präsent
Das dürfte wohl auch daran liegen, dass Zilcher im Kulturleben der Stadt immer noch sehr präsent ist, vor allem natürlich wegen des Mozartfestes, das erst in diesem Jahr sein 100. Jubiläum feierte. Zudem pflegt die Hermann-Zilcher-Gesellschaft in Würzburg das künstlerische Erbe des Komponisten.
Helga Zilcher, jüngste Tochter des Komponisten, stellte am Dienstag im CCW dann auch die direkte Verbindung zwischen dem berühmten Festival und einer Umbenennung der nach ihrem Vater benannten Straße her: "Warum hält eine Stadt am Mozartfest fest, weil sie von ihm profitiert, und verurteilt seinen Gründer?", fragte sie in ihrem vorbereiteten Statement. Nach dem Krieg hätten sich auch jüdische Musiker anerkennend über ihren Vater geäußert hätten, darunter die Zilcher-Schüler Norbert Glanzberg (1910-2001) und Heinz Freudenthal (1905-1999): "Warum sollten diese Personen alle lügen? Sie hatten doch nach dem Krieg nichts zu verlieren."
"Der Auftrag der Kommission hat nichts mit einer Verurteilung zu tun", entgegnete Würzburgs Kulturreferent Achim Könneke, der auch Vorsitzender der Straßennamenkommission war. "Es geht darum, dass wir in Kenntnis der Fakten eine zusätzliche Ehrung beibehalten oder ändern", sagte er und betonte, es gehe nicht um eine "Entehrung der Person". Für Zilcher wie für die anderen in Rede stehenden Namensgeber gelte, dass die Untersuchung des Verhaltens in der NS-Zeit keine Schmälerung wissenschaftlicher oder künstlerischer Verdienste sei: "Diese Leistungen sind da und bleiben unbenommen", so Könneke.
Genau das allerdings zieht Wolfgang Baumann in Zweifel. Der Rechtsanwalt und Stadtrat (ZfW) meldete sich am Dienstag ebenfalls zu Wort und sprach davon, dass die Aberkennung der Namensgeberwürde einem "Unwerturteil" gleichkomme. "Wenn dieses Unwerturteil im Internet steht, dann ist sein Name verbraucht, dann werden seine Kompositionen nicht mehr gespielt werden", sagte Baumann mit Blick auf Zilcher und stellte die Arbeit der Straßennamenkommission auch insgesamt infrage: "Ich habe Eindruck, dass diese Kommission einen Irrweg gegangen ist und auch unter Verfolgungsinteresse Entscheidungen vorbereitet hat."
Im Abschlussbericht sei die Kommission zu "höchst subjektiven Schlussfolgerungen" gekommen, wesentliche Informationen seien ausgeblendet worden, so Baumann. Das Ergebnis sei eine "einseitige Bewertung und Darstellung". Eine Einschätzung, die Kulturreferent Könneke "entschieden" zurückwies: " Warum sollte sich eine ganze Gruppe verschwören? Das ist ein hartes Stück!" Baumann solle seine Behauptungen mit Fakten unterlegen.
Wolfgang Baumann will eigene Recherchen zu Hermann Zilcher vorstellen
Genau das will Wolfgang Baumann, der Mitglied der Zilcher-Gesellschaft ist, demnächst auch tun. Seit Längerem arbeitet er an einer eigenen Recherche zu Hermann Zilchers Verhalten in der NS-Zeit. Die Ergebnisse will er noch im November öffentlich vorstellen, wie er am Mittwoch gegenüber der Redaktion sagte.
Kulturreferent Könneke sieht den Entscheidungsprozess zu den Straßennamen im Zeitplan. Ein öffentliches Symposium zu Kardinal Faulhaber soll noch im Dezember stattfinden, die Stadtratsentscheidung zu den neuen Straßennamen ist für Anfang 2022 geplant.
Von den Besucherinnen und Besuchern, darunter mit Michael Fey, Sohn von Nikolaus Fey, noch ein weiterer Angehöriger der Namensträger, kam am Dienstag ein differenziertes, aber durchweg sachliches Meinungsbild. "Die Kommission hat mir die Augen geöffnet", sagte so ein Besucher, "Heute kann man vieles anders sehen", fand ein anderer. Klare Zustimmung kam von einem Zuhörer für die Stadtratsentscheidung, umzubenennenden Straßen ausschließlich Namen von Frauen zu geben: "Davon sollte sich die Stadt nicht abbringen lassen."
...nur zum Teil zustimmen.
Ja, in der NS-Zeit haben die meisten Deutschen (nicht nur Würzburger) dem System gehuldigt.
Ja, der größte Teil dieser Leute streiten jedwede Beteiligung bzw. Billigung des Regimes ab.
Ja, wer gegen das System aktiv war und erwischt wurde, bezahlte dies meist mit seinem Leben.
Und gerade deswegen darf man "die alten Geschichten" N I C H T "endlich ruhen lassen"!
Immer wieder daran erinnern, damit so etwas ("sieh Geschw. Scholl u.a.") nicht wieder geschieht.
Was die Umbenennung von Straßennahmen betrifft wäre m.M.n. die praktikabelste Lösung (bei Mitläufern und nicht direkt an den Morden Beteiligten) ein Zusatzschild am Straßennahmen mit Erklärung der Verstrickung des Namensgebers zum NS-Staat.
Damit brauchen die jetzigen Anwohner nicht die Kosten + Unannehmlichkeiten einer Adressänderung ohne Umzug tragen.
Das Wissen über die Person des Straßen-Namens bleibt dann auch für spätere Generationen erhalten.
Und wenn morgen wieder Hexen verbrannt werden laufen auch alle hin.
Dieser blinde Aktionismus ist nur noch traurig.
welche die Allgemeinheit gar nicht kennt.
Aber so hat sich unser Land entwickelt : Immer mehr nachforschen , alles schlecht machen und den großen Moralapostel spielen . Mit den Finger auf andere zeigen und
Kleinigkeiten als lebensnotwendig hinstellen. Die Stadt Würzburg und auch die Bevölkerung hat mit ziemlicher Sicherheit größere Sorgen und sollten die Prioritäten
viel lieber in die Zukunft setzen !
Passiert diese Entwürdigung eigentlich nur in Würzburg? Aus anderen Städten hört man nichts.
Ist doch okay.
Wenn, dann konsequent.
Wer hat noch Ideen?
Jahrzehntelang hat sich kaum jemand an den Straßennamen gestört und nun, da die NS-Zeit immer ferner rückt, werden solche Kamellen ausgegraben.
Ich finde, Straßennamen hätten Bestandsschutz verdient!
Außerdem: kann ich auch auf Umbenennung einer Birkenstraße plädieren, weil mein Verwandter damals mit seinem Wagen an einer Birke tödlich verunglückte?
Wie immer nicht anonym, sondern mit mfG
Heinrich Jüstel.
Für alle Besserwisser, Wer in der NS-zeit sich weigerte mitzumachen, bezahlte dies meist mit seinem Leben (siehe Geschwister Scholl u.a.)
Lasst die alten Geschichten endlich ruhen.
Stimmt.
Und die Mehrheit der Kommentatoren hätte es anscheinend gerne, wenn die ganze Nazizeit gut verpackt weggeschlossen wird und bitte niemand mehr darüber spricht. Was bei Unkenntnis genau dieser Zeit und den Umständen, die zum Aufstieg des sogenannten "Dritten Reichs" geführt haben herauskommt, darf man gerade jetzt wieder beobachten, wo anscheinend BraunRechts wieder gesellschaftsfähig wird und sogar strammen Nazis Auftritte gewährt werden. Schlimm.
Was Zilcher angeht so hat er die Privilegien, die mit Aufnahme in die sogenannte Liste der "Gottbegnadeten" sicherlich genossen. Eine Auslese von etwas mehr als 1000 Künstlern (und sogenannten), über die der selbsternannte Führer, zusammen mit Goebbels, höchstpersönlich verfügt hat. Und damit wurde sicherlich kein Regimegegner oder kleiner Mitläufer beglückt.