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Würzburg
Würzburger Anästhesistin als "Senkrechtstarterin des Jahres" ausgezeichnet: Wer ist Dr. Nora Schorscher?
Sie steht an der Uniklinik Würzburg im OP, fährt Schicht als Notärztin, war für Ärzte ohne Grenzen im Südsudan, treibt die Telemedizin voran: Wie macht die 37-Jährige das?
Dr. Nora Schorscher, Anästhesistin an der Uniklinik Würzburg, hat mit ihrem Team einen Tele-Intensivwagen entwickelt. Dafür wurde sie nun als 'Senkrechtstarterin' ausgezeichnet.
Foto: Thomas Obermeier | Dr. Nora Schorscher, Anästhesistin an der Uniklinik Würzburg, hat mit ihrem Team einen Tele-Intensivwagen entwickelt. Dafür wurde sie nun als "Senkrechtstarterin" ausgezeichnet.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 29.03.2025 02:33 Uhr

Sie hatte Nachtschicht letzte Woche. Der Dienst war lang und stressig, ein Notfall nach dem anderen, bis halb acht Uhr morgens. Zehn Minuten vor Schichtende noch ein Reanimationseinsatz. "Da kommt man raus und ist fix und fertig – aber man hat trotzdem ein gutes Gefühl, weil man Leben gerettet hat", sagt Dr. Nora Schorscher. Genau deshalb ist sie Ärztin geworden.

Die 37-Jährige ist Anästhesistin und Intensivmedizinerin an der Uniklinik Würzburg, fährt Schichten als Notärztin und war im vergangenen Jahr für Ärzte ohne Grenzen im Südsudan. Jetzt hat die Thieme Gruppe Nora Schorscher mit dem Thieme Management Award 2024 als "Senkrechtstarterin des Jahres" ausgezeichnet - weil sie die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreibt. Wie macht die Medizinerin das?

Telemedizin im Intensivbereich: Dank Kameras und Scanner digital in kleinen Kliniken dabei

Ein Computer-Nerd sei sie nie gewesen, meint Schorscher und lacht. Aber zielstrebig war sie. Und sie will die intensivmedizinische Versorgung verbessern, am Patientenbett und digital.

An der Uniklinik Würzburg leitet die Anästhesistin seit 2021 das Projekt "Tele-Intensivmedizin in Bayern". Gemeinsam mit einem Team von Ärzten und Informatikern hat Schorscher einen Tele-Intensivwagen entwickelt: einen "aufgerüsteten" Visitenwagen, mit hochauflösenden Kameras, Augmented-Reality-Brille und Scanner. "Damit können Spezialisten aus Unikliniken Kollegen in kleineren Krankenhäusern bei der Intensivbehandlung mit ihrem Fachwissen unterstützen." 

Vor ihrem Büro auf Station 053 stehen die neusten Wagenmodelle. Der erste Prototyp sei noch mit Tape zusammengeklebt gewesen, sagt die 37-Jährige lachend. Mittlerweile hat eine Firma die Herstellung übernommen, der Tele-Intensivwagen wird bayernweit genutzt. Ein Netzwerk ist entstanden, alle Universitätskliniken im Freistaat sind an das Projekt angeschlossen.

Schritt für Schritt hat das Team um Dr. Nora Schorscher den Tele-Intensivwagen ausgebaut. Das Archivbild zeigt sie mit einem frühen Wagenmodell im Sommer 2022.
Foto: Benjamin Brückner | Schritt für Schritt hat das Team um Dr. Nora Schorscher den Tele-Intensivwagen ausgebaut. Das Archivbild zeigt sie mit einem frühen Wagenmodell im Sommer 2022.

Schorscher setzt sich an ihren Schreibtisch, zeigt auf zwei extrabreite Bildschirme. Hier können sich Intensivärzte per Zoom zur Visite der Kolleginnen und Kollegen in zehn unterfränkischen Krankenhäusern zuschalten, über die Kameras des Wagens sind sie quasi live dabei. "Es geht darum, dass Patienten möglichst lange wohnortnah betreut werden können, gerade in ländlichen Gegenden."

Die 37-Jährige ist selbst auf dem Land aufgewachsen, in Rabelsdorf im Landkreis Haßberge. Ihr Vater war Hausarzt, ihre Mutter leitete seine Praxis. Beide seien skeptisch gewesen, als sie mit zwölf Jahren verkündete, Medizin studieren zu wollen, sagt Nora Schorsch. "Ich hatte ein Buch über das Ebola-Virus gelesen und wusste, ich will Ärztin werden." Ihr Entschluss stand. 

In der Schule half Schorscher im Sanitätsdienst, engagierte sich beim Roten Kreuz und in der Flüchtlingshilfe. Mit 16 Jahren machte sie mit einem Stipendium in Norwegen ihr internationales Abitur. Sie studierte am Imperial College in London Medizin und arbeitete zwei Jahre in England. Als die Brexit-Rufe lauter wurden, wechselte die junge Ärztin an eine Klinik in Bamberg.

Nach dem Master in internationaler Diplomatie merkt sie: Die Arbeit am Patienten fehlt

Aber für immer in Franken bleiben? Schorscher wollte etwas bewegen, zur WHO oder ins Gesundheitsministerium gehen. Also schrieb sie sich in Wien für einen Master in internationaler Diplomatie ein. Nur: "Ich habe schnell gemerkt, dass mir die Arbeit am Patienten fehlt".

2017 kehrte Schorscher nach Unterfranken zurück, ging an die Uniklinik Würzburg. Wieso in die Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie? "Überall, wo es brennt, wird der Anästhesist dazu gerufen", sagt Schorscher. Die Abwechslung reizt sie. Fünf Tage pro Woche steht sie von 7 bis 16 Uhr im OP der Herz-Thorax-Chirurgie, daneben fährt sie Notarzteinsätze und will künftig die Hubschrauberrettung unterstützen.

So ein Pensum? Sie zuckt mit den Schultern. "Wir alle haben harte Tage, aber ich weiß immer genau, was ich getan und bewirkt habe."

Auch in der Coronazeit stand sie auf der Intensivstation, Tag für Tag. "Das war belastend. Da habe ich gelernt, dass ich Stopp sage, wenn es zu viel wird." 

"Wir alle haben harte Tage, aber ich weiß immer genau, was ich getan und bewirkt habe."
Dr. Nora Schorscher, Anästhesistin an der Uniklinik Würzburg

Schorscher zögert, sucht nach Worten. Es gibt Schicksale, die gehen nahe. Wie das des 16-Jährigen, der monatelang schwerstkrank auf der Intensivstation lag. "Der Junge gehörte dazu, wir haben ihm sogar die Haare geschnitten." Als er in die Reha entlassen wurde, sei "groß gefeiert" worden. Aber nach drei Wochen habe er einen Rückfall erlitten - "und am Ende mussten wir ihn gehen lassen". 

Emotionale Distanz ist in der Intensivmedizin manchmal schwierig. In solchen Momenten sei es wichtig, sich selbst zu kennen, sagt Schorscher. Zu wissen, was hilft. Ablenkung, das Gespräch mit dem Partner oder Freunden. Vor allem der Austausch mit Kollegen.

Das habe sie 2024 gemerkt, als sie für Ärzte ohne Grenzen sechs Wochen in einem Kinderkrankenhaus im Südsudan war. Dort sei man als Arzt oft auf sich allein gestellt, "man muss wissen, was man tut, es gibt sonst niemanden".

Schorscher schreckt vor der Verantwortung nicht zurück. "Einen anderen Job könnte ich mir nicht vorstellen." Wenn Patienten, die auf der Intensivstation um ihr Leben kämpften, zurückkommen und zeigen, was sie jetzt machen - "das ist richtig toll". 

In Digitalisierung und KI sieht die Ärztin Chancen - mit Grenzen

Das Menschliche macht für Schorscher den Beruf aus. Aber gefährdet die Digitalisierung nicht genau das? Die Anästhesistin schüttelt den Kopf. Im Moment sei die Digitalisierung in der Medizin vor allem eines: "eine riesige Baustelle". Anders gesagt: "Wir faxen".

Kein Computer-Nerd, aber überzeugt von den Chancen der Digitalisierung bei der Versorgung: Dr. Nora Schorscher, Anästhesistin an der Uniklinik Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Kein Computer-Nerd, aber überzeugt von den Chancen der Digitalisierung bei der Versorgung: Dr. Nora Schorscher, Anästhesistin an der Uniklinik Würzburg.

Nora Schorscher sieht in Digitalisierung und KI Chancen - "aber es gibt natürlich Grenzen". Wenn eine schwere Diagnose überbracht werden oder Angehörige über den Tod eines geliebten Menschen informiert werden müssten, sei das emotional schwer. "Die Begleitung, die man da braucht, wird nie durch einen Computer ersetzbar sein."

Das Projekt Tele-Intensivmedizin und der Thieme Management Award

Durch Tele-Intensivmedizin werden kleinere Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung mit großen Kliniken datentechnisch verbunden. Durch Video und der Übertragung von Vitalwerten in Echtzeit wird damit eine fachärztliche Bereitschaft im Hintergrund erreicht. 
Die Uniklinik Würzburg koordiniert seit 2021 das bayerische Projekt für teleintensivmedizinische Visiten. Kern ist der eigens entwickelte Tele-Intensivwagen. Das Projekt wird vom Bayerischen Wissenschaftsministerium gefördert. 
Seit 2017 vergibt Thieme (ein Verbund aus Wissenschaftsverlagen, Medien- und Dienstleistungsunternehmen) den Thieme Management Award im Bereich "Senkrechtstarter/in". Mit dem Preis werden junge Führungskräfte ausgezeichnet, die auf ihrem Gebiet Ungewöhnliches leisten.
Quelle: UKW/sp
 
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  • Georg Leitner
    Respekt. Darf man das schreiben: schorsch - schorscher - am schorschsten ? Nix für ungut ;)
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  • Martin Deeg
    Diese Idealisierung von Menschen ist zwar interessant zu lesen aber auch ein Ärgernis.

    Weil es implizit alle anderen an den Rand stellt. Sechs Wochen im Sudan? Ja und? Macht sich gut als Schlagzeile und in der Vita - aber sonst? Ich habe während Corona unbezahlt Nachtschichten in Reihe im Hospiz Stuttgart geleistet, während der Pandemie im Behindertenwohnheim mit 50 Jahren nebenbei die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger gemacht. Interessiert das irgend jemanden?

    Das führt zum zweiten Kritikpunkt: es ist völlig egal, was Menschen (im Stillen) leisten - wenn sie einmal zum Ziel von Diffamierungen, öffentlichen Entwertungen oder gar - Totschlagargument - zum Betroffenen von Strafverfahren wurden, dann ist dieses Etikett das einzige was zählt.

    Bleibt zu hoffen, dass Anästhesistin Nora Schorscher nie ein "Fehler" unterläuft, den irgendjemand (gerne anonym) an entsprechende Stellen leitet und sie von der höchsten "Moral" in die Ecke gedrängt wird, der öffentlichen "Meinung"....
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  • Martin Deeg
    Das ist im übrigen keine Kritik an der Person oder der im Artikel genannten Leistung: gegen positive Vereinnahmung und "Vorbild"-Zwang können sich Betroffene nämlich genauso wenig wehren wie gegen die genannte Diffamierung und Stigmatisierung....aber ich bin sicher, das haben etwaige kritische Leser meines Kommentars auch so verstanden.
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  • Karl-Heinz Schmid
    Vielleicht sollten Sie mal Ihre - stillen - Leistungen der letzten 10 Jahre aufzeigen, Herr Deeg?
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  • Karl-Heinz Schmid
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