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Würzburg
Auf der Intensivstation der Uniklinik Würzburg: Wenn Verlieren Alltag wird
Die vierte Corona-Welle trifft die Kliniken hart. Am Uniklinikum Würzburg landen die besonders schweren Covid-Fälle. Wir haben eine Schicht auf einer Intensivstation begleitet.
Höchste Vorsicht: Wegen der Infektionsgefahr müssen die Pflegekräfte auf einer der Intensivstationen des Uniklinikums Würzburg bei der Behandlung von Corona-Kranken Schutzkleidung tragen.
Foto: Thomas Obermeier | Höchste Vorsicht: Wegen der Infektionsgefahr müssen die Pflegekräfte auf einer der Intensivstationen des Uniklinikums Würzburg bei der Behandlung von Corona-Kranken Schutzkleidung tragen.
Désirée Schneider
 |  aktualisiert: 05.03.2024 13:57 Uhr

In den vergangenen zwei Jahren habe man hier gelernt, zu verlieren, sagt Stephan Kern. Menschenleben zu verlieren, an das Virus. Vor der Pandemie seien er und seine Kolleginnen und Kollegen es gewohnt gewesen, auch einmal zu "gewinnen". Und das Leben eines Patienten, einer Patientin retten zu können. Seit Corona sei das anders. "Jetzt verlieren wir fast immer", sagt Kern über den Kampf. "Das macht was mit einem."

Der 48-Jährige steht zwischen zwei Betten auf der Intensivstation O53 des Uniklinikums Würzburg. Während es draußen vor dem Fenster gerade erst hell wird, übernimmt drinnen die Frühschicht den täglichen Kampf gegen das Virus. Wegen der Infektionsgefahr trägt der Stationsleiter volle Schutzmontur. Denn hier landen die richtig schweren Corona-Fälle.

"Wir sind Maximalversorger", sagt Kern, "zu uns kommen die, die woanders keine Chance mehr haben". Maximal bedeutet, dass die Erkrankten, sowohl was die technische als auch die personelle Ausstattung anbelangt, auf höchster Versorgungsstufe behandelt werden. Es heißt aber auch: Wenn man ihnen hier nicht helfen kann, kann man es vermutlich nirgendwo.

Zweimal pro Woche muss Stationsleiter Stephan Kern neue Medikamente für die Versorgung der Erkrankten bestellen.
Foto: Thomas Obermeier | Zweimal pro Woche muss Stationsleiter Stephan Kern neue Medikamente für die Versorgung der Erkrankten bestellen.

Angst habe viele Patientinnen und Patienten von der Impfung abgehalten

Die Maschinen hinter dem Stationsleiter geben gleichmäßige Töne von sich. Über Monitore flimmern bunte Linien, die in regelmäßigen Abständen ausschlagen. Sie zeigen die Vitalparameter der beiden Menschen an, die hier in den Betten liegen. Eine Frau Mitte 40 und ein Mann Anfang 60. Beide sind ungeimpft, um beide steht es schlecht.

Sie sind zwei der acht Corona-Infizierten, die an diesem 24. November auf der Station behandelt werden. Am Tag zuvor seien es noch elf gewesen, sagt Stephan Kern. Doch in drei Fällen habe man erneut gegen das Virus verloren. So gehe das hier mittlerweile in etwa 90 Prozent der Fälle.

"Es ist verrückt", sagt Kern, im einen Moment gehe es den Erkrankten noch verhältnismäßig gut. Doch dann - er schippst mit den Fingern: "Als hätte man sie ausgeknipst."

Gegen Ende Schicht wird ein weiterer Corona-Patient eingeliefert. Stephan Kern muss die Kapazitäten der Station im Blick behalten.
Foto: Thomas Obermeier | Gegen Ende Schicht wird ein weiterer Corona-Patient eingeliefert. Stephan Kern muss die Kapazitäten der Station im Blick behalten.

Er nickt in Richtung der Patientin. "Als sie eingeliefert wurde, konnte sie noch sitzen, war ansprechbar." Dann sei alles ganz schnell gegangen. Ihr Zustand verschlechterte sich, sie musste ins künstliche Koma versetzt und an eine künstliche Lunge angeschlossen werden. Bei Bewusstsein sei dieser Zustand nicht auszuhalten, sagt der Stationsleiter.

Warum sie sich nicht impfen ließ, wisse er nicht. Meistens sei es Angst, die die Menschen hier von der Impfung abgehalten habe. Richtige Impfgegner hätten sie hier auf der Intensivstation der Uniklinik kaum. Im Grunde spiele es auch keine Rolle. "Wir behandeln alle gleich, ob geimpft oder ungeimpft." Bitter sei es jedoch schon. Besonders wenn man immer mehr ungeimpfte junge Menschen "gehen lassen muss".

Das Wenden der Infizierten ist notwendig und lebensbedrohlich zugleich

Die beiden Infizierten in diesem Zimmer liegen auf dem Bauch, damit ihre Lungen bestmöglich beatmet werden können. Aus beinahe jeder Körperöffnung ragen Schläuche, die in Unmengen an Maschinen verschwinden. Zwei Pflegekräfte hantieren an den Geräten, die die Erkrankten am Leben erhalten. Wegen der Infektionsgefahr tragen auch sie volle Schutzmontur.

Um die Patientinnen und Patienten am Leben zu erhalten, werden sie auf der Intensivstation des Uniklinikums an zahlreiche Maschinen angeschlossen.
Foto: Thomas Obermeier | Um die Patientinnen und Patienten am Leben zu erhalten, werden sie auf der Intensivstation des Uniklinikums an zahlreiche Maschinen angeschlossen.

"Wir müssen sie jetzt wenden", sagt ein Pfleger. Schutzkittel, zwei Paar Handschuhe, Maske - hinter dem Gesichtsvisier ist von ihm fast nichts zu sehen. Seine Kollegin nickt, Kern und ein weiterer Kollege eilen zu Hilfe.

Ein kritischer Moment. "Wenn sich einer der Schläuche löst, ist sie tot", sagt Stephan Kern. Dennoch sei die Maßnahme aus therapeutischer Sicht notwendig, um Druckstellen und das Absterben von Gewebe zu vermeiden. Und um die Patientin weiterhin bestmöglich beatmen zu können. Alles verläuft gut. Die bunten Linien schlagen weiterhin regelmäßig aus. Die Anspannung im Raum nimmt ab.

Mit geschwollenem Gesicht, abgeklebten Augen und Tamponage in der Nase

Als die Pflegekräfte vom Bett zurücktreten, ist das geschwollene Gesicht der Frau zu sehen. Ihre Augen sind abgeklebt, die Nasenlöcher tamponiert. So soll verhindert werden, dass in der Liegeposition aufsteigende Magensäfte in die Augen geraten und sie verätzen, erklärt Kern. Die Tamponage soll das Bluten der Schleimhäute, das durch die blutverdünnenden Mittel ausgelöst wird, stillen. 

Nach jedem Patientenkontakt müssen die Pflegekräfte ihre Ausrüstung desinfizieren.
Foto: Thomas Obermeier | Nach jedem Patientenkontakt müssen die Pflegekräfte ihre Ausrüstung desinfizieren.

Gegen Ende der Schicht wird es unruhig auf der Station. Ein weiterer Corona-Patient trifft ein. Fünf Pflegekräfte in voller Schutzmontur schieben den älteren Mann in einem Bett den Flur entlang. Er sieht ängstlich aus hinter der Sauerstoffmaske. Er leide an Krebs, sagt der Stationsleiter. Man müsse jetzt absprechen, in wie weit eine Covid-Behandlung für ihn machbar sei.

Durch eine Scheibe beobachten Pflegerinnen, Pfleger und einige Ärzte, wie der Neuzugang versorgt wird. Kaum jemand spricht. Und wenn, dann nur leise. Die Anspannung ist spürbar.

Wenig später erneut die Nachricht: Ein weiterer Infizierter braucht ein Bett. Kern wirkt besorgt. Er muss mit dem leitenden Oberarzt die Kapazitäten der Station besprechen. "Wir müssen schauen, wie wir handlungsfähig bleiben." Ob Maximalversorger oder nicht - auch hier, sagt Kern, stoße man inzwischen an Grenzen.

Fotoserie

Die Autorin über diese Reportage

Désirée Schneider
Foto: Thomas Obermeier | Désirée Schneider
Trotz der Bilder und Berichte in den Medien war es im Vorhinein kaum möglich, mich auf das einzustellen, was mich auf der Intensivstation an der Würzburger Uniklinik erwartet. Schwer kranke Menschen in einem Zustand zu sehen, der mit einer Impfung in vielen Fällen vermutlich vermeidbar gewesen wäre - das lässt mich auch Tage später noch bedrückt zurück.
Ich hoffe, dass diese Reportage einen Beitrag dazu leistet, die angespannte Situation auf den Intensivstationen aufzuzeigen und der großartigen Arbeit des Pflegepersonals - auch abseits der Pandemie - mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.
  
 
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  • H. S.
    Kann man bitte die 11 Intensivbetten (laut Bericht; ich hoffe mehr) der großen UniKlinik Würzburg etwas erhöhen, damit man "nicht an die Grenzen stößt"? Mein Respekt für diese wichtige Arbeit im Krankenhaus.
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  • G. M.
    Wenn es genug Pflegepersonal geben würde, leider fehlt es wie in vielen Kliniken an qualifizierten Personal.
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  • W. S.
    Meine große Anerkennung denen, die den nerven- und kräftezehrenden Dienst Tag für Tag verrichten.
    Nur leider werden diejenigen, die durch Impfung und Kontakteinschränkung am meisten für eine Besserung der Zustände tun könnten, den Artikel nicht lesen.
    Stattdessen verbreiten sie Whatsappnachrichten über angeblich volle Intensivstationen mit Impfgeschädigten.
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  • S. W.
    Ich habe sehr großen Respekt vor der Arbeit des Pflegepersonals auf den Intensivstationen. Auch die Inhalte der Reportage sind treffend und realistisch. Sie sind aber auch schockierend. Hier muss man als geimpften wirklich viel ertragen, nur weil es noch Leute gibt, die das alles anzweifeln. Wieder mal ist der Geimpfte der Blöde und muss alles aushalten.
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  • M. R.
    Danke der Autorin nebst Kollegen und Kolleginnen für ihren Mut, die psychischen wie physischen Belastungen auf sich zu nehmen, um mit dieser Reportagenserie ungefiltert zu zeigen was Realität ist.
    Es bleibt zu hoffen, dass viele Zweifler und realitätsferne Faktenverdreher doch noch die Kurve kriegen und den Ernst der Situation begreifen. Zudem erkennen, was sie mit ihrer Haltung dem medizinischen Personal zumuten, das mit kurzen Unterbrechungen nun bald 2 Jahre „am Anschlag“ arbeitet, oder was sie denjenigen zumuten, deren Operationen und stationäre Behandlungen abgesagt/verschoben werden müssen, oder die im Notfall nicht heimatnah versorgt werden können.
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  • T. W.
    Das ist die Realität.......... leider.
    Aus eigener Erfahrung (Praktikum in einer ITS) kann ich versichern, dass nichts übertrieben ist! Was muten wir eigentlich dem Gesundheitspersonal alles zu? Die Bedingungen sind ohne Corona schon grenzwertig! Ich finde es ignorant, dumm und arrogant sich nicht impfen zu lassen! Hochachtung für alle Pflegenden!
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  • R. B.
    „Auf Egoismus ist mehr Verlass als auf Solidarität.“
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  • G. B.
    Bitte diesen Bericht auch für Nicht-Abonnenten zugänglich machen!
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  • G. B.
    Die Diskussionen, ob man sich impfen soll, sind irgendwie müßig.
    Entweder es gibt eine Pflicht - dann handelt man strafbar, wenn man sich nicht impft. Oder es ist freiwillig, dann darf man es eben selbst entscheiden.

    Die Politik hat bislang keine Impfpflicht beschlossen, und möchte sie irgendwie doch durchsetzen. Darüber hinaus, habe ich in den vergangen Tagen mehrfach versucht, mich impfen (Booster - ich bin 2 mal geimpft) zu lassen, aber keinen Termin bekommen.
    Eine Impfpflicht scheitert also offenbar schon am vorhandenen Impfmaterial. Schon gar nicht kann man sich den Impfstoff aussuchen.
    Dass die Ungeimpften das alles ungerecht finden, kann ich sogar nachvollziehen.
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  • A. S.
    Ich habe am letzten Mittwoch immer wieder versucht einen Termin zu bekommen und am Nachmittag hat es dann geklappt . Habe am Freitag meine Boosterimpfung bekommen, der Impfstoff war mir ziemlich egal.
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  • L. W.
    @ Gert-raud

    Die meisten Politiker glaubten halt dass die große Mehrheit der Bürger sich vernünftig verhalten würde.

    Der irrationale Einfluss der Abwärts für Deutschland wurde unterschätzt. Denn gerade aus deren Umfeld kommen besonders viele Menschen, die leider auch sehenden Auges lieber sterben als sich impfen zu lassen.

    Dass diese Ignoranten ihr Leben riskieren wäre ja nicht weiter schlimm, wenn sie von vornherein jegliche medizinische Hilfe in einer persönlichen Verfügung ausschließen würden.

    Aber leider vertrauen auch diese Quarkdenker auf unsere gute medizinische Versorgung und blockieren dadurch anderen Menschen eine dringend nötige Operation oder andere medizinische Versorgung und Rehabilitation.
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  • G. K.
    Meine Hochachtung für das Pflegepersonal, enorm was sie leisten. Der Bericht zeigt auch auf, das unbedingt und ausnahmslos geimpft werden muß. Danke an die Verfasserin dieser Reportage , die den Alltag aufzeigt.
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  • H. M.
    Danke Frau Schneider für diesen Einblick in die großartige Arbeit unserer Pflegekräfte.
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  • H. L.
    Angesichts dieser tollen Reportage über die dramatischen Zustände in den Kliniken möchte ich auch mein Unverständnis gegenüber Ungeimpften, ohne medizinische Indikation, ausdrücken.
    Auch über das Unverständnis und die Unverschämtheiten von ungeimpften Arbeitnehmern, welche nun täglich in ihrer Firma getestet oder einen tagesaktuellen, negativen Testnachweis vorlegen müssen.
    Einer dieser Unverbesserlichen sagte mir heute früh, dass er, nach seinem negativen Test, nun nicht mit geimpften (ungetesteten) Leuten zusammenarbeiten möchte, da er sich nicht infizieren will.... Geht`s noch?
    Aber solche Spielchen werden nun gespielt und gehen leider an der harten Realität vorbei.
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  • S. F.
    Auch wenn ich die Anmerkung des Ungeimpften sehr provokant finde: Wir kommen momentan nicht weiter, wenn wir die Geimpften und Genesenen nicht testen.

    Es ist unbequem, aber absolut nötig! Nur so kommen wir zu einer vernünftig berechneten Gesamtinzidenz, die alles abbildet. Die Inzidenz so als Messwert zurückzuschneiden war definitiv ein Fehler. Denn sonst hätte man die Welle nicht erst in den Kliniken bemerkt, sondern früher. Und dann hätte man rechtzeitig mit weichen Maßnahmen gegensteuern können…

    Hätte, hätte, Fahrradkette.

    Es hängt aber auch - und das muss man dem Ungimpften klar kommunizieren- von den Ungeimpften ab: wir haben leider einen Anteil an Ungeimpften, der nicht auf der ICU landen müsste, weil er geimpft einen milden Verlauf hätte. Das ist also vermeidbar.

    Was uns allen klar sein muss: auch im Herbst/Winter 2022 werden wir eine Welle bekommen. Die wird nicht so groß wie die jetzige.

    Und jetzt gerade hilft nur eins: Abstand halten und sich impfen lassen.
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  • W. S.
    Wie Recht Sie leider haben. Nachdem die Welle so hoch schwappt, müssen sich auch die Geimpften/Genesenen deutlich stärker einschränken als es der Fall wäre, wenn die Impquote höher wäre. Aber nur gemeinsam überstehen wir das.
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  • M. F.
    Sehr eindrucksvoll und lesenswert!
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