Überall in Unterfranken kämpfen Betriebe mit den hohen Energiekosten. Auch Material ist weiter teuer, zum 1. Oktober steig der Mindestlohn auf zwölf Euro und die logistischen Probleme der Corona-Pandemie halten an. Wie gehen Unternehmen, die stark auf Gas angewiesen sind, mit den hohen Preisen um? Vier Beispiele aus der Region.
1. Gerresheimer in Lohr: Kein Glas ohne Gas
Am Standort von Gerresheimer (ehemals Spessart Glas) in Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart) produzieren 420 Mitarbeitende jährlich mehr als eine Milliarde Glasbehälter für die Pharma- und die Lebensmittelindustrie. Dazu zählen Injektionsfläschchen, Behälter für Medikamente und Flaschen für Getränke oder Öl. Ohne Gas, so Gerresheimer, ist das bisher nicht möglich. Die zwei Schmelzwannen brauchen den Rohstoff.
So sehr wie das Unternehmen auf Gas angewiesen ist, so zuversichtlich blickt man in Lohr auf die nächsten Monate: "Da wir kritische Vorprodukte für systemrelevante Bereiche herstellen, sind wir fest davon überzeugt, dass wir mit ausreichend Gas beliefert werden und unsere Produktion nicht einschränken müssen", teilt Pressesprecher Ueli Utzinger mit.
Ohne die Produkte aus Lohr würden Krankenhäuser, Ärzte und Patienten nicht ausreichend mit Medikamenten versorgt werden können, so Utzinger. Zudem müssten sonst lebenswichtige Operationen verschoben oder abgesagt werden.
Was die Kosten betrifft, habe man sich mit langfristigen Verträgen frühzeitig gegen Preisschwankungen am Energiemarkt abgesichert. Und auch auf Gasmangel sei man vorbereitet: Zumindest für kurze Zeit könne man die Produktion drosseln, sagt der Sprecher von Gerresheimer. Außerdem arbeite das Unternehmen daran, die Schmelzwannen mit anderen Energieträgern zu betreiben.
2. Schaeffler in Schweinfurt: Enger Austausch mit Kunden und Lieferanten
Schaeffler beliefert Automobilhersteller und die Industrie weltweit. Im Schweinfurter Werk benötigt unter anderem die Schmiede viel an Gas. Auf die Herausforderungen der Energiekrise sei Schaeffler vorbereitet, sagt Pressesprecher Marco Bosch. Eine Taskforce des Unternehmens beobachte die aktuellen Entwicklungen genau und tausche sich eng mit Lieferanten und Kunden aus.
Zudem beschäftige man sich schon seit einigen Monaten damit, wie man den Gasverbrauch reduzieren könne, so Bosch. Dazu gehöre, vermehrt regenerative Energien zu nutzen – auch für Produktionsanlagen. So würden beispielsweise energieintensive Verfahren zur Wärmebehandlung auf induktives Härten, also Strom, umgestellt werden.
Im Gegensatz zu Gerresheimer stellt der Autozulieferer keine lebensnotwendigen Produkte her. Sollte die Bundesregierung im Winter die Notfallstufe Gas ausrufen, könnte es also passieren, dass in Schweinfurt weniger bis gar kein Gas mehr aus den Leitungen kommt. Was dann? "Es wurden bereits individuelle Maßnahmen für verschiedene Szenarien definiert, um Produktionskapazitäten sicherzustellen", teilt Schaeffler-Sprecher Bosch dazu mit.
3. BB Rösner Backstube in Würzburg: Brötchen teurer geworden
Jeden Tag werden in Unterfranken eine Menge energieintensive Produkte gegessen: Denn Brote, Brötchen oder Hörnchen zum Beispiel der Würzburger Bäckerei Rösner gäbe es ohne Energie nicht. Die Öfen in der Backstube laufen alle mit Gas. Und das sei kurzfristig nicht zu ändern, sagt Steffen Rösner, Geschäftsführer der BB Rösner Backstube: "Das wird uns Probleme bereiten."
Hohe Energiekosten, teures Material, Mindestlohn von zwölf Euro: Inzwischen hätten die Mehrkosten für sein Unternehmen schon eine Million Euro deutlich überschritten, sagt Rösner. "Wie wir das abpuffern, wissen wir noch nicht." Die Preise habe die Bäckerei in ihren 75 Verkaufsstellen dieses Jahr schon einmal um vier bis fünf Prozent erhöht. Nochmal teurer sollen die Brötchen aber nicht werden, sagt Roesner: "Wir wollen nicht, dass die Menschen zum Discounter wechseln."
Als Mann der alten Generation, wie Rösner sich selbst nennt, spare er schon immer Energie: "Die Lichter aus, die Türen zu, das machen wir sowieso schon. Aber den Ofen kann ich nicht einfach ausschalten." Wenig Leerlauf, das sei das einzige, worauf der Betrieb beim Backen achten könne. "Es weiß keiner so richtig, wie es weitergehen wird", sagt der Bäcker. Er hoffe, dass die Politik noch eine Lösung findet.
4. Coatinc in Rottendorf: Unterstützung kommt vom Wetter
Bei Coatinc in Rottendorf (Lkr. Würzburg) verzinken die Beschäftigten Geländer, Treppenwangen oder Bauteile von Windkraftanlagen. Der Kessel, in den sie die Teile tauchen, muss konstant befeuert werden, erst bei 419 Grad schmilzt das Zink.
Das verbraucht eine Menge Gas: etwa vier Millionen Kilowattstunden pro Jahr, wie Geschäftsbereichsleiterin Susanne Kolb mitteilt. So viel benötigen rund 330 Vier-Personen-Haushalte durchschnittlich in einem Jahr.
Das Einsparpotenzial sei recht gering, der Verbrauch von Firmenverwaltung oder der Pulverbeschichtungsanlage verglichen mit dem der Zinkkessel winzig, sagt Kolb. Einzig das Wetter könne noch helfen: "Je wärmer es draußen ist, umso weniger Energie brauchen wir, um die Kessel auf Temperatur zu halten."
Aufgrund des milden Winters und heißen Sommers hat Coatinc von Januar bis September nach eigenen Angaben 500.000 Kilowattstunden weniger verbraucht als im gleichen Zeitraum 2021. Doch wenn der kommende Winter sehr kalt wird, wird das für die Jahresrechnung nicht viel bringen.
Coatinc rechnet allein wegen der gestiegenen Energiepreise mit Zusatzkosten von über 600.000 Euro. Hinzu kommen höhere Material- und Lieferkosten sowie eine eventuell anstehende Lohnerhöhung nach der Tarifrunde. Was das Unternehmen an Mehrkosten nicht selbst kompensieren kann, will es an die Kunden weitergeben.
"Die Frage ist, ob unsere Produkte irgendwann so teuer sind, dass sie keiner mehr will", sagt Kolb. Das betreffe nicht nur Coatinc, sondern Deutschland insgesamt als Wirtschaftsstandort. Als Teil einer internationalen Holding sei ihr Unternehmen gut aufgestellt. Und der Standort in Rottendorf seit Jahren "unheimlich" stabil. "Wir haben ein recht breites Kreuz, um solche Situationen zu bewältigen."