Die Staatsanwaltschaft hat beim Landgericht Würzburg Beschwerde gegen die Freilassung eines 23-jährigen Angeklagten eingereicht. Zu Prozessbeginn Anfang Juni hatte der Mann gestanden, im September 2023 vor einem Club in der Würzburger Innenstadt einen 28-Jährigen erstochen und zwei weitere Personen mit einem Messer schwer verletzt zu haben.
Die Staatsanwaltschaft geht von Totschlag aus, die Verteidigung spricht von einer Art Notwehr-Situation. Seit seiner Festnahme kurz nach der Tat saß der 23-Jährige in Untersuchungshaft. Weil die Beweisaufnahme den Richtern zufolge den "dringenden" Tatverdacht nicht bestätigte, hob das Gericht am 26. Juni den Haftbefehl gegen den Angeklagten auf.
Staatsanwaltschaft Würzburg hält an Haftgrund fest und sieht Fluchtgefahr
Die Staatsanwaltschaft Würzburg sieht das anders: "Der dringende Tatverdacht und der Haftgrund werden weiterhin gesehen", heißt es auf Anfrage. Eine Fluchtgefahr des Angeklagten sei nicht ausgeschlossen.
Über die Beschwerde des zuständigen Oberstaatsanwalts Thorsten Seebach muss das Würzburger Gericht nun entscheiden. "Wenn das Landgericht nicht abhilft, wird die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt", teilt die Staatsanwaltschaft mit.
Zahlreiche widersprüchliche Zeugenaussagen hatten beim Landgericht Zweifel an der Schuld des 23-Jährigen gesät: Offenbar war er – anders als lange öffentlich bekannt – vor den tödlichen Stichen geschlagen worden. Außerdem hatte der Vater des Getöteten vor dem Prozess eine wichtige Augenzeugin zu einer belastenden Aussage gedrängt. Nach ihrer ersten Aussage vor Gericht gab es Zweifel an ihrer Schilderung. Sie musste ein zweites Mal in den Zeugenstand und wich dabei teilweise von ihrer ersten Aussage ab.
Rechtsanwalt der Nebenklage will weitere Auswertung des Videomaterials
Auch Rechtsanwalt Roj Khalaf, Vertreter der Nebenklage, kritisiert gegenüber der Redaktion die Aufhebung des Haftbefehls: "Das war keine Notwehr", sagt Khalaf über die Messerstiche. Aus seiner Sicht sei die Hauptbelastungszeugin glaubwürdig, auch andere Zeugen hätten ihre Aussage bestätigt.
Der Nebenklageanwalt hatte vor der Freilassung des 23-Jährigen weitere Auswertung des vorliegenden Videomaterials beantragt. Damit ließe sich eine Aggressivität des Angeklagten belegen, ist er überzeugt. Seine Entscheidung über den Antrag hat das Gericht noch nicht öffentlich bekannt gegeben.
Norman Jacob junior, einer der Verteidiger des Angeklagten, sagt auf Anfrage der Redaktion zur Entwicklung der Verhandlung: "Aus Sicht der Verteidigung hat sich insgesamt kein einheitliches Bild ergeben. Es ist klar, dass Zeugen direkt oder indirekt beeinflusst wurden, was die Beweiswürdigung erschwert." Die Freilassung sei daher "folgerichtig" gewesen.
Der Prozess am Landgericht Würzburg wird an diesem Mittwoch, 8 Uhr, fortgesetzt.