Einfach aussteigen? Glaubt man den Beiträgen beim Kurznachrichtendienst Twitter, möchten zahlreiche Pflegekräfte in der Pandemie genau das. Unter dem Hashtag "Pflexit" beschreiben sie die ständige Arbeit am Limit, den Stress und die Frustration. So denkt laut einer Umfrage des Berufsverbandes DBfK fast ein Drittel der Pflegenden regelmäßig über einen Jobwechsel nach. Auch in Unterfranken warnen Experten vor den Folgen der Corona-Belastung, vor allem in der Altenpflege.
Überraschend kommt diese Krise nicht, der Pflegemangel ist nicht neu. Bundesweit sind nach Angaben des DBfK mindestens 40 000 Stellen unbesetzt, allein in den nächsten zwölf Jahren sollen 500 000 Fachkräfte in Rente gehen. Hinzu kommt nun Corona. Droht jetzt der "Pflexit", der massenhafte Ausstieg aus der Pflege?
Noch keine Kündigungswelle, aber ausbleibende Bewerbungen
Bei Kliniken und Senioreneinrichtungen in der Region ist das noch nicht der Fall, wie eine Nachfrage dieser Redaktion ergab. Allerdings zeigt sich: Während große Krankenhäuser wie die Würzburger Uniklinik oder das Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt heute eher mehr Pflegekräfte als vor Corona haben, gibt es in der Altenpflege teils weniger Personal.
"Viele Pflegekräfte halten noch durch, aus Solidarität zu den Kollegen oder Fürsorge für die Bewohner, die sie betreuen", sagt etwa Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha beim AWO Bezirksverband Unterfranken. Die Enttäuschung, dass sich an den Bedingungen in der Branche so schnell nichts verbessern werde, sei jedoch groß. Bei der AWO habe es zwar noch keine Kündigungswelle gegeben, die Zahl der Pflegefachkräfte sei im vergangenen Jahr etwa konstant geblieben. Aber: "Das dicke Ende wird noch kommen", fürchtet Hahn.
Auch aus Sicht von Annette Noffz, leitende Stiftungsdirektorin des Würzburger Bürgerspitals, hat die Pandemie den Pflegenotstand weiter verschärft. Seit Corona würden sich noch weniger Fachkräfte als in den vergangenen Jahren auf offene Stellen bewerben, teilweise gebe es "über viele Wochen keine einzige Bewerbung". Das bleibt nicht ohne Folgen: Die Fachkraftquote in den Häusern der Stiftung sei gesunken – von 70 Prozent vor einem Jahr auf mittlerweile 67 Prozent, so Noffz. Und: "Dass diese Verringerung nicht höher ist, liegt daran, dass wir aufgrund der Pandemie aktuell weniger Pflegeplätze zur Verfügung haben".
Dass die ausbleibenden Bewerbungen auch an dem schweren Corona-Ausbruch im St. Nikolausheim vor einem Jahr liegen könnten, dafür habe sie "keine Hinweise", so die Siftungsdirektorin. Abgänge von Mitarbeitern seien unter anderem durch Altersteilzeit begründet. Und es gebe eben kaum Neueintritte.
Ähnliches schildert der Beauftragte der Diakonie für Unterfranken, Pfarrer Jochen Keßler-Rosa. Der Druck auf Pflegekräfte in der Pandemie "war und ist sehr groß, viele sind stark belastet, körperlich und emotional", sagt Keßler-Rosa. Auch wenn es 2020 beim Diakonischen Werk in Schweinfurt, Bad Neustadt, Kitzingen und Einersheim nicht signifikant mehr Kündigungen gegeben habe, zähle man Anfang März 2021 vierzehn Pflegefachkräfte weniger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Die Neubewerbungen hätten schlicht die Zahl derjenigen, die in Rente oder Mutterschutz gegangen seien, nicht ausgleichen können.
Gleichzeitig warnt Keßler-Rosa vor einem einseitigen Blick auf die Krise. Sicher lasse "die Gesamtanspannung manche sagen, ich kann und mag nicht mehr". Auf der anderen Seite sei in der Pandemie "vielen bewusst geworden, wie wichtig ihr Beruf ist", so der Diakonie-Beauftragte. Heute würden Menschen verstärkt sinnstiftende Tätigkeiten suchen – die Pflege könne das bieten.
Gerade deshalb mahnen Keßler-Rosa wie auch Bürgerspital-Chefin Annette Noffz und AWO-Bereichsleiterin Ulrike Hahn dringend bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegenden an. Ein Beispiel: "Es kann nicht sein, dass jemand, der in der Pflege arbeitet, jeden freien Augenblick Angst haben muss, dass er einspringen soll", sagt Keßler-Rosa. "Dieser Druck muss raus aus dem System."
Caritas: Corona hat die Probleme der Pflege wie ein "Brennglas" deutlich gemacht
Pflege sei seit Jahren eine personelle Gratwanderung, bestätigt Sebastian Schoknecht, Sprecher des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg. Corona wirke da wie ein "Brennglas". Ob heute weniger Personal als vor einem Jahr beschäftigt werde, dazu könne die Caritas keine Auskunft geben, so Schoknecht. Eine Kündigungswelle sei nicht feststellbar. Tatsächlich blicke man aber "mit Sorge" auf das nächste Jahr, "wenn die Krise überstanden sein wird und viele Pflegefachkräfte merken, dass sie sich zu sehr verausgaben mussten".
Bleibt die Frage: Gilt das nur für die Altenpflege? Oder kämpfen auch Kliniken mit einem sich anbahnenden "Pflexit"?
Beispiel Uniklinik Würzburg. Trotz aller Herausforderungen seien die Mitarbeiter im vergangenen Jahr "nicht in Scharen davon gelaufen oder haben gesagt, sie können so nicht mehr arbeiten", sagt der Vorsitzende des Personalrates, Christian Huß. Natürlich sei die Situation problematisch, gerade in der zweiten Welle. Die Perspektive "wann wird es besser" fehle. Trotzdem sei die Fluktuation im Uniklinikum nicht höher als sonst.
Uniklinik und Leopoldina-Krankenhaus: Gleichbleibende Fluktuation beim Pflegepersonal
Das bestätigt der stellvertretende Pflegedirektor Matthias Uhlmann: "Wegen Covid-19 haben wir im vergangenen Jahr Gott sei Dank keine Pflegekräfte verloren." Im Stellenplan der Uniklinik gehe man von etwa 1700 Pflege-Vollzeitkräften aus – dabei liege die Fluktuation seit 2017 jährlich zwischen 120 und 140 Personen. "Das ist gleich geblieben", so Uhlmann. Im Vergleich zum vergangenen Jahr habe man heute sogar 40 Vollzeitkräfte mehr im System.
Generell hält Uhlmann die Pflegesituation in Unterfranken für relativ beständig. "Menschen, die sich hier für den Beruf entscheiden, bleiben in der Regel dabei – das ist in Großstädten teilweise anders", sagt Uhlmann. Er wolle damit nicht sagen, "dass wir keine Probleme haben". Natürlich sei die Belastung spürbar, natürlich seien alle "Corona-müde", natürlich müsse man sich in manchen Bereichen wie Intensivstationen anstrengen, um ausreichend Personal zu finden. Insgesamt aber sei die Lage stabil.
Eine akute Verschärfung des Pflegemangels zeige sich auch im Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt nicht, sagt Sprecher Veit Oertel. Ja, die Mitarbeiter seien "belastet und zwischenzeitlich auch ausgelaugt und erschöpft". Einen Personalverlust über die übliche Fluktuation hinaus sehe man aber "bisher nicht". Im Gegenteil: Laut Oertel waren im Februar 2020 im Pflegedienst insgesamt etwa 500 Vollzeitkräfte beschäftigt – 2021 seien es rund 30 mehr. Trotzdem sieht Oertel Handlungsbedarf: Um einen "Pflexit" zu verhindern, müssten den vielfachen Versprechen gegenüber den Pflegekräften endlich Taten folgen.
Und der damit eingehenden Profitgier der Aktionäre...
Und wer beträut die Patienten?
Mal nachdenken!
Wer ist dann bitteschön übrig?
Und woher kommen dann plötzlich Die mit guten Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung?
Sie widersprechen sich.
Selbstverständlich bin auch ich für eine Bezahlung als Fachkraft.
Und vor allem müssen wesentlich mehr Pflegekräfte eingestellt werden.