Es ist 8.58 Uhr und die Konfrontation kommt unvermittelt: "Du kannst dich direkt wieder verpissen", ruft ein schlaksiger Mann in einer schlabbrigen Sweatjacke und stürmt auf den verdatterten Reporter zu, der gerade seinen Weg in den Verhandlungssaal des Würzburger Landgerichts gefunden hat.
Der Saal C014 ist klein: Anklagebank, Richterempore und Stühle für Besucher stehen eng beieinander. Wer hier wer ist, lässt sich im anfänglichen Getümmel kaum ausmachen. Der Mann mit der Jacke ist der Angeklagte. Er soll einen Richter bedroht haben. Da nun offenbar auch die Anwesenheit der Presse, die aus seiner Sicht unfair über die Würzburger "Querdenker"-Szene berichtet hatte, seinen Zorn erregt, lässt die Staatsanwaltschaft Sicherheitsmänner in den Raum holen.
"Sie können hier nicht die Presse angehen, das verstehen Sie, oder?", sagt Oberstaatsanwalt Tobias Knahn, der mit milder Stimme auf den Angeklagten einwirkt. Abschreckung und Verständigung: Diese Leitmotive der Justiz scheinen während des fast schon pädagogisch geführten Prozesses, der nur wegen eines expliziten Antrags von Gerichtspräsident Johannes Ebert geführt wird, immer wieder durch. Aber von vorn.
Ärger mit Grünen-Politiker Sebastian Hansen und dann mit Würzburger Richter
Der vielfach vorbestrafte Angeklagte, ein 59-jähriger Rentner, war laut seines Verteidigers mit einer vorherigen Strafe nicht einverstanden gewesen. Sein Mandant hatte im Jahr 2021 Sebastian Hansen, Kandidat der Grünen für die Bundestagswahl, belästigt und ein Foto von ihm auf T-Shirts gedruckt. Dieser Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild war mit einem Strafbefehl geahndet worden, gegen den der Rentner Widerspruch eingelegt hatte. Allerdings zu spät, die Einspruchsfrist war abgelaufen.
Als eine seiner letzten Handlungen vor dem Ruhestand hatte der bekannte Würzburger Amtsrichter Thomas Behl einen Antrag des Rentners auf Wiedereinsetzung der Angelegenheit abgewiesen. Die Begründung des Mannes, der während der Zustellung des Strafbefehls laut eigener Aussage außer Landes war, hatte ihn nicht überzeugt. Das wiederum hatte den 59-Jährigen so sehr erzürnt, dass er im August des vergangenen Jahres auf dem Grundstück des Richters aufkreuzte.
Der Rentner bezeichnete Ex-Richter Behl als Rechtsbeuger und soll versucht haben, ihn zu schlagen. Aufgrund körperlicher Überlegenheit des Richters blieb der Schlag aus. Der Angeklagte bestreitet, dass er die Absicht gehabt habe, zu schlagen. Dennoch standen nun Beleidigung und versuchte Körperverletzung im Raum, und das obwohl der Geschädigte gar keine Strafverfolgung wünschte.
Präsident des Würzburger Landgerichts hatte Strafverfolgung persönlich beantragt
"Ich hatte weder Angst noch habe ich mich bedroht gefühlt", sagte er in seiner Zeugenaussage. Für ihn sei die Angelegenheit erledigt, nur auf Betreiben einer Kollegin habe er ein Gedächtnisprotokoll angefertigt. Das Protokoll hatte dann Gerichtspräsident Johannes Ebert als Grundlage für einen Strafantrag genommen, um die Sicherheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz zu wahren.
Der Vorwurf der Rechtsbeugung sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, argumentierte der Verteidiger des 59-Jährigen. Den unangemessenen Besuch beim Richter bereue sein Mandant. "Ja das ist blöd. Es tut mir auch leid", sagte dieser in der Verhandlung. Der Angeklagte habe sich einsichtig gezeigt, und ihn erwarte in anderen Verfahren eine empfindlichere Strafe, sagte auch Staatsanwalt Knahn. Das Gericht folgte dann auch seinem Antrag auf Einstellung des Verfahrens.
Der Verhandlungssaal C014 leert sich. Nach ein paar Worten mit seinem Verteidiger stapft der Beschuldigte aus dem Gebäude und zieht seine Sweatjacke über. Bei den Fahrradständern biegt der Rentner kurz ab und holt sein Rad. "Verpiss dich einfach", zischt er, als er den Reporter sieht. Dann radelt er auf seinem Mountainbike davon.