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WÜRZBURG
Heiner Dikreiter - bereitwilliger Diener der Nazi-Politik
Das Grab von Galeriedirektor Heiner Dikreiter und seiner 1974 verstorbenen Gattin Fridl auf dem Würzburger Hauptfriedhof.
Foto: Thomas Obermeier | Das Grab von Galeriedirektor Heiner Dikreiter und seiner 1974 verstorbenen Gattin Fridl auf dem Würzburger Hauptfriedhof.
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:54 Uhr

Er war der Begründer der Städtischen Galerie in Würzburg. Er hat als Kunstpädagoge junge Würzburger Künstler wie Wolfgang Lenz oder Curd Lessig in die künstlerische Arbeit eingeführt, die sich aber von seinem Kunstverständnis alsbald emanzipierten. Er stammte aus einer sozialdemokratischen Familie, war angeblich von 1910 bis 1933 Mitglied der SPD, ist aber am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten.

Er war vielleicht kein bekennender Nazi, passte sich aber während des Dritten Reichs stark an die NS-Ideologie an. Er schätzte und sammelte auch nach 1945 noch Kunst und Künstler, die bei den Nazis einen hohen Stellenwert hatten. Heute vor 50 Jahren ist Heiner Dikreiter in Würzburg gestorben.

Geboren ist Heinrich „Heiner“ Carl Dikreiter am 28. Mai 1893 in Ludwigshafen. Schon als Kind existierte in ihm der Wunsch, Künstler zu werden.1911 stellte er erstmals eigene Bilder aus, nachdem er sich autodidaktisch das Zeichnen beigebracht hatte. 1913 kam er mit seinen Eltern nach Würzburg. Nach einem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg, bei dem er schwer verletzt und aus der Armee entlassen wurde, studierte er von 1916 bis 1918 in München an der Akademie der Bildenden Künste.

1919 war Dikreiter Gründungsmitglied der Vereinigung unterfränkischer Künstler und Kunsthandwerker, deren Vorsitzender er von 1927 bis 1932 war. 1921 wurde er Zeichenlehrer am Würzburger Polytechnischen Verein (Kunst- und Handwerkerschule). Dort blieb er 37 Jahre lang.

Erste Kunstausstellungen

1920 organisierte Dikreiter die erste große Kunstausstellung in Würzburg, um die künstlerischen Kräfte Frankens zusammenzubringen und vorzustellen. Zehn Jahre später veranstaltete er eine weitere Ausstellung mit Künstlern wie Max Slevogt, Hans und Ferdinand Spiegel, Ernst Ludwig Kirchner, Hermann Gradl und Emy Roeder – aus heutiger Sicht eine gewagte Zusammenstellung.

Damit war sein Ehrgeiz geweckt, zu sammeln, was die fränkische Kunst in den letzten zwei Jahrhunderten hervorgebracht hat, schreibt Hans Schneider, ein Freund Dikreiters, in dem kleinen Büchlein „Heiner Dikreiter – Ein Leben für die fränkische Kunst“ (1988). Dikreiter stand für die Konvention, das Herkömmliche, das Bewährte. Das galt auch für sein eigenes künstlerisches Schaffen.

1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde Dikreiter von Oberbürgermeister Theo Memmel mit der Gründung einer Städtischen Galerie zur Sammlung Würzburger und fränkischer Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts beauftragt. Zwei Jahre später wurde er zum Leiter der der neuen „Städtischen Galerie“ ernannt.

Man darf davon ausgehen, dass OB Memmel, ein bekennender Nationalsozialist und damals NSDAP-Kreisleiter in Würzburg, mit der für die NS-Propaganda wichtigen Position des Galerieleiters einen ihm ideologisch nahestehenden Mann betraute.

Tradition und Propaganda

Als Anfang des Jahres 2013 im Kulturspeicher, dem Nachfolger der Städtischen Galerie, die Ausstellung „Tradition und Propaganda“ stattfand, in der Kunstwerke gezeigt wurden, die zwischen 1933 und 1945 im Namen der Stadt angekauft wurden, erschien dazu ein umfangreicher Katalogband. Die stellvertretende Kulturspeicher-Leiterin Henrike Holsing befasste sich darin ausführlich mit der Person Dik-reiters und seinem Verhalten in der NS-Zeit.

Wer war er, dieser Heiner Dikreiter, der 1933 schon in den frühen Tagen des Dritten Reichs zum NSDAP-Mitglied wurde? In der bereits erwähnten Broschüre über Dikreiter schrieb Hans Schneider 1988 rückblickend: „Sicher hat sich Dikreiter in diesen Jahren des Tausendjährigen Reiches irgendwie angepasst, war wohl auch bereit ... Kompromisse mit den örtlichen Machthabern zu schließen. Wer aber glaubt, dass dieser echte Sohn eines alten sozialdemokratischen Funktionärs deshalb seine Meinung in politischen Dingen geändert hatte, der täuscht sich.“

Für Henrike Holsing bietet sich aus heutiger Sicht ein differenzierteres Bild. Schon früh sei Dikreiter in die NSDAP eingetreten, habe, um sein Ziel der Galeriegründung zu erreichen, engen Umgang mit den Nazis in Kauf genommen, als Sammler habe er sich gut mit der nationalsozialistischen Kunstvorstellung arrangieren können, und auch in seiner eigenen Kunst sei er nicht unbeeinflusst von der Ästhetik jener Zeit geblieben.

Und auch wenn er später über die Nazis wetterte, habe er mit Profiteuren des Regimes wie Hermann Gradl und Richard Rother noch lange nach dem Krieg enge Kontakte gehalten und Freundschaften gepflegt.

Zudem sei die Städtische Galerie ein Prestige- und Propagandaprojekt des Nazi-OBs gewesen, getreu den Aufrufen Hitlers, gerade in schweren Zeiten die Pflege der Kultur nicht zu vernachlässigen. In mehreren Publikationen habe Dikreiter diese Kulturpolitik der Nazis unterstützt und gewürdigt, belegt Holsing.

Rechtfertigung für Nazi-OB

Auch wenn Dikreiter nach dem Krieg die Nazis verteufelte, insbesondere den Gauleiter Hellmuth und die von ihm eingesetzten Kulturleute, schätzte er OB Memmel nach wie vor. 1948 schrieb er: „Verurteilt muss Memmel werden, denn er war ein führender Aktivist, dem allerdings keine schlechten und verbrecherischen Handlungen nachgesagt werden. Als OB steht er sauber und einwandfrei dar“.

Und über seine eigenen Ambitionen hielt er im gleichen Jahr fest: „Um diese Pläne (Galeriegründung) in die Wirklichkeit umzusetzen, war mir jedes Mittel recht: auch die Berufung durch einen Nazibürgermeister“.

Auch Dikreiters Kunstvorstellungen sieht Henrike Holsing in Einklang mit der NS-Führung. Mit seiner persönlichen Vorliebe für eine „gesunde“, handwerklich fundierte, dem Volk verständliche, anti-intellektuelle und kleinbürgerliche Heimatkunst habe sich Dikreiter der NS–Kunstpolitik anpassen können, ohne sich wesentlich verbiegen zu müssen.

Auch nach dem Krieg habe er diese Haltung beibehalten: „All die jeweiligen Richtungskommandeure, vom Expressionismus bis zum Dadaismus, Kubismus, Surrealismus und Abstrakterie haben hier (in Franken) soviel wie gar

nichts zu vermelden gehabt“. Ähnliches konnte man von Hitler hören. Dikreiter behauptete dies noch 1957.

Auch seine Sammeltätigkeit deckte sich mit den von den Nationalsozialisten bevorzugten Genres: Tiermalerei, Bauerndarstellungen, Landschaftsbilder der Heimat Mainfranken. Ganz besonders am Herzen lag ihm der Würzburger Maler Ferdinand Spiegel, der Maler der Bauern und Soldaten. Auch der Landschaftmaler Hermann Gradl, dessen Nachlass er noch 1964 für die Galerie annahm, zählte zu seinen Favoriten. Beide, Spiegel und Gradl, standen auf der „Gottbegnadeten-Liste“ von über 1000 Künstlern, die dem NS-Regime besonders wichtig erschienen.

„Mit seiner insgesamt eher reaktionären Kunstanschauung, war Dikreiter ganz auf Linie“, so Holsing. Auch nach dem Krieg sei darin kein Bruch erkennbar gewesen.

Auch in seiner eigenen Kunst und obwohl er zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn expressionistischen Tendenzen durchaus aufgeschlossen gegenüber stand, entwickelte sich Dikreiter nicht wesentlich. Er bevorzugte die fränkische Landschaft, das Maintal und Ansichten seiner Heimatstadt Würzburg.

Dikreiter als „Mitläufer“

Als Beamter der NS-Stadtregierung musste sich Dikreiter nach Kriegsende einem Spruchkammerverfahren unterziehen. Als „Belasteter“ angeklagt kam er als „Mitläufer“ heraus. Im Verfahren sagte er aus, er sei erst im Sommer 1933 und nicht bereits im Mai in die NSDAP eingetreten, vor allem deshalb, um seinen Vater, dem als Sozialdemokraten die Rente gestrichen worden war, unterstützen zu können.

Von seiner Verteidigung wurde Dikreiter gar als Widerständler beschrieben, ein Bild, das laut Henrike Holsing angesichts seiner öffentlichen Tätigkeit kaum glaubhaft erscheint. Nach Ende des Verfahrens 1947 wurde er erneut mit der Leitung der Galerie betraut, deren Direktor er bis zu seinem Tod 1966 blieb.

Das Fazit der Kunsthistorikerin Holsing: „Ohne Dikreiter hätte Würzburg keine Städtische Galerie. Aber Dikreiter fühlte sich ein Leben lang einer fast reaktionär zu nennenden Kunstauffassung verpflichtet und verhinderte eine Öffnung seiner Galerie für weite Bereiche der Moderne. Diese Haltung prägte sein Wirken, Sammeln und Malen von Anfang an. Und es war diese Haltung, die ihn für die nationalsozialistische Kulturpolitik so brauchbar machte. Nur zu bereitwillig stellte er sich in ihren Dienst.“

H. Dikreiter.Foto: Archiv Dürrnagel
| H. Dikreiter.Foto: Archiv Dürrnagel
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  • S. L.
    Kann mich dem ersten Kommentar nur anschließen und darf ergänzend bemerken:
    1.) Eine "Nazikunst" im Sinn eines einheitlichen Kunststils hat es nicht gegeben. Wer mit solchen Schlagwörtern hantiert, geht der Propaganda von Goebbels auf den Leim. Der hätte sich natürlich sowas gewünscht, allerdings gingen die Meinungen der Nationalsozialisten weit auseinander bezüglich der Frage, was denn nun "entartete Kunst" sei. Dies hat sich mittlerweile auch in der Forschung herumgesprochen. Frau Holsing ist da nicht auf dem neuesten Stand mit ihren -Pardon!- hausbackenen Vorstellungen.

    2.) Denn selbst wenn Nazis diesen oder jenen Künstler bevorzugten, heißt das nicht, dass es sich dabei automatisch um einen Nazi oder um Kunst minderer Qualität handelt. Umgekehrt ist auch nicht jeder Künstler gleich ein Meister, nur weil er sich "der Moderne" verpflichtet fühlt.
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  • B. E.
    was wird dem Mann denn nun als tatsächlich vorgeworfen? Dass er einen aus heutiger Sicht eher schwachen Kunstgeschmack hatte, dass er sich gut mit den Herrschenden hielt, um seine Ziele zu erreichen? Nichts, was wir nicht von heute genauso kennen würden. Und wie wohl die Nachwelt die Moderne beurteilen wird? Nein, mir ist die Hybris der "Spätgeborenen" einfach suspekt. Übrigens ein Unbehagen, dass ich mittlerweile auch in der "Flüchtlingskrise" verspüre. Nein, keine Sorge, es geht nicht um Islam, Kopftücher etc. Es geht um die gebildete Mittelschicht, die ja eigentlich erwünscht bei uns eintrifft: Müssen wir aus unserer historischen Erfahrung nicht fragen, wie diese Menschen zur Assad-Diktatur standen? Sie sind ja nicht in die Freiheit geflüchtet, sondern vor Zerstörung. Nach den Maßstäben, die wir an das 3. Reich (und teils and die DDR anlegen), ist gerade diese Gesellschaftsschicht ohne Kollaboration mit der diktatorischen Macht nicht denkbar. Wie sollten wir damit umgehen?
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