
Welcher Zeuge lügt und welcher Zeuge sagt die Wahrheit? Das herauszufinden ist vor Gericht das wichtigste Mittel, um ein gerechtes Urteil fällen zu können. Doch das ist manchmal gar nicht so leicht. Zum Beispiel, wenn - wie im Fall um die Messerattacke vor Stift Haug in Würzburg - die Zeuginnen und Zeugen unterschiedliche Versionen des Tathergangs erzählen.
Peter Schnitter war 33 Jahre lang unter anderem Richter am Landgericht Würzburg. Seit 24 Jahren ist der 87-Jährige im Ruhestand und verfolgt nun den Fall in den Medien. Im Interview erklärt er, wie man als Richter herausfindet, welche Zeugen die Wahrheit sagen und wie man mit der Verantwortung des Richterspruches umgeht.
Peter Schnitter: Ich habe erst acht Jahre als Zivilrichter am Amtsgericht in Würzburg gearbeitet und anschließend nochmal acht Jahre als Strafrichter am Amtsgericht Kitzingen. Das war eine recht fade Sache, denn dort werden überwiegend Verkehrssachen verhandelt. 1986 wurde ich dann ans Landgericht in Würzburg an die große Strafkammer berufen. Dort war ich dann einer von drei Richtern im Schwurgericht, bis ich im Jahr 2000 in den Ruhestand gegangen bin.
Peter Schnitter: Der Fall von einem Juwelier aus Goldbach bei Aschaffenburg war ein großer Fall. Der Mann war wohl sehr jähzornig und als seine Frau eines Abends vor dem Kamin sagte, dass sie die Trennung möchte, hat er sie mit dem Holzscheit erschlagen. Natürlich hat er versucht, das raffiniert zu vertuschen. Er ist mit seinem Auto zur Raststätte gefahren, hat das Rücklicht zerschlagen und die Polizei gerufen. Er hat behauptet, seine Frau sei entführt worden. Allerdings hatte er seine Geschäftsschlüssel auf dem Armaturenbrett vergessen, die ihn am Ende überführt haben.
Peter Schnitter: Eigentlich habe ich mir da immer wenig Gedanken drum gemacht. Für uns Richter sind die festgestellten Tatumstände und das Maß der Schuld maßgeblich. Da gibt es im Strafrecht bestimmte Vorgaben und daran müssen wir uns mit dem Urteil orientieren. Damals als ich Richter war, hatte die Öffentlichkeit noch gar kein so großes Interesse an Gerichtsprozessen. Das hat sich mittlerweile natürlich stark geändert.
Peter Schnitter: Ja, das verfolge ich gerade auch und lese die Berichterstattung dazu regelmäßig.
Peter Schnitter: Zuerst einmal ermittelt ja die Polizei. Wenn sie ihre Arbeit abgeschlossen haben, geben sie den Fall mit allen Ergebnissen weiter an die Staatsanwaltschaft. Auch dort werden wieder Ermittlungen vorgenommen. Wenn die Ermittlungen gut sind, hat man als Richter dann schon ein sehr klares Bild von dem, was passiert ist. Anhand dessen kann man schon herausfinden, welche Teile einer Geschichte stimmen können und wo es Widersprüche gibt. Aber um Genaueres sagen zu können, kenne ich den Fall nicht genau genug. Aber es ist ja ganz offensichtlich so, dass ein Teil der Zeugen eine Notwehrsituation beschreiben wollen und andere wieder nicht. Da ist jetzt die Frage, welchem Zeugen glaube ich.
Peter Schnitter: Die Zeugenaussagen sind die wichtigste Grundlage. Als Richter muss man dann die richtigen Nachfragen stellen. Durch eine geschickte Fragetaktik kann man häufig viele Erkenntnisse gewinnen. Es ist keinesfalls so, dass man nur die Aussage der Leute anhört und das war's. Es muss immer nachgefragt werden, denn ein normaler Mensch kommt zu einer umfassenden Aussage immer erst dann, wenn er auch gefragt wird. Ein Merkmal, worauf man als Richter beispielsweise achtet, ist, wie viel die Person von selbst erzählt. Dass jemand alles und jedes Detail von allein erzählt, ohne dass Nachfragen gestellt werden, das ist schon eher ungewöhnlich, würde ich sagen.
Peter Schnitter: Ja, klar. Das beginnt schon bei der Beurteilung der äußeren Erscheinung. Entscheidend ist auch, wie eine Person ihre Aussage macht. Daran entscheidet sich häufig, ob ein Zeuge als glaubwürdig gilt. Auch bei der Mimik und Gestik gibt es viele einzelne Dinge, auf die man achten muss. Als Richter merkt man zum Beispiel, wenn eine Person nervös ist.
Peter Schnitter: Wenn sich Zeugen abgesprochen haben, dann kann man als Richter nichts machen. Es sei denn, man kann es aufdecken. Heutzutage ist das ja sehr gut denkbar, da die Art und Weise, wie Zeugen miteinander kommunizieren, häufig digital stattfindet und dann auch nachvollzogen werden kann. Zum Beispiel bei Textnachrichten. Früher konnte man sich nur persönlich absprechen und dann bleibt nur die Aussage der beteiligten Personen. Daher ist das heute schon leichter geworden, so etwas nachzuweisen.
Peter Schnitter: Sicher, das ist schon richtig. Gerichte verhandeln aber immer nur dann, wenn eine Tat vorausgegangen ist. Das ist dann der Vorteil bei einem Kollegialgericht, bei dem mehrere Richter gemeinsam das Urteil fällen. Da spricht man natürlich in den Beratungen ganz intensiv mit den anderen beiden Richtern und den Schöffen über das Urteil. In dem Fall lastet der Druck auch nicht nur auf einer Person. Deshalb sind bei großen Verfahren auch immer drei Richter dabei.
Peter Schnitter: Sie meinen, wenn das Verfahren abgeschlossen, das Urteil gefällt ist und sich dann noch Quellen auftun, die das Urteil als falsch erscheinen lassen? Das kommt grundsätzlich schon vor. Aber wenn das Urteil rechtskräftig ist, dann ist es durch und das ist auch gut so. Es gibt nur ganz wenige Fälle unter ganz strengen Bedingungen, wo das Verfahren dann nochmal aufgerollt werden kann. Mir ist in meiner Amtszeit aber weder das eine, noch das andere passiert.
Bei so einer "angeblichen" Vergesslichkeit ist man doch "arbeitsunfählich"
u. man sollte mit J. Bidden in der gleichen geschlossenen Anstalt wohnen
Zwangseinweisung in eine Psychatrie wird kein Richter bei "etwas Vergesslichkeit" machen. Und es besteht auch keine Erhebliche Selbs- oder Fremdgefärdung.
"Haben Sie schon einmal einen Urteilsspruch bereut, weil sie im Nachgang noch Informationen bekommen haben, die den Fall haben anders aussehen lassen?
Peter Schnitter: Sie meinen, wenn das Verfahren abgeschlossen, das Urteil gefällt ist und sich dann noch Quellen auftun, die das Urteil als falsch erscheinen lassen? Das kommt grundsätzlich schon vor. Aber wenn das Urteil rechtskräftig ist, dann ist es durch und das ist auch gut so. ..................."
Über diese Aussage bin ich erschrocken, denn was hilft das den in solchen Fällen zu unrecht verurteilten Angeklagten?