Im November hat sich der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gegründet. Der in Würzburg lebende Schauspieler Kai Christian Moritz gehört diesem Gremium an und ist einer der Sprecher. Auf Einladung des Präsidiums des Synodalen Wegs meldete er sich mit Johannes Norpoth aus Gelsenkirchen und Johanna Beck aus Stuttgart auf einer Onlinekonferenz Anfang Februar in beeindruckenden Statements mit deutlichen Botschaften zu Wort. Im Gespräch erläutert Moritz, warum dies erst jetzt möglich war, was Betroffenenbeiratsgremien keinesfalls sein sollten und warum er sich mit der Entschuldigung des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki schwer tut.
Kai Christian Moritz: Es ist nicht so, dass sich Betroffene nicht bemüht hätten dabei zu sein. Bei vorherigen Treffen hat das nicht stattgefunden, weil die Synodalen wohl die Sorge hatten: Was setzen wir uns da rein? Jetzt aber haben sie mit dem Beirat der Deutschen Bischofskonferenz Menschen, mit denen eine konstruktive, wenngleich keine harmlose Zusammenarbeit möglich ist. Aber es ist tatsächlich so, dass Betroffene lange Zeit aus den Blick genommen worden sind, um sie nicht in den Blick nehmen zu müssen.
Moritz: Mit unserem Ansatz, unserer Expertise und unserer Erfahrung haben wird deutlich gemacht, dass Betroffene beim Synodalen Weg mit dabei sein müssen. Die theoretische Ausarbeitung in einzelnen Foren ist schon sehr weit fortgeschritten. Doch nun kann durch uns das mit dem wahren Leben unterfüttert werden.
Moritz: Das Thema "Macht" und deren gewaltsamer und unbarmherziger Gebrauch ist einer der gewichtigsten Gründe, weswegen wir uns öffentlich dazu geäußert haben. Wir Betroffene sind Überlebenskünstler, wir konnten uns trotz dieser Über-Macht befreien. Und wir sind nicht mehr sprachlos.
Moritz: Sie hat das sehr gut formuliert. Wenn wir über Kirche an sich reden, reden wir ja nicht nur über eine Organisationsstruktur, sondern über ein lebendiges Gebilde. Und wir sind sozusagen Opfer von Menschen in diesem Gebilde geworden. Die Synodalen haben das verstanden und waren im positiven Sinne aufgerüttelt. Es gab keine Reaktion im Sinne von: Was wollt ihr denn hier?
Moritz: Betroffene dürfen sich nicht gegenseitig angreifen. Wir dürfen nicht zu dem werden, was wir gerade bekämpfen wollen: Mit Erniedrigungen des Gegenübers machen wir es nicht besser. Wir vom DBK-Beirat setzen jedenfalls auf Zusammenarbeit. Wir wollen nicht die einzige Repräsentanz von Betroffenen sein. Wir haben jetzt eine gute Ausgangsposition, die Dinge anzusprechen und beschränken und nicht nur auf die Punkte, die nicht funktionieren.
Moritz: Ich denke, der Synodale Weg ist eine Möglichkeit, dass man den Zorn und die Wut der Betroffenen transformiert hin zu etwas Produktivem. Das braucht Zeit, auch wenn es immer schneller gehen soll. Siehe Würzburg. In meinem Statement habe ich versucht die Situation anzusprechen. In Würzburg wurde erst intern ein Betroffenenbeirat errichtet, jetzt wird er durch einen öffentlichen Aufruf neu umgewandelt.
Moritz: Ein Neustart ist jetzt die beste Lösung. Bischof Franz Jung hat meiner Auffassung nach nichts falsch gemacht, als er vor einigen Monaten die Gesprächsgruppe in einen Beirat umgewidmet hatte. Aber er hat es, so denke ich, falsch eingeschätzt. Es war rechtens laut der Präambel der Rahmenordnung, aber nicht richtig – in seinem Fall. Als ich die Aussage einer Betroffenen gelesen habe, dass sie nicht mehr glaubt, dass ein Dialog möglich ist, dachte ich mir: Wenn wir jetzt schon so weit sind, dass Leute, die reden wollen, aufgeben, dann ist ein gefährlicher Punkt erreicht.
Moritz: Schwierig für einen Betroffenenbeirat ist, wenn er sich als einen weiteren Ort der persönlichen therapeutischen Aufarbeitung der einzelnen Mitglieder versteht. Die Treffen der Beiräte sind auch nicht nur dazu da, damit sich Leute abreagieren können. Das ist ein Missverständnis - nicht nur vieler Bischöfe. Es darf aber und muss durchaus kontrovers diskutiert werden. Es gibt natürlich auch noch den anderen Pol, wo Betroffene sagen: Ich will gar nicht mit euch über meinen konkreten Fall reden. Ich will über Konsequenzen sprechen und wie wir uns da einbringen können. Das muss man schon differenziert betrachten.
Moritz: Die gibt es. Denn: So viele Betroffenen wie es gibt, gibt es Level der eigenen Aufarbeitung. Es gibt nicht den Betroffenen, der sich exemplarisch zu allem äußern kann. Das ist ein riesiges Mosaik, was zusammengefügt werden muss.
Moritz: Wichtig ist eine hohe Sensibilität im Umgang mit den Betroffenen, die immer noch nicht da ist. Wenn Betroffene retraumatisiert oder getriggert werden, müssen sie aufgefangen werden. Es braucht eine externe Moderation und eine Supervision. Und es braucht eine Handlungsordnung. Wie kommen wir zu Ergebnissen? Wie kommunizieren wir sie? Wie betonen wir unsere komplette Unabhängigkeit? Und wie können wir diese wahren?
Moritz: Momentan in Video-Meetings. Aber wir haben, wenn wir das wollen, Bischof Stephan Ackermann aus Trier dabei. Er ist der Beauftragte der DBK für Fragen sexuellen Missbrauchs. Wir können auch andere einladen. Etwa den Limburger Bischof Georg Bätzing, der etwas verändern will. Er erscheint mir glaubhaft in seinem Bemühen. Im Beirat haben Arbeitsgruppen für unterschiedliche Themenbereiche, etwa die Vernetzung mit dem Synodalen Weg. In der Großgruppe werden diese Themen dann diskutiert.
Moritz: Das ist ein großer Diskussionspunkt. Der Weg dahin, die Höhe der Beträge und wie man sich dafür anmelden muss, das hat wieder ohne Beteiligung der Betroffenen stattgefunden. Nicht hinnehmbar ist auch, wenn man von Entschädigung spricht, dass man dann in eine Ecke gedrängt wird, man wolle immer nur Geld, Geld, Geld. Nein, liebe Bischöfe! Ihr habt die Summe festgelegt. Ihr habt Missbrauch nun einen Wert gegeben! Und wie wollt ihr jetzt rechtfertigen, wenn einige Betroffene 50 000 Euro erhalten, andere 10 000?
Moritz: Aber es ist wieder intransparent entschieden worden. Und wohl aus dem dringenden Bedürfnis heraus, einen Endpunkt zu suchen. So nach dem Motto: Jetzt habe ich 50 000 Euro bezahlt, und jetzt muss Ruhe sein. Dem stellen wir uns als Beirat entgegen. Es gibt keine Entschuldigung. Es gibt nur ein gemeinsames damit Weiterleben. Wir Beiräte wollen das Wachhalten in der öffentlichen Diskussion: dass es nicht nur Bischöfe und Priester sind, die Täter waren oder Täter gedeckt haben, sondern dass auch das Bild von ihnen dazu geführt hat, dass das so passieren konnte und jetzt so schwerfällig nichts passiert. Da sitzen alle mit im Boot.
Moritz: Ich habe seine Entschuldigung gehört – in der überfälligen Ich-Form. Ich habe auch an seiner Körpersprache gesehen, dass ihm das nicht leicht fiel. Allein: Es reicht nicht! An erster Stelle hätte er die Konsequenzen für die Betroffenen stellen müssen. Ich unterstelle Herrn Woelki immer noch, dass er sich feiern lässt für seine wiederholten Worte des Bedauerns und sich gefällt, dass er jetzt etwas tut. Das macht es schwer.