zurück
Lohr
Hausärzte gesucht: Lohr leidet Not wie keine andere Region
In Main-Spessart wird viel über das Klinikum gesprochen. Dabei geht fast unter, dass die Kassenärztliche Vereinigung schon seit Jahren Hausärzte sucht.
Ein Stethoskop liegt in der Praxis eines Hausarztes: Im Raum Lohr wird seit fünf Jahren um weitere Hausärzte geworben – bislang ohne Erfolg.
Foto: Stephan Jansen | Ein Stethoskop liegt in der Praxis eines Hausarztes: Im Raum Lohr wird seit fünf Jahren um weitere Hausärzte geworben – bislang ohne Erfolg.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 04.05.2020 02:10 Uhr

Die Nachricht, dass Kinderarzt Jürgen Messner (68) seine Praxis im Juli schließen wird und seine potenzielle Nachfolgerin aus privaten Gründen aus Lohr wegzieht, hat viele Eltern beunruhigt: Ist Messner doch der einzige Kinderarzt im Raum Lohr. Doch ist dies nicht der einzige Schwachpunkt in Sachen ärztliche Versorgung in jener Stadt, in der das Main-Spessart-Klinikum entstehen soll: Auch bei den Hausärzten herrscht seit Jahren ein Mangel, der sich in absehbarer Zeit noch verschärfen dürfte.

Der Planungsbereich Lohr ist in etwa identisch mit dem Altlandkreis Lohr, umfasst die Stadt Lohr und acht umliegende Gemeinden. Seit Jahren nun schon heißt es auf der Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB): "Hausärzte gesucht". Doch hält sich die Nachfrage in Grenzen.

Seit wann das Problem bekannt ist

Die drohende Unterversorgung im Raum Lohr habe der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern bereits vor knapp fünf Jahren festgestellt, erklärte Axel Heise, stellvertretender Pressesprecher der KVB, auf Anfrage der Redaktion. 2019 sei diese Feststellung fortgeschrieben worden. Demnach waren im vergangenen Jahr schon 2,5 Vertragsarztsitze vakant.

Die Kassenärztliche Vereinigung wartet vergeblich auf Bewerbungen für einen Hausarztsitz im Raum Lohr. 
Foto: Daniel Karmann | Die Kassenärztliche Vereinigung wartet vergeblich auf Bewerbungen für einen Hausarztsitz im Raum Lohr. 

Nun gilt seit Jahresanfang ein neuer Bedarfsplan. Er bestimmt das Verhältnis der Zahl der Hausärzte zu jener der Einwohner, die zu versorgen sind. Hatte ein Hausarzt rein rechnerisch bisher 1671 Patienten zu versorgen, so werden neuerdings nur noch 1609 angesetzt. Im Raum Lohr hatte dies zur Folge, dass nunmehr sogar 3,5 Sitze zu vergeben sind. 

Doch liegt der KVB aktuell keine einzige Bewerbung vor, wie Heise ausführt. Dabei werden potenzielle Kandidaten mit ordentlich Geld gelockt: Wer sich neu niederlässt oder eine Praxis übernimmt, bekommt schon einmal bis zu 60 000 Euro Zuschuss. Zur Einordnung: Die Gründung oder Übernahme einer Arztpraxis schlägt im Schnitt mit rund 115 000 Euro zu Buche.

Auch Zweigpraxen und Kollegen-Einstellungen werden gefördert

Wer eine Zweigpraxis einrichtet, kann immerhin noch bis zu 15 000 Euro Zuschuss erwarten. Wenn ein aktiver Hausarzt einen weiteren Kollegen einstellt, kann er mit bis zu 4000 Euro pro Quartal rechnen und zusätzlich bis zu 15 000 Euro für Investitionskosten. Die Beschäftigung eines Assistenten oder einer Assistentin fördert die KVB mit bis zu 1500 Euro.

Damit noch nicht genug: Weitere Fördermittel sind unter Umständen vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel zu bekommen. Schließlich ermuntert die KVB ihre aktuellen Vertragsärzte, ihre Praxis auch über das 63. Lebensjahr hinaus fortzuführen. Dafür bekommt er dann bis zu 4500 Euro pro Quartal. 

Dass bislang noch kein Interessent angebissen hat, hat aus Sicht der KVB viele Gründe. "Trotz aller Unterstützung durch Fördermittel mangelt es an hausärztlichem Nachwuchs, der auch unternehmerisch tätig werden und der mit seiner Familie Wurzeln in dieser sicherlich lebens- und liebenswerten Region finden will", interpretiert Heise. Dazu komme, dass ältere, abgabewillige Hausärzte bereits in einem so fortgeschrittenen Alter seien, "in dem sie lieber an einen Praxisnachfolger abgeben würden, als noch mehrere Jahre einen Arzt oder eine Ärztin anzustellen". 

„Die junge Ärztegeneration tickt anders als ihre Vorgänger." 
Aus einer Pressemitteilung des Hartmannbunds 2012

Zuschüsse als Lockmittel hin oder her: Prämienzahlungen stehen bei Medizinstudenten erst an vierter Stelle ihrer Prioritätenliste (47 Prozent der Angaben), wie die Ärzteorganisation Hartmannbund bereits 2012 per Umfrage ermittelt hat. Die drei wichtigsten Bedingungen sind demnach Unterstützung bei der Kinderbetreuung (63 Prozent), kostenlose Bereitstellung von Praxisräumlichkeiten (59 Prozent) und ein Arbeitsplatz für den Ehe-/Lebenspartner (51 Prozent). Den Wunsch nach finanzieller Unterstützung bei Praxisgründungen äußern sogar nur zehn Prozent.

Blutdruckmessungen gehören zum Alltag eines jeden Hausarztes. 
Foto: Thinkstock | Blutdruckmessungen gehören zum Alltag eines jeden Hausarztes. 

„Die junge Ärztegeneration tickt anders als ihre Vorgänger," machte der Hartmannbund bereits damals auf die Entwicklung aufmerksam. "Sie hat ein anderes Verständnis vom Arztberuf, sie setzt andere Schwerpunkte und sie hat sehr konkrete Vorstellungen davon, wie ihr Berufsleben aussehen soll.“ Eine klassische Einzelpraxis sei für gerade noch zehn Prozent überhaupt eine ernsthafte Option, diese Praxisform stehe vor dem Aus. Im Trend lägen stattdessen Gemeinschaftspraxen, Kooperationen und die Anstellung im ambulanten Bereich.

15 Prozent weniger Hausärzte in 15 Jahren

Auch die Stipendien für Studenten, die sich nach ihrer Facharztweiterbildung für mindestens fünf Jahre Landarzttätigkeit verpflichten, haben die Lohrer Situation in den acht Jahren seit ihrer Einführung noch nicht verbessert. Lohr droht die Unterversorgung. Wenn die Region erst einmal unterversorgt ist, gibt es zwar noch höhere Zuschüsse. Ob dies die Situation verbessert, ist aber fraglich. Denn Hausärzte werden im ganzen Land langsam knapp: Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) ging ihre Zahl in den vergangenen 15 Jahren zurück von rund 53 000 auf 45 000 – genauer um 8352 oder gut 15 Prozent.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lohr
Roland Pleier
Ambulanz
Arztpraxen
Gemeinschaftspraxen
Hausärzte
Kassenärzte
Kinderärzte
Krankenhäuser und Kliniken
Krankenkassen
Medizinstudenten
Ärzte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top