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Würzburg
Wohnblock mit Fäkalien verseucht: Mit dieser ungewöhnlichen Strategie wehren sich Würzburger Mieter jetzt gegen Dawonia
Die Fäkal-Überschwemmungen in einem Würzburger Dawonia-Wohnblock scheinen wie ein Albtraum ohne Ende. Nun wehren sich Mieter mit der Gründung einer "Mietergewerkschaft".
Bewohner des Grombühler Wohnblocks konfrontierten im Oktober 2023 eine Dawonia-Verantwortliche. Mittig: David Full, Sprecher der geplanten Würzburger 'Mietergewerkschaft'.
Foto: Patty Varasano | Bewohner des Grombühler Wohnblocks konfrontierten im Oktober 2023 eine Dawonia-Verantwortliche. Mittig: David Full, Sprecher der geplanten Würzburger "Mietergewerkschaft".
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 02:39 Uhr

Die Toilette verstopft, stinkende Brühe in der Badewanne, der Fußboden regelmäßig überschwemmt mit Fäkalien: Die Mieterinnen und Mieter eines Dawonia-Wohnblocks im Würzburger Stadtteil Grombühl leben seit Jahren unter teils menschenunwürdigen Bedingungen.

Von acht bis neun Überschwemmungen in ihrer Wohnung berichtet eine Bewohnerin. Der im Rollstuhl sitzende Mieter einer Erdgeschosswohnung musste wegen eines unkontrollierten Abwasser-Rückstaus seine Wohnung verlassen. Im Mai mussten Bewohner stundenlang Abwasser abschöpfen. Ein Ende der Situation ist nicht in Sicht. "Wir werden komplett alleine gelassen", klagt eine Bewohnerin gegenüber der Redaktion.

Verkalkte Rohre als Grund für die Fäkal-Überschwemmungen in Würzburg?

Verkalkte Abwasserrohre seien der Grund für die Überschwemmungen und müssten ausgetauscht werden, sagen die Mieter. Um das durchzusetzen, haben sie in den vergangenen Jahren viel versucht: Im September 2023 unterschrieben 84 Bewohnerinnen und Bewohner einen offenen Brief an die Dawonia. Bei einer anschließenden Visite konfrontierten die Mieter Dawonia-Verantwortliche vor Ort mit ihrem Leid – vergeblich.

Zuletzt kam es im Mai erneut zu Fäkal-Rückstaus im Würzburger Dawonia-Wohnblock.
Foto: Julien Becker | Zuletzt kam es im Mai erneut zu Fäkal-Rückstaus im Würzburger Dawonia-Wohnblock.

Nicht sachgemäß entsorgte Gegenstände wie Windeln und Binden seien "in jedem einzelnen Fall" in den Rohren gefunden worden, antwortete die Dawonia wiederholt auf Anfragen der Redaktion. "Nicht immer ist der 'böse' Vermieter schuld", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme. "Rund 100.000 Euro" habe man seit 2017 in die Reparatur der Rohre investiert. Und: "Wir appellieren an unsere Mieter:innen, ihr Entsorgungsverhalten zu verändern." Müssen also Unbeteiligte leiden, weil Dritte das veraltete Abwassersystem nicht sachgemäß nutzen?

Das zuständige Sanitär-Unternehmen will eine Anfrage dazu nicht beantworten. Und auch der Entwässerungsbetrieb der Stadt Würzburg will sich nicht äußern, "denn für die private Grundstücksentwässerungsanlage ist allein der Grundstückseigentümer zuständig". Lediglich "die Begehung des zivilrechtlichen Weges" stehe offen, heißt es auf Anfrage. Den wollen die Mieter nun gemeinsam eingeschlagen – mit der Gründung einer "Mietergewerkschaft".

Initiative aus Grombühl: "Wir werden kollektive Mietminderungen fordern"

"Wir werden kollektive Mietminderungen fordern", erklärt David Full, Sprecher der "Gewerkschaft". Beraten werde die Gruppe vom Würzburger Mieterschutzverein. Die Organisation und Schulung der Betroffenen vor Ort könne der Mieterverein nicht leisten – die "Gewerkschaft" schon. "Der einzelne Mieter hat eine viel geringere Macht als der Vermieter", heißt es auf der Webseite der "Mietergewerkschaft", die ihren Sitz in Frankfurt hat und beim Aufbau der Würzburger Ortsgruppe hilft. "Durch eine Mietergewerkschaft können wir das Kräfteverhältnis verändern."

Im September 2023 übergaben Bewohner und Ehrenamtliche einen Brief mit Forderungen an die Dawonia in Würzburg – weitgehend ohne Erfolg.
Foto: Johannes Kiefer | Im September 2023 übergaben Bewohner und Ehrenamtliche einen Brief mit Forderungen an die Dawonia in Würzburg – weitgehend ohne Erfolg.

Im vergangenen Jahr hätten Ehrenamtliche mit den Mieterinnen und Mietern des Grombühler Wohnblocks systematisch Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen im Block ausgewertet – und Fehler gefunden, sagt Full. Da sich die Dawonia bei der Lösung des eigentlichen Problems nicht kooperativ zeige, wolle man nun durch organisiertes Handeln Druck aufbauen. Bis zu zehn Prozent weniger Miete sollen die Betroffenen in Grombühl künftig zahlen. Rechtlich abgesichert sollen sie dabei durch die Planung und Koordination der "Gewerkschaft" werden.

Mietergewerkschaft Würzburg: Das steckt hinter der geplanten Gründung

Die Würzburger Gründungsmitglieder setzen sich laut Fulls Angaben aus Bewohnern des Dawonia-Wohnblocks und engagierten Ehrenamtlichen zusammen. Das Ziel sei Hilfe zur Selbsthilfe: "Wir erstellen Mustervorlagen für Einwendungen und schulen Mieter im Umgang mit der Dawonia", sagt Full. Auch an der Vernetzung im Viertel arbeite die "Gewerkschaft".

So gebe es bereits jetzt Austausch mit dem Jugendzentrum im Felix-Fechenbach-Haus und dem Umsonstladen im Block. Auch ein Sommerfest sei in Planung. "In anderen Städten läuft das bei Weitem nicht so gut", sagt Full über die Organisation und die Zusammenarbeit mit dem Mieterschutzverein.

Die erste Würzburger "Mietergewerkschaft"

Die offene Würzburger Ortsgruppe der "Mietergewerkschaft" will sich am Mittwoch, 17. Juli, um 18 Uhr im Jugendzentrum Miezekoze in der Gutenbergstraße 3 gründen. Hinter der Gruppe steht der 2019 in Frankfurt gegründete Verein "Initiative für eine Mietergewerkschaft". Rechtliche Privilegien, wie sie Mietergewerkschaften in anderen europäischen Ländern genießen, hat die Initiative nicht. Die Gründung einer tatsächlichen Gewerkschaft ist das langfristige Ziel des Vereins. Weitere Informationen gibt es unter: www.mietergewerkschaft.de.
E-Mail-Kontakt zum Ableger in Würzburg: initiative-wohnraum@riseup.net
Quelle: ron
 
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  • Roland Rösch
    Abwasserpläne von Haus und Entwässerungsbetrieb, Fachbetrieb beauftragen dann is das endlose und immer teuer werdende Problem bestimmt gemeinsam endlich zu lösen.
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  • Emilie Krenner
    Eine Verkalkung- im Abwasserrohr übrigens sehr unwahrscheinlich- ließe sich mit einer Endoskopie (Kamera durch das Rohr) sehr einfach beweisen bzw. wiederlegen. Wer hier bei einer Mietminderung in der Beweispflicht ist weiß ich nicht.
    Aber wenn es dann doch an der unsachgemäßen Entsorgung von Hygieneartikel liegt, dann sind beide Parteien -Mieter in den betroffenen Wohnungen und der Vermieter durch Folgekosten die Leidtragenden. Eine Ermittlung mittels DNA-Analyse wäre technisch sicher möglich, rechtlich aber nur bei einer "Straftat von erheblicher Bedeutung". Darunter fällt eine Windel im WC sicher nicht. Bleibt also nur an die Vernunft und Solidarität unter den Mietern selbst zu appelieren.
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  • Georg Ries
    Selbstverständlich können sich in Abwasserleitungen Ablagerungen bilden, die sich mit der Zeit zu Abflusshindernissen entwickeln. Auch Brüche der Grundleitungen sind denkbar, welche zu Verstopfungen führen. Aufklären kann das nur eine TV-Befahrung durch eine Fachfirma. Dann herrscht Klarheit 😀Es sollten dazu Entwässerungspläne vorhanden sein, die sind hilfreich. In Würzburg werden die bei einer Baugenemigung geprüft und die Grundleitungen abgenommen. Aber auch Leitungen altern.... Wann wurde das Haus gebaut? MP bitte dran bleiben und weiter berichten. Medialer Druck kann hilfreich sein, siehe Boulderhalle! 👍
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  • Jutta Nöther
    Das Mietshaus, in dem ich wohne, ist 53 Jahre alt, und an den Rohrleitungen ist noch nie was gemacht worden.
    Unser Toilettenabfluss ist so verkalkt, dass wir nach jedem größeren Geschäft reingreifen und die Chose durchdrücken müssen (Ich bitte um Entschuldigung für die klare Sprache).
    Und in dieses Klo ist seit wir dort wohnen (und das sind inzwischen 25 Jahre), noch NIE was reingeworfen worden, was nicht reingehört.

    Das nur zum Thema "Abflussleitungen können nicht verkalken".
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  • Emilie Krenner
    Das ist mit Sicherheit Urinstein und kein Kalk. Das ist aber ein lokales Problem am Lokus. Das sollte nach 53 Jahren der Vermieter aber schon zu einem Tronwechsel bereit sein ;-)
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  • Norbert Meyer
    DAWONIA ist auf maximalen Profit ausgerichtet. Da stören Repparaturausgaben nur.
    Regelmäßige Mieterhöhungen bei Vernachlässigung der Objekte, erhöhen den Profit.
    Dazu überteuerte Nebenkostenabrechnungen, wo Kosten aufgeführt werden, die Pflicht
    bezahlten u. NIE sichtbaren Hausmeister sind. Dazu angebliche "Schnee- u. Eisbeseitungung" (wann ?) sowie Pflege des Unkrauts der Aussenanlage über zu DAWONIA gehörende Subunternehmen. DAWONIA gehört zur Patrizia Alternative Investments GmbH
    u. wird von Saba Nazar (ehemals bei Goldman Sachs, Lehman Brothers !!!) geführt.
    Als GBW noch Eigentümer der Wohnungen war, war Sorgfalt für Anlage u. Mieter die Maxime.
    Jetzt gilt : Kassieren bis der Arzt kommt.
    Quellen: https://de.wikipedia.org/wiki/Dawonia_Real_Estate
    https://de.wikipedia.org/wiki/Patrizia_AG
    https://tinyurl.com/2yoogelx
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  • Georg Ries
    Es ist natürlich einfach, den Bewohnern die Schuld zu geben!! 👎🏼
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  • Georg Ries
    Wieder einmal typisch Stadt Würzburg!!! Nach der Entwässerungssatzung hat die Stadt umfangreiche Kontrollrechte und könnte dem Betreiber der Anlage Beine machen. Ebenso Einsicht in vorhandene Prüfungsunterlagen.
    § 12 Abs. 5 der Entwässerungssatzung!!
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  • Christiane Schmitt
    Die Vermietergesellschaft sollte offenlegen, wo wann was Falsches gefunden wurde, das die Rohre verstopft und natürlich schnellstens für Abhilfe sorgen. Allerdings ist sie nicht in jedem Fall verpflichtet, bei Rohr-Verstopfung tätig zu werden. Dass man kaum miteinander eine Übereinkunft findet, ist sehr merkwürdig. Z. B., dass die Mieter jeweils Installateure bestellen dürfen, wenn so etwas Schreckliches auftritt, diese dann die Sache auf Rechnung bereinigen und je nach Verursacher derjenige oder die Allgemeinheit, d. h. Hausverwaltung, zahlen müsste. Gibt es dort keine Regeln? Es gibt leider in jedem Mehrfamilienhaus Bewohner/innen, die gegen jede Regeln handeln. Auch Essen, Fett, Öl ins Klo werfen/schütten, gehört sich nicht. Andre Regelverstöße gibt es besonders bei Müllentsorgung und Trennung. Man sollte auch bedenken, dass viele Modernisierungen Mieterhöhungen nach sich ziehen. Deshalb sollten die Ursachen endlich gefunden werden.
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  • Edith Kram
    @GF:

    Zu prüfen wäre derTatbestand des § 326 StGB.
    Aus meiner Sicht ist der Anfangsverdacht einer Straftat seitens der Vermieterin/Hauseigentümerin gegeben, weshalb dann auch das "beauftragte Sanitärunternehmen" Roß und Reiter nennen müßte.
    Deckt diese Firma evtl. eine Straftat/Ordnungswidirgkeit, wäre auch diese deutlich hu sanktionieren, um Wiederholungsfälle zu vermeiden.

    Sind allerdings, wie im Bericht vermutet, die Mieter schuld, würden strafrechtliche Ermittlungen auch dies ans Tageslicht bringen.

    Ein zivilrechtliches Verfahren ist in diesem Fall wohl langwierig und nur bedingt zielführend. Darüberhinaus ein weiteres Armutszeugnis für den Schutz von Mietern und Menschenleben hierzulande.

    Aber egal wer letztlich "Schuld"ist - diese Vorgänge sind einfach menschenverachtend.
    Dessen sollten sich auch die Mitarbeiter des "beauftragten Sanitärunternehmens" bewußt sein - und den Mund aufmachen.

    Autor: @GF
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  • Walter Seubert
    Wie im Artikel erwähnt, Binden, Windeln und auch Feuchttücher haben leider nicht die Konsistenz das sie sich bei kontakt mit Waser zersetzen, wie zum Beispiel Toilettenpapier.
    Viele öffentliche Einrichtungen aber sicher auch Vermieter haben ihr Leid damit was Besucher, Patienten, Bewohner, Mieter in ihrer Gedankenlosigkeit alles verursachen. Der Notdienst bzw. der Kanalreiniger der solche Sachen mit hohem Zeit - und Materialaufwand behebt kostest ne Stange Geld. Vielleicht sollte die Gewerkschaft die Mieter im Umgang mit den in den Abflüssen entsorgten Gegenständen schulen. "Verkalkte" Abwasserrohre sind auch eine sehr interessante These.
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