Ein paar Hundert Euro pro Studienmonat extra. Ein Zuschuss zum Lebensunterhalt im Praktikum. Oder Startkapital für die eigene Praxis. Diverse Fördermittel sollen dem Landarzt-Mangel entgegenwirken. Seit Jahren wird so versucht, junge Mediziner als Hausärzte zu gewinnen. Mit Erfolg, heißt es aus dem Gesundheitsministerium und von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) unisono. Was aber sagen die Studenten selbst? Sind die Förderungen für sie Bürde oder Türöffner?
Lydia Gabbert studiert im zehnten Semester Medizin in Würzburg. Die 24-Jährige stammt aus der Nähe von Magdeburg, monatlich bekommt sie derzeit 500 Euro von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt. Im Gegenzug hat sie sich verpflichtet, nach Abschluss der Facharztausbildung drei Jahre als Hausärztin in unterversorgten Gebieten ihrer Heimat zu arbeiten. Bereut sie die Entscheidung? Nein, sagt Gabbert. "Es erleichtert den Studienalltag, man muss nicht nebenbei arbeiten. Das war schon der Anreiz."
Ein Anreiz, den im Freistaat sowohl die KVB als auch die Politik setzen. Ziel sei es, die "wohnortnahe ärztliche Versorgung für die Menschen in allen Regionen Bayerns aufrechtzuerhalten. Um das zu erreichen, brauchen wir Landärztinnen und Landärzte", sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) auf Anfrage. Seit 2012 gibt es dafür ein eigenes Förderprogramm. Insgesamt 38 Millionen Euro wurden investiert und so 488 Mediziner bei der Praxisgründung auf dem Land unterstützt – davon 395 Hausärzte. Zudem erhielten bayernweit 203 Medizinstudenten ein Stipendium, 27 in Unterfranken. Sie verpflichteten sich dafür, später fünf Jahre als Landarzt zu arbeiten.
Die KVB bezuschusst ebenfalls Niederlassungen in unterversorgten Regionen und unterstützt Studenten, die beispielsweise Praktika auf dem Land ableisten. Aber: Reicht das, um den Hausarzt-Beruf für angehende Mediziner wieder interessant zu machen?
Nils Hapke, Würzburger Medizinstudent und Fachschaftsmitglied, ist skeptisch. Landarzt-Stipendien werden aus seiner Sicht kaum wahrgenommen. Und wenn, empfänden viele Mitstudenten die Bedingungen als zu eng: "Es ist schon eine Einschränkung, wenn man sich so früh auf das Berufsbild und einen bestimmten Landkreis festlegt". Generell habe sich das Image des Hausarzt-Berufs zwar verbessert. Noch immer gebe es aber Punkte, die von der Landarzt-Praxis abschreckten. Die Angst vor Regressen etwa, der enorme Verwaltungsaufwand oder die ständige Erreichbarkeit. "Wenn man Maßnahmen ergreifen würde, um das abzufedern, das würde das Arbeiten auf dem Land wesentlich attraktiver machen", sagt der 24-Jährige. Als Beispiel nennt er Gemeinschaftspraxen.
Glaubt man der KVB, ist mehr Attraktivität weiterhin dringend nötig.In den nächsten Jahren drohe eine "große Versorgungslücke", sagt Sprecherin Birgit Grain. Zahlreiche Mediziner gingen in Ruhestand. "Derzeit sind 35,5 Prozent der niedergelassenen Hausärzte in Bayern älter als 60 Jahre." Viele finden keinen Nachfolger. Schon jetzt ist in Unterfranken der nördliche Landkreis Schweinfurt mit Hausärzten unterversorgt, in Lohr am Main droht die gleiche Situation. An HNO-Ärzten mangelt es in den Haßbergen. Abgewendet wurde die drohende hausärztliche Unterversorgung mittlerweile im Bereich Haßfurt oder im Spessart. Fazit der KVB: Die Fördermaßnahmen zeigten Wirkung.
Für die Studenten aber haben vor allem die Stipendien auch Nachteile. "Natürlich ist das eine langfristige Entscheidung und auch ich habe ab und zu damit gehadert", sagt Lydia Gabbert. Etwa mit der regionalen Bindung. "Mein Partner kommt jetzt aus Bayern und ich weiß, dass ich wieder weg muss."
Auch Nils Hapke sieht Stipendien deshalb kritisch, genauso wie eine Landarztquote für Mediziner. Sinnvoller seien die Angebote, bei denen man die Arbeit als Hausarzt kennenlernen könne – "ohne dass daran gleich Bedingungen geknüpft sind, quasi als Werbung für das Leben auf dem Land".
Das Landleben an sich gefällt Lydia Gabbert. Und sie reizt das breite Spektrum an Patienten und Krankheitsbildern. "Das Schöne am Hausarzt-Beruf ist ja, dass man Menschen begleiten kann", sagt die 24-Jährige. "Man ist letztlich die Vertrauensperson und das finde ich sehr schön". Eine eigene Praxis zu führen, kann sie sich durchaus vorstellen. Später. Erst muss sie ihre Ausbildung abschließen. Danach kommen die drei Jahre im ländlichen Raum, zu denen sie sich verpflichtet hat. Und die Familienplanung.
Genau das ist eines der Probleme: Noch treten die Stipendiaten nicht in die Praxen ein. Erst in einigen Jahren werden die jungen Mediziner nachrücken und die Lücken schließen. Müssen bis dahin Ärzte auch im Rentenalter weitermachen? Teilweise ja, in unterversorgten Gebieten zahlt die KVB sogar Zuschüsse zur Praxisfortführung ab dem 63. Lebensjahr. Gleichzeitig hofft man, mit der Niederlassungs-Unterstützung mehr und mehr junge, fertig ausgebildete Ärzte aufs Land zu locken. Langfristig sollen unter anderem die Ausbildungskapazitäten aufgestockt werden, so das Ministerium.
Nur: Wie nachhaltig all diese Förderprogramme sind, muss sich erst noch erweisen. "Es sind nur drei Jahre, die ich mich verpflichte", sagt Lydia Gabbert. Danach kann sie arbeiten, wo sie will. Das kann auf dem Land sein – muss es aber nicht.