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Würzburg
Synodaler Weg: Würzburger Missbrauchsbetroffener spricht Klartext
Kai Moritz ist Sprecher des Betroffenenbeirats der Bischofskonferenz. Jetzt war der Schauspieler erstmals beim Reformprozess Synodaler Weg zu Gast - und wird deutlich.
Der Würzburger Schauspieler Kai Christian Moritz ist Mitglied im Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz  und gehört zum Sprecherteam.
Foto: Silvia Gralla | Der Würzburger Schauspieler Kai Christian Moritz ist Mitglied im Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz  und gehört zum Sprecherteam.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:43 Uhr

Im November hat sich der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gegründet. Der in Würzburg lebende Schauspieler Kai Christian Moritz gehört diesem Gremium an und ist einer der Sprecher. Auf Einladung des Präsidiums des Synodalen Wegs meldete er sich mit Johannes Norpoth aus Gelsenkirchen und Johanna Beck aus Stuttgart auf einer Onlinekonferenz Anfang Februar in beeindruckenden Statements mit deutlichen Botschaften zu Wort. Im Gespräch erläutert Moritz, warum dies erst jetzt möglich war, was Betroffenenbeiratsgremien keinesfalls sein sollten und warum er sich mit der Entschuldigung des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki schwer tut.

Frage: Erstmals waren Betroffene sexualisierter Gewalt als Gastredner beim Synodalen Weg eingeladen. Endlich, heißt es. Denn der Anlass für den Reformprozess war die 2018 veröffentlichte sogenannte Missbrauchsstudie.

Kai Christian Moritz: Es ist nicht so, dass sich Betroffene nicht bemüht hätten dabei zu sein. Bei vorherigen Treffen hat das nicht stattgefunden, weil die Synodalen wohl die Sorge hatten: Was setzen wir uns da rein? Jetzt aber haben sie mit dem Beirat der Deutschen Bischofskonferenz Menschen, mit denen eine konstruktive, wenngleich keine harmlose Zusammenarbeit möglich ist. Aber es ist tatsächlich so, dass Betroffene lange Zeit aus den Blick genommen worden sind, um sie nicht in den Blick nehmen zu müssen.

Werden Sie regelmäßig an den Treffen der Synodalen teilnehmen?

Moritz: Mit unserem Ansatz, unserer Expertise und unserer Erfahrung haben wird deutlich gemacht, dass Betroffene beim Synodalen Weg mit dabei sein müssen. Die theoretische Ausarbeitung in einzelnen Foren ist schon sehr weit fortgeschritten. Doch nun kann durch uns das mit dem wahren Leben unterfüttert werden.

Das Forum "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" hat bislang das umfangreichste Papier ausgearbeitet.

Moritz: Das Thema "Macht" und deren gewaltsamer und unbarmherziger Gebrauch ist einer der gewichtigsten Gründe, weswegen wir uns öffentlich dazu geäußert haben. Wir Betroffene sind Überlebenskünstler, wir konnten uns trotz dieser Über-Macht befreien. Und wir sind nicht mehr sprachlos.

Online erstmals beim Synodalen Weg dabei: die Missbrauchsbetroffenen und DBK-Beiräte Johannes Norpoth (oben links), der Würzburger Kai Christian Moritz (rechts) und Johanna Beck.
Foto: Christine Jeske | Online erstmals beim Synodalen Weg dabei: die Missbrauchsbetroffenen und DBK-Beiräte Johannes Norpoth (oben links), der Würzburger Kai Christian Moritz (rechts) und Johanna Beck.
Johanna Beck gab ein eindrucksvolles Beispiel. Sie hob in Ihrem Statement hervor, dass sexualisierte Gewalt und geistlicher Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine "unfassbare Pervertierung des Evangeliums" darstellt.

Moritz: Sie hat das sehr gut formuliert. Wenn wir über Kirche an sich reden, reden wir ja nicht nur über eine Organisationsstruktur, sondern über ein lebendiges Gebilde. Und wir sind sozusagen Opfer von Menschen in diesem Gebilde geworden. Die Synodalen haben das verstanden und waren im positiven Sinne aufgerüttelt. Es gab keine Reaktion im Sinne von: Was wollt ihr denn hier?

Matthias Katsch, selbst Betroffener und Mitbegründer der Initiative Eckiger Tisch, twitterte während der Onlinekonferenz, dass man offenbar beim Synodalen Weg nur Betroffene hören wolle, die sich dort einbringen wollen. Und die anderen, die fordernden und öffentlich sichtbaren, nicht.

Moritz: Betroffene dürfen sich nicht gegenseitig angreifen. Wir dürfen nicht zu dem werden, was wir gerade bekämpfen wollen: Mit Erniedrigungen des Gegenübers machen wir es nicht besser. Wir vom DBK-Beirat setzen jedenfalls auf Zusammenarbeit. Wir wollen nicht die einzige Repräsentanz von Betroffenen sein. Wir haben jetzt eine gute Ausgangsposition, die Dinge anzusprechen und beschränken und nicht nur auf die Punkte, die nicht funktionieren.

"Der Synodale Weg ist eine Möglichkeit, dass man den Zorn und die Wut der Betroffenen transformiert hin zu etwas Produktiven."
Missbrauchsbetroffener und Beirat Kai Christian Moritz
In vielen Bistümern werden Betroffenenbeiräte erst errichtet. Einige Beiräte fühlen sich instrumentalisiert - siehe Köln. Der Beirat von Münster hat die Zusammenarbeit mit dem Bistum beendet. Und in Würzburg gibt es einen Neustart.

Moritz: Ich denke, der Synodale Weg ist eine Möglichkeit, dass man den Zorn und die Wut der Betroffenen transformiert hin zu etwas Produktivem. Das braucht Zeit, auch wenn es immer schneller gehen soll. Siehe Würzburg. In meinem Statement habe ich versucht die Situation anzusprechen. In Würzburg wurde erst intern ein Betroffenenbeirat errichtet, jetzt wird er durch einen öffentlichen Aufruf neu umgewandelt.

Wie beurteilen Sie das Vorgehen?

Moritz: Ein Neustart ist jetzt die beste Lösung. Bischof Franz Jung hat meiner Auffassung nach nichts falsch gemacht, als er vor einigen Monaten die Gesprächsgruppe in einen Beirat umgewidmet hatte. Aber er hat es, so denke ich, falsch eingeschätzt. Es war rechtens laut der Präambel der Rahmenordnung, aber nicht richtig – in seinem Fall. Als ich die Aussage einer Betroffenen gelesen habe, dass sie nicht mehr glaubt, dass ein Dialog möglich ist, dachte ich mir: Wenn wir jetzt schon so weit sind, dass Leute, die reden wollen, aufgeben, dann ist ein gefährlicher Punkt erreicht.

Wie lässt sich das verhindern?

Moritz: Schwierig für einen Betroffenenbeirat ist, wenn er sich als einen weiteren Ort der persönlichen therapeutischen Aufarbeitung der einzelnen Mitglieder versteht. Die Treffen der Beiräte sind auch nicht nur dazu da, damit sich Leute abreagieren können. Das ist ein Missverständnis - nicht nur vieler Bischöfe. Es darf aber und muss durchaus kontrovers diskutiert werden. Es gibt natürlich auch noch den anderen Pol, wo Betroffene sagen: Ich will gar nicht mit euch über meinen konkreten Fall reden. Ich will über Konsequenzen sprechen und wie wir uns da einbringen können. Das muss man schon differenziert betrachten.

Gibt es diese Pole auch im Beirat der Deutschen Bischofkonferenz?

Moritz: Die gibt es. Denn: So viele Betroffenen wie es gibt, gibt es Level der eigenen Aufarbeitung. Es gibt nicht den Betroffenen, der sich exemplarisch zu allem äußern kann. Das ist ein riesiges Mosaik, was zusammengefügt werden muss.

"Wichtig ist eine hohe Sensibilität im Umgang mit den Betroffenen, die immer noch nicht da ist."
Kai Christian Moritz
Was ist das Bindemittel für dieses Mosaik?

Moritz: Wichtig ist eine hohe Sensibilität im Umgang mit den Betroffenen, die immer noch nicht da ist. Wenn Betroffene retraumatisiert oder getriggert werden, müssen sie aufgefangen werden. Es braucht eine externe Moderation und eine Supervision. Und es braucht eine Handlungsordnung. Wie kommen wir zu Ergebnissen? Wie kommunizieren wir sie? Wie betonen wir unsere komplette Unabhängigkeit? Und wie können wir diese wahren?

Wie arbeitet der DBK-Betroffenenbeirat?

Moritz: Momentan in Video-Meetings. Aber wir haben, wenn wir das wollen, Bischof Stephan Ackermann aus Trier dabei. Er ist der Beauftragte der DBK für Fragen sexuellen Missbrauchs. Wir können auch andere einladen. Etwa den Limburger Bischof Georg Bätzing, der etwas verändern will. Er erscheint mir glaubhaft in seinem Bemühen. Im Beirat haben Arbeitsgruppen für unterschiedliche Themenbereiche, etwa die Vernetzung mit dem Synodalen Weg. In der Großgruppe werden diese Themen dann diskutiert.

Welchen Stellenwert hat die Neuregelung der Zahlungen in Anerkennung des Leids?

Moritz: Das ist ein großer Diskussionspunkt. Der Weg dahin, die Höhe der Beträge und wie man sich dafür anmelden muss, das hat wieder ohne Beteiligung der Betroffenen stattgefunden. Nicht hinnehmbar ist auch, wenn man von Entschädigung spricht, dass man dann in eine Ecke gedrängt wird, man wolle immer nur Geld, Geld, Geld. Nein, liebe Bischöfe! Ihr habt die Summe festgelegt. Ihr habt Missbrauch nun einen Wert gegeben! Und wie wollt ihr jetzt rechtfertigen, wenn einige Betroffene 50 000 Euro erhalten, andere 10 000?

"Ich unterstelle Herrn Woelki immer noch, dass er sich feiern lässt für seine wiederholten Worte des Bedauerns."
Kai Christian Moritz über den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki
Die Summe orientiert sich an zivilen Schmerzensgeldzahlungen.

Moritz: Aber es ist wieder intransparent entschieden worden. Und wohl aus dem dringenden Bedürfnis heraus, einen Endpunkt zu suchen. So nach dem Motto: Jetzt habe ich 50 000 Euro bezahlt, und jetzt muss Ruhe sein. Dem stellen wir uns als Beirat entgegen. Es gibt keine Entschuldigung. Es gibt nur ein gemeinsames damit Weiterleben. Wir Beiräte wollen das Wachhalten in der öffentlichen Diskussion: dass es nicht nur Bischöfe und Priester sind, die Täter waren oder Täter gedeckt haben, sondern dass auch das Bild von ihnen dazu geführt hat, dass das so passieren konnte und jetzt so schwerfällig nichts passiert. Da sitzen alle mit im Boot.

Kölns Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki hat bei der Onlinekonferenz erneut Fehler eingeräumt und gesagt, dass es ihm leidtut. Ihre Reaktiondanke  kam postwendend.

Moritz: Ich habe seine Entschuldigung gehört – in der überfälligen Ich-Form. Ich habe auch an seiner Körpersprache gesehen, dass ihm das nicht leicht fiel. Allein: Es reicht nicht! An erster Stelle hätte er die Konsequenzen für die Betroffenen stellen müssen. Ich unterstelle Herrn Woelki immer noch, dass er sich feiern lässt für seine wiederholten Worte des Bedauerns und sich gefällt, dass er jetzt etwas tut. Das macht es schwer.

Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz

Als Konsequenz aus der im September 2018 veröffentlichten Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" (MHG-Studie) hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) einen Betroffenenbeirat eingerichtet. Damit soll die Einbindung von Betroffenen sexualisierter Gewalt weiter ausgebaut und institutionalisiert werden. Info im Internet: www.dbk.de/themen/sexueller-missbrauch/betroffenenbeirat
Gegründet hat sich der Beirat in einer konstituierenden Sitzung im November. Ihm gehören zwölf Personen an, sieben Frauen und fünf Männer aus verschiedenen Diözesen. Mit dabei ist der 44 Jahre alte in Bonn geborene Schauspieler Kai Christian Moritz aus Würzburg.
Quelle: DBK/cj
 
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  • 4650246
    Den Einsatz von Kai Christian Moritz finde ich wirklich äußerst bewundernswert und sehr stark. Leider ist das System „Kirche“ zu langfristig und vielschichtig ausgerichtet, als das sich direkt etwas ändern wird, indirekt aber sicher schon. Bischof Jung finde ich auch als Vorbild der katholischen Kirche sehr gut, leider aber sicher ohne Einfluss auf das Thema. Die Katholische Kirche in Deutschland wird weitgehend verschwinden, ich bin schon, lange ausgetreten, eben wegen dieser Themen. In Köln werden derzeit die zu knappen Austrittstermine erweitert und es geht wie immer ums Geld. Mal sehen wie lange die Kirche ihre Haltung über Rom so halten will oder kann!
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  • jlattke
    Spannend finde ich schon die vorsichtige Wortwahl! Weshalb ist hier nicht auch klar von „Opfern“ sondern nur von „Betroffenen“ die Rede? Es ist doch nicht so, dass die Täter zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren und es durch eine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände zu eben „Betroffenen“ kam. Nein! Es gab hier Täter, die sich ihre Opfer suchten. Ross uns Reiter gehören benannt. Auch in der entsprechenden Berichterstattung. Nur wenn die Kirche wirklich sauber, ehrlich und transparent arbeitet und nicht doch noch versucht einen Krümel unter den Teppich zu kehren, kann man ihr auch abnehmen das sie nicht immer noch an diesen Taten und Gebaren festhält!
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