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Würzburg
Würzburger Klinikchef zur geplanten Krankenhaus-Reform: "Die Optimierung ist ausstrapaziert"
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will Kliniken entlasten, seine Pläne stoßen jedoch auf viel Kritik. Dr. Matthias Held erklärt, wo es bei den Vorschlägen am meisten hakt.
Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte, fürchtet, dass künftig noch mehr Fachkräfte aus der Patientenversorgung abwandern könnten.
Foto: Christoph Weiss | Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte, fürchtet, dass künftig noch mehr Fachkräfte aus der Patientenversorgung abwandern könnten.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:20 Uhr

Die Lage vieler Kliniken ist fatal. Personal fehlt, Corona sorgte für hohe Patientenzahlen und die Energiekrise verschärft Finanzengpässe. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat nun seine Pläne zur Reform der Krankenhausversorgung vorgelegt – und damit auch in Unterfranken Unmut ausgelöst. Er erkenne beispielsweise für die stärkere Ambulantisierung "keinerlei sinnvollen Fahrplan", sagt Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Auch fehle eine echte Lösung für das Problem der Krankenhausfinanzierung.

Im Interview spricht Held über politisch gewolltes Kliniksterben, schlecht ausgearbeitete Pläne des Gesundheitsministeriums und die große Ratlosigkeit angesichts des Fachkräftemangels.

Frage: Blicken Sie im Klinikum Würzburg Mitte mit Bauchschmerzen auf den kommenden Winter?

Dr. Matthias Held: Tatsächlich tun das alle Kliniken. Die aktuelle Situation mit den Kostensteigerungen einerseits und dem Fachkräftemangel andererseits ist ein schwieriges Szenario. Viele Krankenhäuser sind in einer prekären Lage.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat den Kliniken acht Milliarden Euro versprochen, damit in der Krise nirgends das Licht ausgeht. Reicht das?

Held: Bisher handelt es sich um eine unbestimmte Ankündigung ohne jede konkrete Ausführung. Es wird eine Summe genannt, von der nicht klar ist, was damit genau geschieht. Es ist nicht sicher, was davon überhaupt für Kliniken bestimmt ist.

Ist das von Experten befürchtete Kliniksterben damit abgewendet?

Held: Ich kenne die jeweilige interne Situation der einzelnen deutschen und regionalen Kliniken nicht und will diese auch nicht beurteilen. Aber ich glaube, dass regional wie überregional Kliniken vom Netz gehen werden. Und ich denke, dass genau das erklärtes politisches Ziel ist – sprich, dass eine Reduktion der Krankenhäuser bundesweit angestrebt wird. Darauf zielt auch das Vorhaben zur Ambulantisierung.

Gibt es denn zu viele Kliniken?

Held: Es existiert eine politische Einschätzung, dass dem bundesweit so wäre. Bei der Beurteilung muss man aber große regionale Unterschiede berücksichtigen. Und man sollte unbedingt bedenken: Deutschland hat die schweren Corona-Wellen im Vergleich zu manchen Nachbarländern, in denen sich Schreckensszenarien abspielten, vor allem deshalb viel besser überstanden, weil sich die Covid-Patienten hierzulande auf verschiedene Häuser verteilen ließen. Eine weitere politische Überzeugung ist, dass im deutschen Gesundheitssystem einige Leistungen vollstationär erbracht werden, die man auch tagesstationär oder ambulant durchführen könnte. Das würde aber voraussetzen, dass die strikte Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung aufgehoben wird.

Die entsprechenden Pläne zur Ambulantisierung werden teils harsch kritisiert. Warum?

Held: Seitens des Bundesgesundheitsministeriums gibt es nur Ankündigungen, dass die Ambulantisierung zeitnah umgesetzt werden soll. Ich erkenne jedoch keinerlei sinnvollen Fahrplan dazu – die bisher veröffentlichten Konkretisierungen sind unbedacht und lassen Sachkenntnis vermissen. Sie sind handwerklich schlecht ausgearbeitet und gefährden die Personalbindung im Gesundheitswesen, nicht nur in der Pflege.

Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Entlastung von Kliniken stoßen bundesweit und auch in Unterfranken auf deutliche Kritik (Symbolbild).
Foto: Christoph Soeder, dpa | Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Entlastung von Kliniken stoßen bundesweit und auch in Unterfranken auf deutliche Kritik (Symbolbild).
Inwiefern?

Held: Manche politisch Verantwortlichen mögen glauben, dass eine Reduktion von Kliniken und damit Arbeitgebern im Gesundheitssystem zu einer besseren Verteilung des vorhandenen Fachkräftepersonals führt. Aber diese Rechnung wird nicht aufgehen. Im Gegenteil: Die durch die Krise noch verstärkte Unzufriedenheit wird dazu führen, dass noch mehr Fachkräfte aus der Patientenversorgung abwandern werden. Das ist eine große Gefahr und jeder, der diese Situation zulässt, macht sich mitschuldig an der Verschärfung des Fachkräftemangels.

Das heißt, in wenigen Jahren haben wir weniger Krankenhäuser und noch weniger Pflegende?

Held: Weniger Pflegekräfte sicher, aber auch bei den medizinischen Fachangestellten ist die Situation nicht einfach. Und das, was an Änderungen im Gesundheitsbereich geplant ist, wird die Arbeitszufriedenheit im ärztlichen Bereich ebenfalls nicht erhöhen. Ein Beispiel ist die Ausbildung der Assistenzärztinnen und -ärzte, von denen viele in den Kliniken im Einsatz sind. Wenn im Rahmen der Ambulantisierung große Teile der stationären Ausbildung ohne sinnvolle Neuordnung wegfallen oder verlagert werden, wird die Motivation, sich im harten Klinikbetrieb ausbilden zu lassen, schwinden. Darüber müssen wir uns jetzt Gedanken machen. Ich fürchte, dass wir im ärztlichen Bereich dahin kommen werden, wo wir im Pflegebereich schon sind. Zudem muss eines für alle Berufsgruppen klar sein: Die Ambulantisierung zieht eine Konzentration Schwerstkranker in den Kliniken nach sich. Und das bedeutet, dass dann zum Beispiel in Nachtschichten auch die Personaldichte steigen muss.

An Personal fehlt es bereits jetzt überall. Was muss passieren, um den Mangel zu beheben?

Held: Sicher muss man da differenzieren und sich vor allem auch die Ursachen des Personalmangels im Gesundheitswesen genau anschauen. Dazu gehören Umgebungsfaktoren wie die Bevölkerungsentwicklung mit Alterung, die man ja gar nicht beeinflussen kann, der daraus resultierende allgemeine Fachkräftemangel und gesellschaftliche Trends. Aber ein weiteres wesentliches Problem ist die Krankenhausfinanzierung.

Warum?

Held: Unternehmen, egal welcher Branche, werden durch die wirtschaftlichen Entwicklungen aktuell herausgefordert und reagieren, indem sie die Preise anpassen. Krankenhäuser können das nicht, weil die Preise durch das Fallpauschalen-System gedeckelt sind. Das heißt, Kliniken haben höhere Kosten, können jedoch ihre Erlöse nicht steigern. Die einzige Strategie, um dagegen anzukommen, sind seit Jahren die Optimierung der Abläufe und der Versuch, effizienter zu arbeiten. Das ist auch sinnvoll – aber es ist ausstrapaziert. Noch mehr Patienten in immer kürzerer Zeit zu versorgen, das belastet und überlastet am Ende alle Berufsgruppen in der Krankenversorgung. Es ist nicht beliebig steigerbar.

Was würde helfen? Wäre es einfacher, wenn Kliniken künftig nicht mehr wie Wirtschaftsunternehmen funktionieren müssten, sondern beispielsweise in staatlicher Hand wären?

Held: Man muss die Kliniken nicht verstaatlichen, aber wir sollten uns gesellschaftlich darüber klar werden, welche Gesundheitsversorgung wir haben wollen und dafür die Mittel zur Verfügung stellen. Kliniken können ihren Tagesbetrieb nicht alleine aus den Erlösen der Patientenversorgung stemmen. Man muss überlegen, ob es künftig nicht andere Wege der Krankenhausfinanzierung geben kann. Das Pflegebudget beispielsweise ist mittlerweile ausgeklammert – das war ein richtiger Schritt. Er kam nur hoffnungslos zu spät.

Es sind zu wenig Menschen im System – den Satz hört man seit Jahren.  Wie löst man das Problem? 

Held: Zwar gibt es aufgrund der Alterspyramide keine Patentlösung für den Fachkräftemangel. Eine differenzierte Umsetzung von Elementen der Ambulantisierung einerseits, die Ausgliederung weiterer Leistungsbereiche aus dem Fallpauschalen-System oder eine Modifikation des Systems sowie die Berücksichtigung gestufter Qualifikationen in der Pflege könnten die Situation jedoch verbessern. Zudem müssen wir unbedingt in den deutschen Kliniken die strikte Trennung von ärztlichem und pflegerischem Verantwortungsbereich überwinden.

 
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  • U. S.
    Der ANFANG vom UNTERGANG war,als Beschlossen würde,das Krankenhäuser und Altenheime mit GEWINN arbeiten müssen.
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  • R. K.
    Alle Entscheidungsträger müssten mal auf Normalstation, bzw. nur Ambulanzbetreuung ohne irgendwelche private Nachsorge erhalten. Ganz normale kassenärztliche Behandlung. Keine Bevorzugung bei Terminvergabe. Das wäre mein Traum. Ich bin sicher danach würden Entscheidungen nicht mehr so weltfremd getroffen.
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  • G. K.
    Schon zum Thema Corona ist Herr Dr. Held mit seinen Beiträgen in Interview-Form positiv aufgefallen. Kurz, aber prägnant - und immer sachkundig. Auch hier wieder ein sehr angenehmes Gegenstück zur politischen Kakophonie.

    Eigentlich hatte ich die Hoffnung, durch die Erfahrung der Corona-Pandemie hätte die Politik dazugelernt und von diesem (sorry) Gehirnfurz der weiteren Krankenhausreduktion Abstand genommen – aber Pustekuchen.

    Anstatt diese Lobbyistenbande von der Bertelsmann-Stiftung auf’s Abstellgleis zu schieben (wo sie definitiv hingehören), lassen sie sich von ihnen weiter blauäugig in den Abgrund treiben.

    Ich bin kein Verschwörungstheoretiker – aber in diesem Fall geht’s nicht um die Versorgungsqualität der Bevölkerung, sondern um knallharte Wirtschaftsinteressen des Großkapitals (schön aufbereitet hier: https://youtu.be/Y7RSS-UNxPg).

    Wenn in der Politik Ahnungslosigkeit auf Charakterschwäche und Gier trifft – dann kommt sowas dabei heraus … es ist eine Schande!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Wenn Du einen Teich austrocknen willst, darfst Du den Frosch der darin sitzt nicht fragen.
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  • G. K.
    Wer ist denn der Frosch - und was ist der Teich?
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